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Seite:Die Gartenlaube (1877) 746.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


Der Redner spricht; dem Kaiser sehn wir jetzt ihn einen Hammer reichen.
Des Kaisers Rechte weiht den Stein; er weiht ihn mit drei Hammerstreichen,
Und wie das Eisen niederfällt, da ruft bei jedem Hammerschlag
Der Donner aus Kanonenmund der Berge rollend’ Echo wach.

Da werden in den Dörfern rings die Glocken allzumal geschwungen;
Da tönt der Deutschen Heergesang, die „Wacht am Rhein“, von allen Zungen. –
Still, rede nicht! Der Grundstein liegt. Nun mögen frisch die Meister bau’n. –
Gott geb’, daß wir in Frieden noch auch dieses Werks Vollendung schau’n!

Daß mit der Einheit fest im Bund der Geist der Freiheit möge walten! –
Die Zeit ist ernst. Das Pfaffenthum, des Mittelalters Spukgestalten,
Sie droh’n uns noch – und schlimmer schier vor jener Schaar uns grauen muß,
Die einen Wahlspruch auf’s Panier nur schreibt, den Wahlspruch: Weltgenuß!

Die Zeit ist ernst und sorgenvoll. Auf mancher Stirne ruht die Wolke.
Doch wissen wir: Der deutsche Geist, noch lebt er stark in unsrem Volke,
Und trotzen wird er jedem Feind; besiegen wird er jede Noth. –
Gott mit uns! Unsrem Vaterland getreu, getreu bis in den Tod!

Emil Rittershaus.




Junker Paul.
Erzählung von Hans Warring.
(Fortsetzung.)


Max sprach seine Befriedigung aus, daß es ihm vergönnt gewesen war, seinen Nachbarinnen einen Dienst zu leisten, und wieder wandte er sich mehr an die Tante, als an die Nichte. Fräulein Sidonie war durch dergleichen Aufmerksamkeiten von Seiten der jüngeren Männer ihres Bekanntenkreises nicht verwöhnt. Die glänzende junge Erbin war so ausschließlich der Gegenstand aller Aufmerksamkeiten und jeder Huldigung gewesen, daß man die ältere Dame des Hauses, die, wie man schnell merkte, nichts als ein gefügiges Werkzeug in den Händen der jüngeren war, darüber gänzlich vernachlässigt hatte. Es war nicht zu leugnen, daß Fräulein Sidonie unter dieser Vernachlässigung oftmals gelitten hatte, und selbst in Paula war oft ein heftiger Unwille dadurch erregt worden. Sie fühlte es wohl, daß der größte Theil der Schuld sie selbst traf. Aber sie war an die Tyrannei, die sie zwar in muthwilliger Weise ausübte, die aber dennoch das ganze Haus unter dem Drucke ihres Willens hielt, bereits so gewöhnt, daß es ihr trotz mehrfacher Bemühungen nicht hatte gelingen wollen, eine andere Stellung ihrer Tante gegenüber einzunehmen. Sie war immer wieder in den gewohnten Ton zurückgefallen, der die alte Dame in den Augen aller Besucher des Hauses auf eine untergeordnete Stufe hinabdrücken mußte.

Reinhard’s achtungsvolle Höflichkeit that ihrem Herzen daher sehr wohl. Sie wußte nicht, daß sein natürliches Tactgefühl in diesem Falle eine wirksame Unterstützung in dem Wunsche fand, seine Augen so oft wie möglich dem kleinen Ecksopha zuwenden zu dürfen, und daß seine Worte naturgemäß seinen Augen folgten. Hätte er die Absicht gehabt, an Tante Sidonie eine Eroberung zu machen, er hätte nicht geschickter zu Werke gehen können. Die Folge davon war, daß, als Jean die Flügelthüren des Frühstückszimmers öffnete, es des gebieterischen Blickes der Nichte kaum mehr bedurft hätte, Fräulein Sidonie zu der Einladung an Max zu veranlassen, an ihrem Frühstücke Theil zu nehmen. Ohne Zögern nahm er an. Und als Kayser, der, während Max sich den beiden anderen Damen gewidmet, sein Mündel wieder in einen ihrer scherzhaften Kriege verwickelt hatte, jetzt herbeikam, um der Tante seinen Arm zu bieten, folgte er, die beiden jungen Damen führend, dem voranschreitenden Paare in’s Nebenzimmer.

Hier zeigte es sich, daß Tante Siddy’s Bemühungen von dem besten Erfolg gekrönt waren. Das Arrangement der Tafel war der Art, daß Herr Kayser sich veranlaßt fühlte, seiner Nachbarin dankbar und liebevoll die Hand zu drücken. Der alte Portwein funkelte in den Krystallkaraffen mit einer Farbenpracht, die sein Herz mit wohlthuender Wärme erfüllte, und die Beefsteaks, die eben frisch vom Feuer auf silberner Schale aufgetragen wurden, schienen auf einer Stufe der Vollkommenheit zu stehen, die ihm ein beifälliges Murmeln entlockte.

