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Seite:Die Gartenlaube (1877) 741.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


Oberschenkel. Der jüngere scheint unverletzt davon gekommen zu sein, und der Chef erzählt, daß er bei der Umkehr zwei Cameraden, die ihre Pferde verloren, mit kräftigen Armen aus dem Getümmel gerettet habe. Gestern ist noch mehr Blut geflossen, aber wir haben gesiegt. Am Abend wich die Armee Bazaine's definitiv nach Metz zurück, und die gefangenen Officiere selbst sagten dem Minister, daß es nun mit ihrer Sache zu Ende. Die Sachsen, die gestern und vorgestern ungeheure Märsche gemacht haben, stehen auf der Straße nach Thionville, und damit ist Metz rings von unseren Truppen eingeschlossen. Schließlich wurde bei Tische viel von der barbarischen Kriegführung der Rothhosen gesprochen, die auf die Genfer Kreuzfahne und sogar auf einen Parlamentär geschossen haben sollen.

Am 20. früh kam ein Herr von Kühlwetter an, der Civilcommissär oder Präfect im Elsaß oder in Lothringen werden soll. Um elf Uhr machte der Kronprinz, der fünf Meilen von hier auf dem Wege von Nancy naoch Chalons stehen sollte, dem Kanzler seinen Besuch. Nachmittags ging ein Zug von zwölfhundert Gefangenen, darunter zwei Wagen mit Officieren, von preußischen Kürassieren bewacht, durch die Rue Notredame. Abends bei Tische waren Sheridan und seine Begleiter Gäste des Chefs, der sich mit dem General in gutem Englisch unterhielt.

Am nächsten Tage gab es auch für uns Soldaten von der Feder wieder gehörig zu thun, und ich bekam mehrmals Aufträge vom Minister. Abends beim Thee fragte er, als ich ins Zimmer trat:

„Wie geht's Ihnen, Herr Doctor?“

Ich sagte: „Danke, Excellenz, gut.“

„Haben Sie denn auch was gesehen?“

„Ja, das Schlachtfeld bei Vionville, Excellenz.“

„Schade, daß Sie unser Abenteuer vom 18. nicht mit erlebt haben.“

Und nun erzählte er ausführlich seine Erlebnisse von gestern, wie ich sie im folgenden Abschnitte, durch Anderes ergänzt, mittheilen werde.

Montag, den 22. August. Der Minister ist nicht recht wohl. Dysenterie? Gott behüte ihn davor! Es wäre schlimmer als eine verlorene Schlacht. Graf Herbert ist von Mariaville hier angekommen und liegt oben im Zimmer seines Vaters. Seine Wunde ist schmerzhaft, scheint aber vorläufig nicht gefährlich. Bei Tische wird unter Anderem wieder von der ungehörigen Kriegführung der Franzosen gesprochen, und der Minister erzählt, daß sie bei Mars la Tour einen unserer Officiere – es soll Finkenstein gewesen sein –, der verwundet auf einem Steine gesessen, umgebracht haben. Die Einen behaupten, erschossen, die Andern, durch einen Degenstich. Der Chef meint, daß er lieber erstochen als erschossen sein möchte.




Ein unbekanntes Schleichgift in der Küche.


Zu den großen Fortschritten, deren sich die neuere Heilwissenschaft zu rühmen hat, gehört die Beurtheilung der Krankheiten nach dem Satze: „Jede Wirkung muß eine Ursache haben“, und die Erfahrung, daß nicht nur mechanische Störungen unserer Körpermaschine Krankheiten hervorrufen, sondern daß auch, und zwar vornehmlich chemische Veränderungen der Säftemasse dieselben bedingen. Vor allen sind es die schleichenden Gifte, welche unbemerkt gewisse Krankheiten erzeugen, deren Ursache bisher meist selbst dem aufmerksamsten Arzte entgangen ist, so lange aber die Ursache nicht erkannt war, konnte selbstverständlich auch die Krankheit nicht gehoben werden.

Ein besonderes Verdienst hat sich in jüngster Zeit Dr. Oidtmann in Linnich erworben, indem er den Einfluß der Küchenmetalle auf die menschliche Gesundheit einer eingehenden Prüfung unterzog und zu dem Resultate gelangte, daß viele Krankheiten, welche in Form von Unterleibsleiden, Schwächezuständen, nervösen Erscheinungen und dergleichen bisher als Eigenkrankheiten aufgefaßt wurden, dem minimalen Genusse giftiger Metallverbindungen zuzuschreiben seien, welche durch metallene Küchengeschirre allmählich in den Speiseflüssigkeiten aufgelöst werden und, in ganz geringer Dosis dem Körper alltäglich zugeführt, nach und nach einen chronischen Krankheitszustand hervorrufen, welcher allen Medicamenten Trotz bietet – denn seine Ursache wird nicht erkannt, dagegen fortwährend dem Grundleiden neue Nahrung geboten und so dem Körper neues Vergiftungsmaterial zugeführt.

