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Seite:Die Gartenlaube (1877) 863.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


Hütte ist es so dunkel, daß wir außer dem röthlichen Glanz der flackernden Feuer auf den braunen, kokosölduftenden Körpern und den blitzenden Zähnen und Augen unserer Gastfreunde kaum etwas unterscheiden können.

Ist von den zur Bereitung der Kawa commandirten Jungen ein Stück Wurzel zurecht gekaut worden, so wird der Bissen sorgsam mit Daumen und Zeigefinger hinter den Backen hervorgeholt und als wohlgeformtes, rundliches Häufchen sauber in die Bowle gelegt, nicht gespieen! Sind etwa doppelt so viele Häufchen als Zechgenossen vorhanden, so gießt ein älterer Junge, der das wichtige Amt des Brauens verwaltet, eine entsprechende Menge Wasser aus hohlen Kokosnüssen darauf, rührt es mit den Fingern um und macht sich an die schwierige Operation des Filtrirens. Er bedient sich hiezu des Bastes der einheimischen Baumwollenpflanze, des Wau, den er wiederholt in die Flüssigkeit taucht; die holzigen Reste der ausgelaugten Wurzel fängt er heraus und preßt sie zwischen den Fasern des Filters aus. Dies muß unter gewissen kunstvollen und gesetzmäßigen Bewegungen der Arme geschehen, auf die man großes Gewicht legt.

Die Yankona ist fertig, und der junge Mann an der Bowle klatscht drei Mal in die Hände, die Vollendung seines Werkes zu verkünden. Er schöpft den ersten Becher, eine halbirte Kokosnuß, voll und schleicht damit in demüthiger Haltung, den Kopf gebeugt und sich duckend – denn aufrecht zu gehen vor einem Höheren, wäre eine große Frechheit – an den Häuptling heran, der die Bevorzugung des Erstlingstrunkes galant an uns abtritt. Während wir den Becher nehmen, kauert er nieder und klatscht drei Mal in die Hände, eine Ehrenbezeigung, die dem Vornehmen zusteht, so oft er sich etwas reichen läßt. Wir müssen ganz austrinken. Es nicht zu thun, wird von den Häuptlingen der Südsee ebenso übel genommen, wie von den Senioren einer deutschen Studentenkneipe. Und erfüllen wir diese unsere Pflicht und können wir die Schale geleert nach der Bowle zurückwerfen, so freut sich die ganze Versammlung darüber und ruft einstimmig „Amala“, läppisch grinsend und ebenfalls drei Mal in die Hände klatschend, worauf wir „Mole, mole“ zu danken haben. Wir selber empfinden vielleicht weniger Freude über die gelungene That. Denn die Kawa, welche bei Tageslicht aussieht, wie Thee mit etwas Milch, schmeckt im Anfange abscheulich, ungefähr so, wie Seifenwasser mit etwas Tannin schmecken möchte. Sie hinterläßt aber auf dem Gaumen ein angenehmes Gefühl der Kühle, sodaß man sie später nicht ungern trinkt, zumal wenn man längere Zeit keine Spirituosen mehr zu sehen bekommen hat.

Nach uns trinken der Häuptling und seine Genossen in absteigender Rangordnung, und Jedem wird drei Mal in die Hände geklatscht und „Amala“ zugerufen. Was von der Kawa schließlich übrig bleibt, gehört den Jungen, die sie ohne weitere Ceremonien rasch mit den Händen ausschöpfen und schlürfen. Sollten wir jedoch noch mehr von der köstlichen Flüssigkeit wünschen, so wird vielleicht nochmals gekaut und wieder von vorn angefangen.

Der Yankona oder Kawa werden auf Viti und anderwärts alle möglichen übeln Wirkungen nachgesagt. Lähmungen, Hautausschläge und Augenentzündungen sollen aus ihrem zu häufigen Genusse entstehen. Vorläufig sind hierüber noch keine exacten Beobachtungen vorhanden. Nur ihre schweißtreibende Wirkung scheint sicher zu sein. Ich habe einige Male versucht, soviel wie möglich davon zu trinken und es auf drei bis vier Kokosschalen von je vielleicht einem halben Liter gebracht, ohne eine wesentliche Veränderung meines Gemeingefühls zu erfahren. Ich konnte lange danach nicht einschlafen und transpirirte beträchtlich – das war Alles. Die Kawa ist also ebenso wenig ein berauschendes, wie sie ein gegohrenes Getränk ist, wie man oft lesen muß. Und die angenehmen Träume und Verzückungen erst, die sie hervorrufen soll, gehören zu jenen Fabeln, die leider in den Beschreibungen ferner Länder noch immer so zahlreich sich breitmachen dürfen.

Die Kawa erfreut sich auf Viti nicht nur bei den Eingeborenen, sondern auch bei den weißen Ansiedlern großer Beliebtheit. Selbst der Gouverneur, ein hoher Aristokrat, soll ein Verehrer derselben sein. Dabei besteht immer noch das alte Verfahren der Zubereitung, und es wird keine Maschine gebraucht, welche die Zähne der Jungen oder Mädchen ersetzte, wie wohl denkbar wäre. In früheren Zeiten allerdings soll man die Wurzeln künstlich geraspelt haben, wie alte Männer dem Missionär Williams erzählten. Jetzt zieht man die billigeren und einfacheren Instrumente von unübertrefflicher Qualität vor, die jeder Vitijunge im Munde mit sich herumträgt. Ich habe es oft erlebt, daß Europäer ihren dienenden Geistern befahlen, schnell eine Bowle zurechtzukauen. Die Weißen auf Viti sagen für Kawa oder Yankona gewöhnlich „Grog“, und zwar „Fidschi-Grog“, zum Unterschiede von „Whiteman’s Grog“, was den Schnaps im europäischen Sinne bedeutet.

