Verschiedene: Die Gartenlaube (1877) | |
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Gastgeber, dessen Aug' und Herz dies nicht entgangen sein mochte, rief befriedigt über die Tafel:
„So! Nun haben die Junkers auch ihr Trinkgefäß und den Vortheil, dasselbe nach aufgehobener Tafel in die Tasche stecken zu dürfen, was meine übrigen Gäste nicht thun werden. Junkers! Nehmt diese Becher als ein Zeichen der Anerkennung für belobigten Fleiß und als ein Andenken an – mir!“
Hierauf brachte der liebenswürdige Gastgeber ein dreimaliges Hoch aus auf Seine Majestät den König, „seinem“ Herrn und das Königliche Haus. Die eingeladenen Gäste stimmten kräftig ein; auch die jugendlichen Söhne des Mars blieben nicht zurück und leerten enthusiastisch den credenzten silbernen Becher. Diese sinnige und zarte Weise, jugendlichem Fleiß eine Anerkennung zu zollen, hatte unter allen Gästen eine höchst wohlthuende Stimmung erzeugt, die so recht geeignet war, den Genuß der Tafelfreude noch um ein Bedeutendes zu erhöhen. Gewiß werden noch heute die kleinen silbernen Becher von den betreffenden Familien in hohen Ehren gehalten als ein werthes Andenken an froh verlebte Jugendtage und an den um Vaterland und Armee so hoch verdienten Feldmarschall von Wrangel.
Der Verfasser des Palm'schen Buches „Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung“. Bezüglich des in dem Artikel „Suleika’s Eden“ in unserer Nr. 48 erwähnten Herrn von Willemer geht uns aus der Feder der Verfasserin, M. von Humbracht, noch folgende nachträgliche Mittheilung zu: „Mehrere Bewohner von Oberrad haben mir Herrn von Willemer als den Verfasser der Schrift ‚Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung‘ bezeichnet. Sie war bekanntlich dem Buchhändler Palm anonym eingesandt worden, und ihre Veröffentlichung kostete Diesem das Leben. In Frankfurt wurde die Autorschaft Willemer’s entweder bestritten oder behauptet, Gewisses sei nie darüber bekannt geworden. Bestätigt wurde uns das Gerücht 1871 durch unsere Schwester. Sie besuchte uns auf der Gerbermühle, und als ich mit ihr von den frühern Bewohnern des Hauses redete und speciell von dieser Palm’schen Angelegenheit, theilte sie mir der Reihe nach folgende Daten mit, die sie aus ihrer frühen Jugend im Gedächtniß behalten hatte, wo sie 1832 mit unserm Vater in Frankfurt und auch bei der Familie von Willemer auf der Gerbermühle gewesen war.
In den Jahren 1791 bis 1815 wurde von Frankfurts Bürgerschaft, die ihre ältern und jüngern Bürgermeister alljährlich neu wählte, ein Adolf Karl von Humbracht zwölfmal zum ältern Bürgermeister gewählt. Es ist ein vereinzelter Fall in der Geschichte der freien Reichsstadt, und jener Karl von Humbracht muß ebenso beliebt bei den Bürgern der Stadt, wie ein Mann von besondern Fähigkeiten gewesen sein. Er war genau bekannt mit Herrn von Willemer. Ob das Amt, das er bekleidete, oder die Freundschaft, welche beide Männer verband, Grund war, daß Willemer ihm sein Geheimniß anvertraute, muß dahin gestellt bleiben. Als Willemer den Tod Palm’s erfahren und entschlossen war, sich als Verfasser zu melden, hat jener Humbracht ihm so lange zugeredet, sein Leben nicht unnütz auf’s Spiel zu setzen, bis Willemer ihm versprach, über die Sache zu schweigen. Palm’s Tod konnte nicht ungeschehen gemacht werden, und Napoleon oder einem seiner Vertreter unnütz ein neues Opfer zu brutaler Handlungsweise zu liefern, war in der That ganz überflüssig.
Die Jetztzeit legt jener Schrift, die bekanntlich 1806 erschien, keine hohe Bedeutung bei; man findet heute die Ausdrücke zu stark. Die zündende Wirkung aber, die sie damals im Volke und im Heere gehabt, ist so bekannt wie die Erbitterung, die Entrüstung und Empörung, die jene Behandlung Palm’s und sein Tod in ganz Deutschland wachgerufen. Was 1806 möglich und vielleicht ganz natürlich war, begreift man heute kaum noch. Die Schrift, obgleich verboten, verbreitete sich durch alle deutschen Städte und Lande.
Von dem Hasse, den sie gegen Napoleon erweckte, nur ein Beispiel! Mein Vater war preußischer Officier und hatte sich in den Freiheitkriegen und als ganz junger Secondelieutenant die hohen militärischen Orden erworben: pour le mérite und die eisernen Kreuze erster und zweiter Classe. 1812 beim York’schen Corps stehend, erhielt er eines Tages in Riga nebst drei andern Officieren von Napoleon das Kreuz der Ehrenlegion. Es war auf der Parade und auf öffentlichem Marktplatze. Den Orden in der Hand, stürzte er einem daher laufenden Hunde nach, griff ihn auf – und seine Cameraden wußten sofort, was er wollte. Ein gleicher Impuls beseelte auch sie: der Hund erhielt die Decoration. Wie wäre dergleichen jetzt denkbar!?
