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Seite:Die Gartenlaube (1877) 699.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


Zunächst ertönten die Klänge der Ouverture. Der Vorhang theilte sich langsam und der Raum eines Gartens in später Abendstunde war sichtbar; in demselben sind die „Alten“ mit ihrem Meister versammelt. Ein Anflug grotesker Komik zeichnet ihre Erscheinung aus; hierauf stürzt ein Jüngling herein und erzählt, daß große Dinge nahen: ein Weib in Waffen errege rings das Land. Hinter der Scene tritt nun „Germania“ (Fräulein Haverland, königlich sächsische Hofschauspielerin) mit sechs in deutsche Farben gekleideten Pagen auf und heischt von den Aeltesten, daß sie dem hohen Herrn am Abend eines mühevollen Tages die Zeit verkürzen; die Kunst rühme sich ja der ewigen Macht des Schönen. In der That erscheinen „Geschichte“ (Fräulein Irschick, bayerische Hofschauspielerin aus München), „Sage“ (Fräulein Schauenberg aus Berlin) und „Kunst“ (Fräulein Herrmann vom Stadttheater zu Düsseldorf), um durch ihre Darstellung die Poesie des Festes zu erhöhen.

Das Festspiel entrollte nun sowohl in Bildern wie in Worten den geschichtlichen Entwickelungsgang des deutschen Reiches und trug durchaus das Gepräge der Geschichte, Poesie und Sage des Rheins.

„Der Germanenzug“, arrangirt von Professor A. Baur, Decoration gemalt von Professor A. Achenbach, „Der mittelalterliche Zug“, arrangirt von Grot-Johann, Decoration gleichfalls von Achenbach, „Der Jagdzug“ aus dem 17. Jahrhundert, Arrangement und Decoration von W. Simmbe, „Der Befreiungskrieg“, arrangirt von W. Hünten, Decoration von Professor Achenbach, und „Friedensbild aus der Gegenwart“ (Winzer und Hochzeitszug), arrangirt von Professor Vautier, Decoration von H. Deiters – das waren die fünf Bilder, welche in wahrhaft vollendeter Weise vorgeführt wurden. Die zu diesen Zügen benutzten Decorationen waren als fortlaufende Wendeldecorationen angenommen und zeichneten sich in der Auffassung als echt künstlerische Arbeiten aus. Die Züge wirkten namentlich durch Pracht, Reichthum, Charakteristik und historische Treue der Costüme. Der Kaiser und die Kaiserin applaudirten bei verschiedenen Scenen der Züge, namentlich als im vierten Bilde der Marschall „Vorwärts“ hoch zu Rosse erschien. Dem Vorstande des Comités des Malkastens äußerte Seine Majestät in überaus herzlichen Worten seinen Dank. Ebenso animirt war der Kronprinz und die Kronprinzessin sowie das Gefolge, welches einstimmig der Meinung war, daß nach diesem Feste dem Kaiser kein würdigeres mehr geboten werden könnte.

Nach einer Pause von etwa zwanzig Minuten, während welcher die hohen Gäste einige Erfrischungen zu sich nahmen, begann der zweite Theil des Festspieles. Wieder lud Meister Camphausen, der „wilde Mann“ im Frack, Ihre Majestäten zu einem Rundgang durch den Garten, durch das Reich der Feen ein.

Der Zug setzte sich in feierlichem Tempo durch eine triumphbogenartig erleuchtete Ulmenallee in Bewegung. Vorauf schritten sechs Trabanten, welche sechs Riesenballons trugen. Zu beiden Seiten der Allee waren sechs colossale etwa fünfundzwanzig Fuß hohe Transparents errichtet, welche die „rheinische Sagenwelt“, von den ersten Meistern Düsseldorfs gemalt, darstellten. Aber was am Nixenteich wartete, übertraf die Vorstellungen der kühnsten Phantasie. Auf dem Teiche schwammen rothe und weiße hellerleuchtete Wasserrosen von riesigen Dimensionen, die einen märchenhaften Schimmer über die spiegelglatte Fläche des Teiches warfen. Mitten in demselben erhob sich ein zackiger Felsen, auf dessen Höhe Rheinnixen in weißen schilf- und rebenumkränzten Gewändern sichtbar wurden. Das war ein Elfenhain voll Pracht und Lieblichkeit, wie ihn das Auge selten schaut. Auf der gegenüberliegenden Seite der Düssel begann alsdann der „Elfentanz“ bei bengalischer Beleuchtung der Grotte, wie auch des zunächst liegenden Gartens und des Teiches. Während des Elfentanzes kam aus der Felsengrotte eine silberne von zwei Schwänen gezogene Gondel geschwommen; von einem schilfbekränzten Meermann gerudert, bewegte sie sich auf das kaiserliche Paar zu. Im Vordergrund standen die „Sage“ und die „Poesie“ und boten dem Kaiser zwei Eichenkränze dar. Hell leuchteten die Ufer von grünem und violettem Lichte; der Kahn zog silberne Furchen über den stillen See; leise erklang die von Jul. Tausch componirte und ausgeführte Musik, und einige Minuten lagerte ehrfurchtsvolles Schweigen über der Festversammlung.

