Verschiedene: Die Gartenlaube (1877) | |
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No. 36. | 1877. | |
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.
Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.
Sogleich lagerten sich Alle auf untergelegten Mänteln; ein inhaltsschwerer Bastkorb wurde ausgeleert, kaltes Wildpret, Geflügel mit Eiern, Brod und Salz vor ihnen ausgebreitet und ein gewaltiges Trinkhorn mit köstlichem Rheinwein gefüllt.
„He, Grauer,“ rief Max scherzend zum Boten hinüber, als er denselben am Bache seinen kleinen Klepper mit Brod füttern sah, „was habt Ihr denn in dem wunderbaren Ledersack dort am Sattel? Ich verhoffe, es ist leibliche Nahrung für Euch darin; sonst kommt und setzet Euch mit zu uns!“
„Zu viel Ehre, Ew. Gnaden!“ entgegnete der Graue. „Mein Gaul und ich, wir sind gute Cameraden und theilen Lager und Kost. Aber zum Nachtisch vergönnet, daß ich Euch zum Dank selbst etwas Ergötzliches anbiete, das in dem Wundersacke steckt!“
„Nach Eurem Gefallen; wir sind begierig auf die Herrlichkeiten,“ lachte der Prinz, das Mahl beginnend. Und so groß war Hunger und Durst der Waidmänner, daß sie sich eine geraume Zeit wortlos den Freuden des Genießens hingaben. Als aber das Trinkhorn zum zweiten Male gefüllt werden mußte, da hielt Maximilian den günstigen Augenblick für gekommen, und obwohl nicht ohne Unbehagen, machte es ihm doch sein gutes Gewissen leicht, sich die Miene jovialer Stimmung zu geben. So stemmte er sich denn scheinbar behaglich auf den Arm und sah lächelnd zum alten Ritter hinauf.
„Nun, mein getreuer Eckart, was glaubt Ihr: wohin geht die Reise?“
„Nach Eurer Art zu fragen, weder gegen Ungarn, noch gegen Türken,“ antwortete trocken der Alte.
„Wisset, ich gehe nicht mit so viel Sorge an das, was ich vorhabe, als daran, es Euch zu sagen.“
„Dann kann es nur etwas Schlimmes sein, Herr.“
„Mir scheint es gut und nothwendig und ehrenhaft, Herberstein. Vernehmt – ich gehe nach Burgund.“
„Bei Kaisers Majestät, Prinz, das werdet Ihr nicht.“
„Bei meiner Ehre, ich werde es,“ flammte Maximilian auf, indem er den Brief hoch hielt. „Leset dieses Blatt und saget selbst, ob ich den Namen eines Ritters verdiene, wenn ich bleibe. Maria von Burgund, das verwaiste Herzogskind, sie, die Königin meines Herzens, ruft mich in höchster Noth. Die Stunden sind gezählt; sie baut auf meine Hülfe. Dazu ist Alles günstig. Gent ist von Truppen entblößt; ihr geheimer Anhang ist groß, und sie hat mir fünfhundert Reiter als Geleite an die Grenze entgegengesandt. Noch in dieser Nacht brechen wir auf.“
„Giubilo!“ jubelte der Page.
„Still!“ verwies ihn der Prinz.
„Ihr könnet und dürfet Euch nicht vermessen, so gröblich wider Kaisers Befehl zu handeln,“ beharrte der Alte, nachdem er kopfwiegend den Fall überdacht, bei seinem Entscheid.
„Was mein Vater befahl, befahl er nichtwissend, und ich werde nach geschehener That an den besser Unterrichteten appelliren.“
„Alessandro!“ entfuhr es, halb unterdrückt, dem unverbesserlichen Pagen.
„Nein, eines Andern gedenkt!“ rief mit strafendem Blicke auf ihn feierlich der Alte. „Conradin's des Staufen! Auch er folgte einem lockenden Rufe, auch er hielt für Ritterpflicht, was er that, auch er sah nur den glücklichen Anfang, und mußte doch verbluten. Bedenket, daß Ihr in Gent nicht allein gegen den Clever, daß Ihr auch gegen König Ludwig zu kämpfen habt! Und wahrlich, nicht schlimmer, nicht tückischer, nicht grausamer, denn er, war jener Karl von Anjou, der dem staufischen Kaiserenkel den Kopf vor die Füße legte. Lasset Euch rathen, lasset Euch warnen, Prinz! Ich, Euer alter Hofmeister, den Kaisers Majestät Euch beigegeben hat, um Euch vor Unbedacht zu wahren, ich, der mit seiner Ehre für Euch bürgt, wie sollte ich ein Wagniß billigen, das Eure Freiheit, Euer Leben und das Ansehen des Reiches gefährden kann? ...“
Maximilian ließ ihn nicht ausreden. Mit einem Satze sprang er empor.
„Das Ansehen des Reiches?“ rief er erglühend. „Wie mögt Ihr glauben, Herberstein, daß es mir nicht heilig gelte, daß ich, dessen höchstes Gebet ist, ich möge berufen sein, das so tief gesunkene, ja, laßt es mich aussprechen, das vernichtete Ansehen in alter Glorie wieder herzustellen, daß ich es der Gefährde aussetzen möchte! Nein, höret! Weislich habe ich mir während des Rittes meinen Plan zurecht gelegt. Man muß mich nach dem, was ich vor so vielen Zeugen kundgethan, auf dem Wege nach Wien glauben. Welches Weges ich mit Euch geritten, kann in den ersten Wochen nicht offenbar werden. Von Stund' an aber legen wir unsere Namen ab. Wer kennt in Burgund den Erben des deutschen Reiches? Wer würde ihn in diesem Gewande suchen? Nein, ich bin von diesem Augenblick an 'Ritter Teuerdank'; Ihr, Alter, heißet, wie Ihr es verdient, 'Ritter Ehrenhold', der Page aber ist nach Rechtens 'Junker Fürwittig'. Die Diener werden darauf in Pflicht genommen.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 595. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_595.jpg&oldid=- (Version vom 29.5.2018)