Im Jahre 1813 war mein Vater bei seinem Onkel, jenem eben erwähnten Bürgermeister, in Frankfurt. Die Scene aus Riga wurde besprochen. Obwohl schmunzelnd, daß er einen so energischen Neffen hatte, sagte der Onkel doch: ‚Du konntest dafür erschossen werden.‘ Er erhielt zur Antwort: ‚Lieber so sterben als einen Orden Napoleon’s tragen!‘ Darauf sprang der Bürgermeister auf und rief: ‚Dich muß der Willemer kennen lernen.‘ Und noch in derselben Stunde fuhren sie hinaus zur Gerbermühle. Herrn von Willemer’s Bekanntschaft gemacht zu haben, blieb für den jungen Preußen stets eine werthe, interessante Lebenserinnerung. 1832 suchte er ihn noch einmal von Köln aus auf, als er in Westfalen in Garnison stand.
In Oberrad hörte ich mehrfach, Herr von Willemer habe den Tod Palm’s nie überwunden; er sei der Schatten auf seinem sonst so lichten Lebenswege gewesen, die Ursache zu seiner spätern, oft so trüben oder aufgeregten Stimmung.“
Noch einmal der Schulrath auf Reisen. Als Gegenstück zu dem Artikel „Aus dem Lehrerleben“ in unserer Nr. 46 geht uns Folgendes zu:
Hier ein scherzhafter Nachtrag zu dem ergötzlichen „Falschen Schulrath“, den Sie kürzlich Ihren Lesern vorführten. Der Schulrath X. unternimmt eine Revisionsreise, um die Schulen seines Bezirks – es war der von Erfurt – und ihre Lehrer kennen zu lernen. Sein Besuch gilt unter Anderm einem Dorfe an der Grenze des seinem Scepter unterstellten Gebietes. Sein Weg geht sofort nach der Schule. Hier findet er, daß die Frau des Lehrers Wäsche in der Schulstube aufgehängt hat. Darüber in hohem Grade entrüstet, haucht er die arme Frau nicht eben sanft an, und diese muß sofort ihre Wäsche aus der Schulstube entfernen.
„Wo ist Ihr Mann?“ fragt er.
Die Frau entgegnet, er sei im Dorfe, wo er verschiedene Geschäfte zu verrichten habe.
„Sofort lassen Sie ihn holen! Ich bin der Schulrath X. und gekommen, seine Schule zu revidiren.“
Die Frau schickt sogleich nach ihrem Manne, und dieser erscheint.
„Warum ist keine Schule?“
„Ich habe Ferien,“ antwortet der Lehrer.
„Lassen Sie ohne Weiteres die Kinder zusammenrufen!“
Es erscheint auch wirklich eine kleine Zahl von Kindern, und der Lehrer muß nach Gesang und Gebet den Unterricht beginnen. Nachdem der Herr Schulrath den Lectionsplan durchgesehen, fordert er den Lehrer auf, in der vaterländischen Geographie und Geschichte zu examiniren. Der Lehrer hebt mit der Frage an:
„Welches ist die Hauptstadt in unserem Fürstenthume?“
Ein Knabe antwortet ganz richtig: „Sondershausen.“
„Wie – was?“ fährt der Schulrath auf – „Sondershausen – –? Fürstenthum – –“
„Zu Befehl, Herr Rath – Sonder – –“
„Aber um Gotteswillen – wie heißt denn das Dorf?“
Der Lehrer nennt es. Dem Schulrath fällt es wie Schuppen von den Augen. Der preußische Regierungsbezirk Erfurt grenzt bekanntermaßen auch an das Schwarzburgische, und an der Grenze liegen zwei Dörfer, von denen das eine preußisch, das andere schwarzburgisch ist; beide tragen ähnliche Namen. Der Schulrath war in das schwarzburgische Dorf gerathen. Still nimmt er seinen Hut und bewegt sich mit einer Geschwindigkeit zur Schulstube hinaus, die seltsam mit seiner Körperfülle contrastirt. Der Schwarzburger Lehrer aber, der nun wohl merkt, daß der Herr Rath in einem fremden Reiche revidirt hat, erlaubt sich ihm einige Artigkeiten nachzurufen, die nicht ganz angenehm an das Ohr des Davoneilenden tönen.
B. A. in W. Das schönste, wahrhaft künstlerisch ausgeführte Portrait des Kaisers, welches wir kennen, ist jedenfalls die im October 1876 in Baden-Baden nach dem Leben gefertigte Photographie von A. Braun u. Co. in Dornach. Der Kaiser, in Civil dargestellt, hat durch seine eigenhändige Unterschrift dem Bilde das Siegel seiner besonderen Zufriedenheit aufgedrückt.
M. D. in St. Nein! Wir verweisen Sie auf unsere Erklärung in Nr. 46, laut welcher für die Aufbewahrung unaufgefordert eingesandter Manuskripte – mit Ausnahme umfangreicher Novellen und ausgedehnter wissenschaftlicher Artikel – eine Garantie nicht übernommen werden kann.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 848. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_848.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)