Welch ein Schauspiel – aber ach, ein Schauspiel nur! Ein Traum voll Poesie, eine zauberhafte Märchenwelt, wie sie nur ein genialer Künstlergeist erdenken konnte. Man träumte von den Rosen von Schiras und lauschte den Erzählungen der Scheherezade; geheimnißvoll neigten die alten Ulmen des Malkastengartens ihre Häupter; ein würziger und milder Septemberabend fächelte Kühlung, und aus der Fluth stieg der Rheinzauber empor, ein jubelnder Chor aber ließ tausendstimmig das Lied von Kaiser und Reich über den deutschen Rhein in die stille Nacht hinaus erschallen.

Nachdem der Kaiser seinen Platz am Teiche verlassen hatte, begannen die im ersten Theil des Festspiels vorkommenden Züge ihren Fackelzug unter rauschender Militärmusik durch den Garten. Der Kaiser nahm mittlerweile seinen Sitz im Sommerlocal ein und sah von hier aus sämmtliche Züge an sich vorüberziehen. Wer je einem Gartenfest des Malkasten beigewohnt hat, kennt den Reiz, welcher in einem Fackelzuge desselben liegt. Die Figuren in den verschiedenen Costümen, von einem flackernden und unbestimmten Lichte beleuchtet und sich widerspiegelnd in dem Wasser der Düssel, hatten etwas ungemein Charakteristisches. Als der Zug bei der Kaiserbrücke angelangt war, brachte sowohl er wie das Publicum ein letztes Hoch auf den Kaiser aus, womit das Fest gegen zehn Uhr Abends einen würdigen Abschluß fand.

Welch tiefen Eindruck das Malkastenfest auf den Kaiser gemacht, geht aus dem warmen Dankschreiben desselben hervor, welches durch die Presse nunmehr genugsam bekannt geworden ist, so daß wir es hier wohl nicht zu wiederholen brauchen.

Der Abend des 6. Septembers wird in den Annalen des Düsseldorfer Malkastens mit goldenen Lettern verzeichnet stehen, und die Kaisertage in Düsseldorf werden sicherlich stets zu den angenehmsten Erinnerungen unseres ruhmgekrönten Herrschers gehören.

Adolph Kohut.     




Blätter und Blüthen.


Die Einweihung eines russischen Hauses. „Wollen Sie uns die Freude machen nächsten Dienstag um zwei Uhr bei uns zu sein, um der feierlichen Weihe unseres neuen Hauses beizuwohnen? Sie würden uns einen besonderen Gefallen erweisen, wenn Sie, statt der dunkeln Kleider, die Sie meist tragen, zur Feier des Tages möglichst helle anlegen wollten. Von Herzen etc.“ So lautete die freundliche Einladung eines Russen, der auf der großen Marskoi in St. Petersburg ein altes Haus niedergerissen und dort einen prächtigen Neubau hatte aufführen lassen. Die anberaumte Stunde kam und auch ich. Schon als mir der Portier in seinem stattlichen Pelz im Hausflur die doppelten Glasthüren nach dem Treppenhaus öffnete, drangen volle Töne an mein Ohr; es klang wie die schönste Orgel, deren volle Register gezogen waren. „Die kaiserliche Capelle,“ berichtete der Portier, der mein Staunen bemerkte, und immer voller, immer deutlicher ließen sich die herrlichen Stimmen vernehmen, während ich über die mit weichen Teppichen belegten Granitstufen hinauf stieg. Die Treppe war zu beiden Seiten mit Palmen und sonstigen exotischen Pflanzen bestellt; Schlinggewächse aller Art tapezirten die Nischen, wo die von Meisterhand geschaffenen Statuetten auf dem grünen Hintergrund doppelt vortheilhaft hervortraten. Wer in das weite Treppenhaus eintrat, war von der milden Temperatur, die darin herrschte, angenehm berührt, und so wie hier war jeder Winkel des Hauses durch Luftheizung gleichmäßig durchwärmt.

