Verschiedene: Die Gartenlaube (1877) | |
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Das liebliche Naturwunder, das wir in unserem heutigen Bilde mittheilen, hat sich in der Ebenrettersmühle bei Hildburgshausen zugetragen und ist von vielen Personen mit Wohlgefallen beobachtet worden. Wir erzählen diesem neue Stückchen Naturgeschichte nach Briefen, denen wir ziemlich wörtlich folgen.
Eine Henne brütete Enteneier aus. Man nahm die ausgebrüteten kleinen Enten nach und nach hinweg, damit die Henne den übrigen Eiern besser aufsitzen könne, legte sie in einen Korb, bedeckte sie mit einem Tuche und stellte sie in die Kochstube unter den großen Herd. Hier verkehren in Eintracht die Dachshündin Waldmann und drei Katzen. Zwei von den letzteren kamen so jung in diese Gesellschaft, daß sie an den Zitzen Waldmann’s noch saugen wollten, und die gutmüthige Hündin legte sich auch dazu zurecht und hielt still, bis sie die Krallen der Katzen sah und spürte und das Mutterspielen aufgab. Die dritte Katze, die Liese, hat einen selbstständigen Charakter, achtet zwar den Frieden, läßt sich aber nichts gefallen. Sie ist die Heldin unserer Geschichte.
Der kleinen Enten wegen entfernte man die Katzen aus der Kochstube. Aber Liese huschte, sobald die Thür wieder aufging, hinein und unter den Herd, setzte sich neben den Korb, horchte mit gerade in die Höhe stehendem, also gespanntem Ohre auf die Stimmen unter dem Tuche und stellte sich, als sich’s gar drunter regte, wie zum Mausfange bereit. Da hob die Hausherrin, immer die Hand zum Schlage auf die Katze bereit, das Tuch vom Korbe und ließ ein Entchen um das andere herauswatscheln. Liese beroch sie, fing an sie zu belecken und ließ sich geduldig die Beschnäbelung
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 665. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_665.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)