Verschiedene: Die Gartenlaube (1877) | |
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Und auch Ihr, Ehrenhold und Fürwittig, möget die Eurigen nun behalten für alle Zeiten! ... Wisset, 'Teuerdank' nannte ich mich schon als Knabe, wenn ich im Garten der Hofburg mit meinem jungen Freunde Abenteuer träumte und Märchen und Ritterspiele erfand. Hugo von Geldern war's – dient jetzt in Welschland nach dem Falle seines Hauses. Dann gaben wir uns Heldennamen und vollführten Fahrten und Fahrnisse aller Art. Wie hätte ich ahnen können, daß die Spiele der Kinderzeit mich im Ernste schon so früh in's Leben begleiten würden. ... Wahrlich, ist das eine Fahrt! Zieht ein Königssohn hinaus mit zwei Getreuen, um die Krone der Jungfrauen zu gewinnen. Aber mir ist fröhlich zu Muthe. Meine Ehrenreich soll ich wieder sehen. Schon athme ich ihre Luft. Der eine Gedanke macht nach glücklich und läßt mich jedem Unfall trotzen.“
„Aber die Klugheit rechnet mit ihm, Herr, und was nützet Euch die Luft, die Ihr athmet? Euer Königskind ist in aufrührerischer Stadt und in fremder Gewalt.“
„Ich kann es noch nicht glauben, Ehrenhold. Wie hätte sie mir dann eine solche Bedeckung, ein halbes Tausend Mann entgegensenden können?“
„Wundersames Geleite das!“ brummte der Alte. „Habt Ihr, außer den fünfzig Reitern um uns, die anderen je bei Tage gesehen, Herr? Warum scheuen sie das Licht? Vergebens habe ich in der Dämmerung nach ihnen ausgespähet. Huschte aber ja einmal einer unvermerkt über den Waldweg, so sah er einem von der wilden Jagd ähnlicher, als einem ehrlichen Reitersmann. Und ihre Hauptleute, die sich Euch an der Grenze Namens der Herzogin vorstellten, glichen sie in ihren langen Bärten unter den Filzkappen mit grünem Gezweig nicht unheimlichem Waldgezücht eher, als christlichen Kriegsleuten?“
„Alle guten Geister ...“ spottete der gereizte Junker.
„Und beantworteten sie nicht jede Frage mit stummem Achselzucken oder mit Nichtwissen?“ fuhr Jener, ohne den Pagen einer Antwort zu würdigen, fort.
„Sie sind von der holländischen Grenze, Ehrenhold!“ warf Maximilian ein. „Was sollen sie da wissen? Kaum daß wir ihr Deutsch verstanden. Aber sei es drum! Unser Führer durch die Wälder, der lustige Fiedler, war jedenfalls von Fleisch und Blut und hat uns auf der Fahrt weidlich ergötzt.“
„Um zu verschwinden, wo wir seiner am nöthigsten bedürfen. Wahrlich, Prinz, Ihr gehabt Euch, als lebten wir in tiefster Sicherheit, und doch wisset Ihr, daß wir verfolgt sind und jede Minute überrascht werden können. O, ich hörte wohl die besorgten Meldungen von der Nachhut an den Hauptmann. Leichte Reiter, die rückwärts gestreift waren, brachten sie. Es war von dem Rothbärtigen die Rede und von dem buckligen Bäuerlein, das uns bei Eupen überraschte. Die Spürhunde haben trotz des Fiedlers Künsten unsere Fährte gefunden und müssen von Lüttich aus versucht haben, uns auf kürzerem Wege den Vorsprung abzugewinnen.“
„Haben ihn aber nicht gewonnen, Alter. Unsere Südschwenkung in letzter Nacht hat sie getäuscht. Ihr Haufe folgt der Brüsseler Straße nach, und Ihr seht es, wir sind durch die Wälder längs der Mechelner Straße vor ihnen hier. Noch meldeten die Streifwachen nichts Verdächtiges, und selbst von der Cleveschen Postenkette vor uns scheint uns des Fiedlers List befreit zu haben.“
„Desto mehr thäte Eile Noth, statt müßigen Harrens.“
„Geduld, Ehrenhold! Glaubet mir, hier waltet eine mächtigere Hand. Längst ahne ich sie, ohne sie zu erkennen, aber Eines weiß ich: der Spielmann ist ihr Werkzeug, und was er thut, geschieht zu unserem Besten. Lasset uns darum treulich befolgen, was er uns geheißen, und uns einstweilen stärken für die entscheidende Stunde. – He, Kellermeister, kommt Ihr endlich?“ rief er dann Bastian entgegen, der mit gefülltem Trinkhorn nahte, nahm ihm den Becher ab und ließ ihn die Runde machen.