Ein Diener öffnete mir die Thür, nahm mir Pelz und sonstige Hüllen im Vorzimmer ab, und leise schlich ich in den großen Saal, wo eben die Stimmen der Chorsänger im zartesten Pianissimo verhallten. Es war als träte man in eine Kirche; so feierlich andächtig waren Alle hier versammelt. Drei russische Popen officirten in vollem Ornate vor den mitgebrachten Heiligenbildern; um sie her standen die kaiserlichen Chorsänger in ihren blauen mit Gold reich verzierten Kleidern; der schön geschmückte Saal mit den vielen geputzten Leuten, die sich während der Gebete auf die Kniee warfen und sich immer von Neuem bekreuzigten, machte auf den Hinzutretenden einen überwältigenden Eindruck. Wer in irgend einem Verhältniß zum Hause stand, war hier zugegen: Verwandte und Freunde, Angestellte und Dienstboten, alle wohnten der geistlichen Weihe des Hauses bei. Niemand hatte es versäumt sich festlich zu schmücken, denn, da die Russen bei Geburts- und sonstigen Festen großen Werth auf möglichst helle und vortheilhafte Kleidung der Theilnehmer legen, waren heute Dienerschaft wie Herrschaft in vollem Staat versammelt.

Als die Gebete zu Ende waren und die Sänger einen Schlußchoral anstimmten, trat der Hausherr, auf einen Wink der Geistlichen, an das Heiligenbild heran und küßte das Glas, unter dem eine kleine schwarze Madonna in goldenem mit Edelsteinen besetztem Kleide lag. Diesem Beispiele folgten die schöne junge Frau des Hauses, die Kinder, die Gäste und schließlich mit ganz besonderer Andacht die Dienstboten.

Diese Heiligenbilder, die zu feierlichen Gelegenheiten von Haus zu Haus gebracht werden, sind nicht nur im Gewande „steinreich“, sondern sie sind es selbst, denn wer ihrer bedarf, zahlt der betreffenden Kirche, der sie angehören, ganz bedeutende Summen, und so ist z. B. in Moskau, wo man oft viele Tage auf einen kurzen Besitz des Hauptmarienbildes warten muß, der Kutscher, der es zu fahren hat, fast Millionär. Man buhlt förmlich um die Gunst des Marienlenkers, und ein „goldener Händedruck“ für ihn jagt seine Rosse mit Windeseile an das erwünschte Ziel.

Nachdem Alle das Bild geküßt, begann die eigentliche Hausweihe: Die Popen zogen voran mit Weihwasser und Wedel durch die schönen Herrschaftsräume, durch Küche und Gesindekammern, bis hinunter in den Stall. Nicht der kleinste Raum wurde umgangen; dafür sorgten die Dienstboten gar wohl, denn wer je in einer Kammer schlief, aus der Priesterhand nicht „das Böse“ vertrieben hatte, der mußte sicherlich darunter leiden. Wie oft behaupten die Russen, wenn das Zipperlein einen alten Schnapsbruder zwickt, seine Schmerzen rühren nur daher, daß, nachdem eine Stube neu tapezirt, sie nicht auch neu geweiht wurde! Die Heiligenbilder, welche die russischen Leute stets an einer Wandecke ihrer Kammern anbringen und vor welchen an allen Festtagen eine kleine Oelflamme brennt, genügen demnach ihrem frommgläubigen Herzen durchaus nicht, um sie vor allem Bösen zu schützen.

Wo die Popen vorüberkamen, sprengten sie mit Weihwasser; wir Alle, die wir zugegen waren, wurden bespritzt und mußten uns wohl hüten, die geweihten Tropfen weder von Gesicht noch Kleidung abzuschütteln – das wäre in den Augen der Russen ein wahres Verbrechen gewesen.

Als nach geschehenem Umzuge die Geistlichen den Empfangssaal wieder betreten hatten, wurde Champagner gereicht (ohne Champagner ist in Rußland kaum irgend eine Feier denkbar) und fröhlich stießen die Gäste auf das Wohl der Bewohner des neuen Hauses an.

Jetzt entfernten sich die kaiserlichen Sänger, und schon bedauerten wir ihren Weggang, als plötzlich die Kaiserhymne in solcher Vollkommenheit vor der Thür erscholl, wie man die schöne Melodie unmöglich anderswo hören kann. Die wahrhaft kindliche Verehrung, mit der die Russen an ihrem Kaiser hängen, sowie an Allem, was sich auf ihn bezieht, hat etwas wahrhaft Rührendes; ihr Gebahren, sobald die Nationalhymne angestimmt wird, grenzt an Gottesdienst. Und hier, von den kräftigen und doch so weichen Männer- und Kinderstimmen vorgetragen, wirkte das Lied auch auf den Nichtrussen erhebend. Die kaiserliche Capelle ist weltberühmt –

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 699. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_699.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)