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Seite:Die Gartenlaube (1877) 861.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)

es mir, bis an das ersehnte, in tiefer Waldeseinöde gelegene Jägerhaus zu gelangen. Das Abenddunkel war inzwischen voll eingetreten, aber aus halbverschneitem Fensterchen blitzte mir schon von Weitem trauter Lichtschimmer entgegen. Als einen zweiten Vorläufer freundlichen Willkommens betrachtete ich übrigens das anheimelnde Hundegebell, welches mein Nahen ankündigte. Und wirklich fand ich auch die allerherzlichste Aufnahme von seiten meines freudig überraschten Grünrocks, der in seiner reizenden Försterei so einsam, nur noch in Gemeinschaft einer schwerhörigen, uralten Haushälterin, sein Leben verbrachte. Gern versprach ich daher ein paar Tage bei dem von sonstigem Menschenverkehr fast gänzlich Abgeschnittenen zu verweilen, und so kam es, daß ich des andern Tages, auf welchen gerade der heilige Weihnachtsabend fiel, nicht zurück nach Hause wanderte, wie ich es anfangs wollte, sondern mit meinem Jägersmann auf’s Revier ging, um hier dem Braven beim höchst nothwendig werdenden Füttern des Wildes, das durch den zeitigen und strengen Winter bereits arg gelitten, nach Kräften Beistand zu leisten. Zu diesem Zwecke rückten wir schon frühzeitig aus, da der Pflichtgetreue bei dieser unaufschiebbaren Besorgung gleichzeitig die entlegensten Theile seines Reviers begehen wollte, um nach dem Wilde auszuschauen, da dasselbe von hier aus in der Regel nicht nach den zu entfernt liegenden Fütterungsplätzen zog.

Geräuschlos durchfurchten wir den frischen, die ganze Nacht über noch gefallenen Schnee; so hell uns derselbe auch im Lichte des klar aufgegangenen Morgens auf Gehauen und Blößen entgegenleuchtete, unter den alten Fichten- und einzeln vorkommenden Föhrenbeständen herrschte noch immer magische Dämmerung. Nur da, wo das durch seine lastende Decke tief niedergesenkte dunkle Gezweig des im dichten Schluß stehenden Hochwaldes Lücken zeigte, huschten die Strahlen der emporsteigenden Frühsonne herein und übergossen dabei die freistehenden Wipfel und erreichbaren Stämme mit zauberisch rosigem Lichte. Es herrschte Grabesstille in der weiten Natur, denn selbst von den rastlosen niedlichen Goldhähnchen, welche hoch oben im Geäste sich tummelten und dabei doch jedenfalls ihre anmuthig feinen Stimmchen nicht ruhen ließen, vernahm man nicht einen Ton – alles verhallte eben ungehört in der klanglosen schneeerfüllten Umgebung. Dafür ergötzte das Auge sich um so lebhafter an der Lust der losen Schaar, zumal wenn sie das schwanke Gezweig durch ihr Flattern und Schaukeln seiner Schneelast entbürdete. Die sich ablösenden einzelnen Eiskrystalle kreuzten dann die einfallenden Sonnenstrahlen und erglänzten gleich kleinen demantschimmernden Sternen.

Fühlte ich mich unter den hochragenden Baumsäulen mit ihrem schneebedeckten Nadeldache wie in einem hehren Gottesbau, so erschienen mir dagegen die durch die Schwere ihres Winterschmuckes kreuzweise gegen einander gesenkten Stangenhölzer gleichsam als Ehrenpforten, unter deren Wölbungen wir hinschreiten sollten. Stamm an Stamm war von den im dichten Stande hochaufgeschossenen Bäumchen in zierlichen Bogen fast bis zur Erde gedrückt, ja, mancher schlanke Schaft bereits gebrochen, daß dessen Wipfel im Schnee am Boden lag. In solch prangender Umgebung, Schnee über und Schnee unter uns, folgten wir unaufhaltsam unserm fesselnden, wenn oft auch recht mühseligen Wege, dabei eifrigst nach Wild auslugend, doch ohne bis hierher auch nur ein einziges Stück gesehen zu haben. Ja, nicht einmal eine Fährte desselben hatte unsern Pfad gekreuzt, und nur die ganz frische Spur eines Baummarders kennzeichnete sich hoch über uns, aber in dem Gezweige eines alten Nadelholzbestandes, wo der kühne Räuber, vielleicht bei der Jagd auf ein aufgestöbertes Eichhörnchen, durch seine Ab- und Aufsprünge den Schnee heruntergeworfen. Den sehr flüchtig Fortgebäumten aber etwa „ausmachen“ zu wollen, lag nicht in unserer heutigen Aufgabe; darum wandten wir uns nach kurzem Nachgehen bald wieder unserm Ziele, dem sogenannten Hinterwalde, zu.