Max hatte den Platz zwischen den beiden jungen Damen inne, so daß Hanna an seiner linken, Paula an seiner rechten Seite saß. Da Erstere zu ihrer Nachbarin Tante Siddy hatte und Kayser während eines guten Frühstücks niemals sehr gesprächig war, so fügte es sich, daß er vorzugsweise die Verpflichtung hatte, für die Unterhaltung der jungen Erbin zu sorgen. Muthwillig und geistfunkelnd, wie sie war, hielt sie ihren Nachbar fortwährend in Athem und zwang ihn zu einer Art geistiger Gymnastik, die seinem ernsten, ruhigen Wesen sonst fremd war. Es schien, als hätte sie es darauf abgesehen, ihn gleich am ersten Tage zu ihrem Sclaven zu machen. Durch ihre scherzhaften Neckereien hindurch drang immer wieder ein Ton so warmer, herzlicher Theilnahme, daß Max kein wirklicher Mann gewesen wäre, wenn er sich dadurch nicht ebenfalls hätte erwärmen lassen.

Zuweilen blickte Kayser mit einem listigen Funkeln seiner grauen Augen zu ihnen herüber, und das erinnerte Max an das Gespräch, welches sie erst gestern geführt, und das er so unceremoniell abgebrochen hatte. Zwar konnte er es keinen Augenblick vergessen, daß die junge Erbin durchaus nicht zu der Art von Frauen gehörte, die ihm bis jetzt einzig gefährlich geworden war; zwar lag in der kecken Aufrichtigkeit, mit der sie ihm ihr Wohlgefallen zeigte, eine gewisse selbstbewußte, des Erfolges sichere Souveränetät, die seinen männlichen Stolz verletzte und ihm als eine Beeinträchtigung seines Rechtes, selbst zu wählen, statt gewählt zu werden, erscheinen mußte. Allein Alles an ihr war so naturwüchsig und ungekünstelt – aus ihrem Auge blitzte ihm eine so funkelnde und sprühende Lebenslust entgegen, daß er sich dem Zauber ihres Wesens fast willenlos hingab. Seiner Nachbarin zur Linken konnte er sich unter diesen Umständen nur wenig widmen. Aber er ertappte sich einige Male darauf, daß, während er sich Paula zuwandte, sein Ohr scharf aufhorchte, Hanna’s an Tante Sidonie gerichtete Worte zu vernehmen. Der Schall ihres silbernen Lachens, das leise Streifen ihres Gewandes oder die Berührung ihrer Hand, wenn sie ihm einen Gegenstand reichte, that ihm wohl und rief die Empfindung einer erhöhten Lebenskraft in ihm wach.

Nach dem Frühstücke entfernte er sich bald, nachdem ihm zuvor die Meldung zugegangen war, daß der Uebelthäter gefunden und festgenommen worden sei. Paula’s Abschied von ihm war nicht weniger liebenswürdig, als ihr Willkommensgruß. Noch vom Balcon aus winkte sie ihm lächelnd einen Gruß zu, als sein leichter offener Wagen die Landstraße entlang rollte. Hanna’s Abschied dagegen hatte nur in einer Verbeugung aus der Ferne bestanden. Doch als er sich an der Thür noch einmal nach ihr umgewendet hatte, da war ihm ein so freundliches, leises Lächeln, und ein so sanfter, schüchterner Blick zu Theil geworden, daß er völlig befriedigt das Haus verlassen hatte.




9.

Dem sonnenhellen Tage war ein milder, schöner Abend gefolgt. Draußen lag der warme Sonnenschein noch auf den Gipfeln der Kastanien- und Wallnußbäume, die zwischen dem Garten und den hohen Mauern der Fabrik ein dichtes Wäldchen bildeten. Aber in dem regelrechten Vierecke des Fabrikhofes herrschte schon Dämmerung, und dunkle Schatten lagerten auf seinem schwarzen, staubigen Steinpflaster. Noch dunkler war es in dem weiten Gemache, das der Besitzer sich zu seinem Comptoir eingerichtet hatte und das, im Erdgeschosse eines der Fabrikgebäude gelegen, vom Hofe aus durch eine mehrere Stufen hohe Treppe zu erreichen war. Das Zimmer war einfach, wie Alles, was zum Besitze Reinhard’s gehörte. Ein Stehpult in einer der Fensternischen, ein breiter Tisch in der anderen, Bücher, auf Borden an der Wand geordnet, und im Hintergrunde ein mit Leder bezogenes breites Sopha, groß und bequem genug, um dem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 746. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_746.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)