„Was wollen Sie trinken?“ ist eine stehende Frage, wenn man irgendwo bei einem Weißen zu Besuch kommt, „Fidschi-Grog oder Whiteman’s-Grog?“ Und zwar hat diese ursprünglich jedenfalls spaßhafte Bezeichnung sich bereits so eingebürgert, daß sie allen humoristischen Klang verloren hat und ganz ernsthaft gebraucht wird, ohne daß es dem Betreffenden einfiele, witzig sein zu wollen. Die Bezeichnung „Grog“ hat sogar angefangen, auch bei den Eingeborenen Geltung zu haben und selbst auf die Pflanze angewendet zu werden – ein merkwürdiges Beispiel der Uebertragung von Wortbegriffen. Man wird oft von Vitis gefragt „Grog?“ wenn sie die Wurzel zum Verkauf anbieten, und „Grog, Grog“ machte mich oft mein Diener aufmerksam, wenn ich im Walde an einer Piper methysticum-Staude vorüber kam. –

Unsere Zechgenossen reichen uns einer nach dem andern die Hände, flüstern „Sa yandre“ und verlassen die Hütte des Häuptlings, um ihr Lager aufzusuchen. Wir machen noch einen genußreichen Spaziergang draußen in der zauberhaften Mondnacht. Die Palmen wogen, von einem lauen Zephyr bewegt. Ihre graziösen, schaukelnden Zweige blinken wie Silber, und silberglänzend lecken die hüpfenden Wellen gegen das schimmernde Sandufer. In den schwarzen Dickichten des Buschwerks aber ziehen einsame Leuchtkäfer ihre funkelnden Kreise, schnell erlöschend, sobald sie das helle Gebiet des Mondes betreten. Dann kriechen wir wieder zurück in unsere Hütte und strecken uns neben dem Häuptling auf den weichen, mit Farnkraut unterpolsterten Matten, welche den Boden bedecken, aus, nachdem wir Stiefel und Beinkleid zu einem Kopfkissen zusammengerollt und uns selbst in eine mitgebrachte Decke gewickelt haben. Zu unseren Füßen schläft die Dienerschaft, glücklicherweise ohne zu schnarchen. Im ganzen Dorf regt sich kein menschlicher Laut. Nur Tausende von Cikaden zirpen ohne Unterlaß, und von den Korallenriffen donnert rastlos die Brandung durch die Stille der Nacht herüber, als ob ein Eisenbahnzug ohne Ende über eine ferne Brücke rollte.




Blätter und Blüthen.


Brennende Eiszapfen, ein Experiment für die langen Winterabende. An dem berühmten Sebaldus-Grab in der Kirche dieses Heiligen zu Nürnberg, dem Meisterwerke Peter Vischer’s und seiner Söhne, bewundert man unter den Reliefdarstellungen der Zeichen und Thaten dieses heiligen Pilgers vor Allem die prächtige Darstellung des Wunders, wie er sich in Ermangelung von Klobenholz aus frisch vom Zaun oder Dach gebrochenen Eiszapfen ein munteres Feuer anzünden läßt, um sich die erstarrten Hände und Füße daran zu erwärmen. Gläubig und doch wieder ihren Augen nicht trauend, in ihrer naiven Glaubensinnigkeit unübertrefflich dargestellt, strecken die drei Augenzeugen, darunter auch die Eiszapfensammlerin, die Hände dem Feuer entgegen, um sich zu überzeugen, ob dieses Eiszapfenfeuer denn wirklich Wärme ausstrahle. Besagtes Heiligenexperiment in einer lehrreichen Form nachzuahmen ist vor einiger Zeit dem englischen Physiker Friedrich Guthrie gelungen und kann leicht von jedem wiederholt werden. Man hat nur nöthig, einen Maßtheil Aether (gewöhnlich fälschlich Schwefeläther genannt) aus der Apotheke in neun Maßtheilen Wasser durch Schütteln aufzulösen, und diese Auflösung zu Eiszapfen frieren zu lassen, was schon bei einer Kälte von – 2 Grad gelingt.

Man braucht also nur ein sogenanntes Probirgläschen, ein Tolleisen oder einen sonstigen röhrenförmigen Behälter aus Blech oder Glas damit zu füllen und an einem Bindfaden bei frischer Kälte vor das Fenster zu hängen. Wenn der Inhalt gefroren ist, geht er in Form eines klaren Eiszapfens sofort aus dem in die warme Stube genommenen Behälter heraus und kann nun wie eine Kerze auf einen Leuchter gestellt und an der Spitze angezündet werden. Er brennt mit einer sehr schwach leuchtenden Flamme, die nur im finsteren Zimmer sichtbar ist, bis auf das letzte Stümpfchen herab. Natürlich ist es nur der Aether, welcher die Flamme speist, während das weggeschmolzene Wasser beständig herabrinnt. Lehrreich ist hierbei, daß der Aether, der sonst mit einer hellleuchtenden Flamme brennt (und wegen seiner äußerst leichten Entflammbarkeit aus der Ferne Vorsicht in der Handhabung erfordert), in Folge

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 863. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_863.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)