Etwa tausend Schritte mochten wir so vorwärts gekommen sein, als uns, gar nicht weithin, drei starke Hirsche in Sicht kamen, die müde einem Stangenorte zuzogen, den ein alter Weg säumte und an welchem eine übergehaltene Wetterfichte stand. Unhörbar durch den weichen Schnee, außerdem im besten Winde befindlich, nahmen wir, völlig unbemerkt von dem Kleeblatte, rasch Deckung hinter einer Gruppe mannshohen Unterwuchses, und dadurch gelang es uns, die Nichtsahnenden dicht an uns vorüberziehen zu sehen, so nahe, daß wir ihnen die Enden auf dem Kopfe abzuzählen vermochten. Es waren zwei Zehnender und ein ungerader Vierzehnender. Höchst gedrückt vom harten, schweren Winter, der hier auf böhmischer Seite noch dazu mehrmals Glatteis gebracht, wie kurz vor dem frischgefallenen Schnee – das Schlimmste, was dem Wilde kommen kann – zogen die gewiß sehr hungrigen, nach jeder erreichbaren Flechte trachtend, weiter in die vom Schneebruch geworfenen Stangen, um an diesen durch Schälen kärgliche Kost zu gewinnen. Dabei mußten sie bei bezeichneter Fichte vorüber, die ungefähr nur fünfundzwanzig Schritte von uns entfernt war. An dieser aber war unter verwittertem Holzdache ein Crucifix angebracht, als Zeichen, daß hier vor Jahren ein Holzmacher durch einen fallenden Baum jähen Tod gefunden. Noch vom vergangenen Herbste her hingen einige Kränze daran.

Rührend war es nun anzusehen, wie die Hochgekrönten das Haupt nach diesem dürren Reise sehnsuchtsvoll emporrichteten und der eine Zehnender mit edlem Schwunge sich auf die Hinterläufe erhob und so die saftlose Ranke gierig benagte. Seine beiden Genossen begnügten sich, die vom Kranze niederfallenden raschelnden Blätter vom Schneegrunde aufzulesen und zu verzehren. So weilten die drei Leidensgefährten, als ob sie in ihrer bitteren Noth um Hülfe fleheten, eine kurze Frist vor dem Bilde des Gekreuzigten, und gern gab ich mich bei diesem Anblicke dem Glauben hin, daß der allliebende Schöpfer, ohne dessen Wirken ja kein Sperling vom Dache fallen soll, auch diese so harmlosen Geschöpfe in seinen Schutz nehmen werde. Es sollte anders kommen. Denn als wir Tags darauf nach verflossener mondheller Weihnacht in den Frühstunden mit einer tüchtigen Tracht süßen Heues zur Stelle fuhren, um die Hungernden zu erquicken und vor dem Aeußersten zu schützen – da kam unsere Hülfe bereits zu spät.

Nicht weit vom Christusbilde, auf eisiges Lager hingestreckt, fanden wir den königlichen Vierzehnender schon verendet, das einst so stolz getragene herrliche Haupt von der Wucht seines Kronenschmuckes, dem Geweihe, tief in den Schnee versenkt. Wie auf Hermelin gebettet lag der starre Todte da.

Beim Nachgehen auf den Fährten der beiden anderen Verlassenen fanden wir auch diese nicht weit von einander, wenn auch noch lebend, so doch sterbensmatt in ihren Betten sitzend, so matt, daß wir zu ihnen unmittelbar herantreten und sie sogar greifen konnten. Das Heu aber, welches wir dicht vor sie legten, nahmen sie nicht mehr an, und unsere schwache Hoffnung, daß sie, wenn wir sie allein ließen, vielleicht doch noch die gebotene Nahrung zu sich nehmen würden und sich dadurch noch einmal aufraffen könnten – auch diese war eine trügerische. Denn als wir, absichtlich erst nach Stunden, zu den Aermsten zurückkehrten, da hatte auch ihnen der Himmel geholfen: Der Retter aus aller Noth, der Tod, hatte sie des Kampfes um’s kümmerliche Dasein enthoben.




Ein Kawa-Gelage auf Viti.
Von Dr. Max Buchner.


Die Viti-(Fidschi-)Inseln bilden die bedeutendste Gruppe der Südsee. Es sind herrliche Eilande voll tropischer Farbenpracht. Ringsum das indigoblaue Meer, weit draußen, da, wo an den Riffen die Wogen sich brechen, besäumt von den weißen Schaumlinien der Brandung, und innerhalb dieser smaragdgrüne, purpurne und violette Tinten über der Märchenwelt der Korallen – man glaubt im Paradies zu sein. Hinter glänzenden Streifen sandigen Ufers wechseln dunkle, üppige Forste von steifblättrigen Baumriesen, in welche schlankstämmige hellere Farnen eingestreut sind, mit rauschenden Palmenhainen, jene über steile Felsen emporkletternd, diese in anmuthigen Thälern sich ausbreitend. Und über dem Ganzen der tiefblaue, wolkenlose Himmel eines ewigen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 861. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_861.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)