„Da ist gut Kellermeister sein,“ nickte Bastian still für sich. „Diese Fremden trinken noch, wenn es rings von Schwertern blitzt. Aus welchem Lande die wohl sein mögen?“
Plötzlich aber horchte er auf.
„Man kommt. Schnell hinter die Ruine, Ihr Herren!“ Und er entriß dem Pagen das Trinkhorn und entschlüpfte durch das Portal. Die Anderen folgten.
Auf dem breiten Fußpfade vom Kloster her nahten der Prinz von Cleve und Hugo von Huy in eifrigem Gespräche. Hugo, der unter dem lang nach rückwärts fallenden Reitermantel ein silbernes Horn am Gürtel und am Barrett einen grünen Zweig trug, blieb etwa zwanzig Schritte vom Hofraum stehen und sprach mit auffallend lauter Stimme.
„Ich sage Euch, Prinz,“ gab er diesem eben zur Antwort, „Euer friesischer Hengst hätte mich überholt, aber der umgestürzte Baumstamm am Waldstreifen war für ihn zu hoch. Meine Stute ist leichter; sie nahm ihn noch.“
„Nein, nein, Huy,“ entgegnete heftig der Prinz. „Eure Stute hat gesiegt – abgemacht: aber ich sage Euch, mein Hengst setzt spielend über das Hinderniß; er scheute nur und wich seitwärts aus, weil in demselben Augenblick ein Mann, der darunter verborgen lag, aufsprang und wie der Blitz im Walde verschwand.“
„Ein Mann?“
„Mit einem grünen Zweige am Hute, wie Ihr da. Er kam mir fast verdächtig vor.“
„Wird wohl ein Waldhüter gewesen sein, der im Schatten geschlafen haben mochte.“
„Mag sein.“
„Aber der Stamm liegt doch zu hoch für ein so schweres Thier, mit Eurem Gewichte dazu. Ah, fünf Fuß, es ist nicht möglich. Ich möchte meine Stute gegen Euren Hengst wetten.“
„Ihr wolltet?“ rief mit großen Augen der Prinz. „Wenn ich nur die Herzogin einen Augenblick verlassen dürfte, Ihr solltet Eure Stute die längste Zeit geritten haben.“
„Sind ja keine fünfhundert Schritte von hier zur Fohlenwiese,“ warf Hugo leicht hin. „Und die Herzogin?“ Er drehte sich rückwärts und hob sich auf den Fußspitzen, um durch eine lichte Stelle des Unterholzes zu sehen. „Dort hinter der Krümmung des Weges folgt sie im Gespräche mit der Aebtissin; fragt sie nur um Erlaubniß, Prinz! Nach fünf Minuten ist die Wette entschieden und Euer Hengst mein.“
Wieder blickte er, wie ungeduldig, rückwärts.
„Sehet, dort sitzen Eure Leute eben in der Lichtung ab. Ah, Fräulein von Helwin! ... So allein?“
Adelheid, durch die Krümmung des Weges bis dahin verdeckt, stand plötzlich vor ihnen. –
Von allen Musen ist keine so allgemein umschwärmt wie die Muse der Tonkunst. Es läßt sich nicht leugnen, die Pflege der Musik ist – Modesache geworden. Wie man heutzutage etwas Englisch und Französisch gelernt haben muß, um nicht gegen den guten Ton zu verstoßen, so treibt man auch ein wenig Musik. Dagegen ließe sich auch gar nichts einwenden, wollte man nur mehr dahin streben, sich in Sachen der Kunst genuß-, das heißt urtheilsfähiger zu machen. Leider ist dieser Zweck gerade der letzte, der verfolgt wird. Statt nach einer möglichst allgemeinen musikalischen Bildung zu streben, begnügt man sich mit der meist sehr oberflächlichen Bekanntschaft mit einem einzigen Instrument, einem Instrument, das neben seinen großen Vorzügen auch seine Schwächen hat, und bringt dadurch sich selbst um den rechten Kunstgenuß, die Kunst aber um den Vortheil, den sie im anderen Falle aus ihrer vielumworbenen Stellung ziehen könnte.
Von all der vielen Zeit, die gegenwärtig auf die Musik verwandt wird, gilt der bei weitem größte Theil dem Clavier. Nicht weil das Clavier am ersten geeignet ist, musikalisch zu machen, sondern weil es die wenigsten Ansprüche an den Spieler stellt. Indem nämlich das Clavier den Ton in Bezug auf Tonhöhe fix und fertig stellt, erspart es dem Spieler das eigene Hören, Vergleichen und Abwägen, eine Thätigkeit, die entweder
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 676. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_676.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)