Dr. Oidtmann hat in einem trefflichen Buche, welches lieferungsweise im Selbstverlage des Verfassers erscheint und „Die Gesundheitswacht am häuslichen Herde“ betitelt ist, den deutschen Hausfrauen und ihren Hausärzten eine bezügliche Reform der Gesundheitswirthschaft vorgeführt und in eingehenden Capiteln nachgewiesen, was und wo es für unsere private Gesundheitspflege Noth thut.

Besonders wird auf die Einwirkung der Speisebereitung in diesen Schriften Rücksicht genommen, aber nicht nur, wie man dies schon bei früheren populären Schriftstellern findet, in Bezug auf die Zubereitung der Speisen und die Ingredienzien, welche zu denselben nöthig sind, sondern – und hierauf hat Dr. Oidtmann zum ersten Male hingewiesen – auch in Betreff der Gefäße, in welchen die Speisen zubereitet werden, und der Geschirre und Instrumente, mittelst deren wir die zubereiteten Speisen unserem Organismus zuführen.

Eine große Hauptrolle in der Verursachung solcher schleichenden Krankheiten spielt nun das Blei, und zwar sowohl in seiner metallischen Erscheinung, wie auch in seinen chemischen Verbindungen. Daß dieses Metall überhaupt einen schädlichen Einfluß auf den Organismus ausübe, ist schon lange bekannt, und sind auch die krankhaften Symptome, welche das Blei im Organismus herbeiführt, schon lange mit dem Ausdrucke der „Bleikrankheiten“ bezeichnet worden. Die Bleivergiftung des Blutes entsteht durch allmähliche Aufnahme von Bleipartikelchen und Ueberführung derselben in die verschiedenen Organe des menschlichen Körpers. Besonders ist hier die Einathmung von Bleidünsten oder das Verschlucken kleiner Dosen Blei während längerer Zeit zu erwähnen. Man findet daher die Bleikrankheit vornehmlich bei solchen Handwerkern und Industriellen, welche mit Farben zu thun haben, die großentheils aus Blei zusammengesetzt werden, wie das Bleiweiß und die Mennigfarben. Ebenso findet sich die Bleikrankheit bei Schriftgießern und Töpfern sehr häufig, indem Ersteren das meist aus Blei bestehende Schriftmetall jahraus jahrein durch die Hand geht und letztere zur Glasur der Töpfe das Blei, wie wir bald genauer kennen lernen werden, in mannigfacher Weise verwenden.

Die Erscheinungen, welche die Einverleibung fast unscheinbarer Massen von Bleiverbindungen in dem Körper hervorrufen, bestehen bei den Einen in Anfällen von heftigen Schmerzen im Unterleibe, welche mit der Zeit eine hartnäckige Verstopfung und Auftreibung zur Folge haben, wozu sich später Zeichen von allgemeiner Erkrankung, Abmagerung und gelbfahler Gesichtsfarbe gesellen. Bei den Anderen treten den rheumatischen ähnliche Schmerzen in den Gelenken und besonders im Rücken ein, und es entstehen aus diesen rheumatischen Affectionen sehr oft Lähmungen der Extremitäten; bei anderen Menschen äußert sich die Bleiwirkung durch eine allgemeine Gefühllosigkeit, Eintreten von Krämpfen, Muskellähmungen, Zittern und Epilepsie. Wird bei diesen Leuten die Ursache nicht erkannt und dringt durch den Zwang des Berufes allmählich immer mehr von dem fein vertheilten Gifte in das Blut ein, so entsteht unter Einleitung von Kopfschmerz plötzlich Melancholie und Delirium mit vollkommener Geistesverwirrung, welche einen oder mehrere Tage anhalten und unter convulsivischen Erscheinungen zum Tode führen kann.

Nun giebt es viele Kranke, welche durchaus nicht zu jenen den obengeschilderten Krankheitsformen ausgesetzten Berufsclassen zählen und doch an ähnlichen Symptomen leiden. Es erinnert uns dann die Form der Krankheit stets an chronische Metallvergiftung. Der Arzt glaubt aber meistens diese bei dem betreffenden Patienten ausschließen zu müssen, weil derselbe ja mit den Metallgewerben nichts zu thun hat. Dabei wird meist übersehen, das die moderne Küchenindustrie sich aus technischen und ökonomischen Rücksichten mit wachsender Kühnheit des Bleimetalls zur Versetzung der Metall-Legirung und des

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 741. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_741.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)