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Seite:Die Gartenlaube (1877) 416.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


denn mit dem Thaler? Sagt mir doch, was es damit für eine Bewandtniß hat?“

Judika faßte ihre Hand und sah ihr ernst und freundlich in’s Auge. „Das soll ich Dir sagen?“ rief sie. „Ich denke, es ist das Beste – wenn ich’s nicht thue. Du bist aus freien Stücken hierher gekommen, so führ’ es auch durch, wie Du’s vor Dir hast! Ich will Dich nicht irr’ machen.“

„Aber, Mutter Judika,“ sagte Engerl und suchte die sich Abwendende zu halten, „laßt mich doch nicht in der Ungewißheit; sagt mir doch –“

„Wenn ich auch wollte, so könnt’ ich nicht mehr,“ war Judika’s Antwort. „Dort kommt der Bauer schon den Bühel herauf; jetzt hab’ ich auch keine Zeit mehr; jetzt nimm Dich zusammen, Mädel! Ich überlaß’ Dich Deinem Schutzengel.“

Ehe das Mädchen weiter erwidern konnte, war sie über die Gräd hinabgestiegen und hatte einen Seitenpfad unter den Obstbäumen eingeschlagen, offenbar in der Absicht, dem Bauer nicht zu begegnen, mit dem sie jetzt nicht in’s Gespräch kommen wollte. Es hätte aber dieser Vorsicht nicht bedurft. Der Bauer kam ganz gegen seine Gewohnheit, mit gemessenen Schritten heran und sah mit jenem Ausdruck vor sich hin, welcher zeigt, daß die Gedanken nicht den Augen folgen, sondern ihre eigenen Wege gehn.

Er mochte die vor dem Hause ihn erwartende Gestalt für Judika halten – mit unverkennbarer Ueberraschung blieb er stehn, als er sie erkannte, und ein halb spöttisches, halb freundliches Lächeln glättete einen Augenblick die Falten des Nachdenkens auf seinem Gesicht.

„Du bist da, Mädel?“ sagte er, „das ist ein seltsamer Besuch. Aber Du hast ganz Recht, daß Du zu mir kommst – hast Dir halt meine Red’ von gestern besser überlegt. Ja, ja, guter Rath kommt über Nacht, und ein gutes Plätzl auf dem Himmelmooserhof, das schlagt man so leicht nicht aus. – Na, komm nur herein in die Stuben! Das können wir drinnen am besten ausmachen …“

„Es ist nicht deswegen, daß ich komm’,“ entgegnete das Mädchen, ohne sich von der Stelle zu bewegen. „Ich hab’ nur Ein Wort von dem behalten, was Ihr gestern gesagt habt. Ihr habt mich vor allen Leuten geschimpft, habt mir meine Ehr’ abgeschnitten und habt gesagt, ich wär’ Euch geringer, als eine Bettlerin hinterm Zaun – deswegen bin ich da. Ich hab’ Niemand auf der Welt, der sich um mich annimmt; also muß ich mich selber um meine Haut wehren und muß Euch fragen, was Ihr Unrechtes von mir wißt, daß Ihr mich so heruntersetzt vor allen Leuten. Ihr könnt sagen, daß ich Euch zu arm bin zur Schwiegertochter; Ihr könnt Eurem Sohn verbieten, daß er mit mir geht, aber Ihr dürft mich nicht schlecht machen – das verbiet’ ich Euch, und wenn Ihr ein richtiger Bauer und ein Mann sein wollt, der selber Ehr’ im Leib hat, so gebt Ihr mir meine Ehr’ wieder und gesteht es ein, daß Ihr mir Unrecht gethan habt!“

Der Bauer, in seinem hochmüthigen Trotze an Widerspruch nicht gewöhnt, war über das entschiedene Auftreten des Mädchens wie verblüfft und schwieg einige Augenblicke, ehe er auf ihre Aufforderung zu erwidern vermochte. In der ersten Regung wollte er sie in seiner gewohnten Heftigkeit unterbrechen; er begann die Hände unmuthig zu reiben, und doch war etwas in dem entschlossenen Betragen des Mädchens, was ihm wohl gefiel und was die Erwiderung viel milder ausfallen ließ, als er sie beabsichtigt hatte.

„Du thust mir Unrecht, Mädel,“ sagte er, „und hast mich ganz falsch verstanden: es ist mir nicht im Schlaf eingefallen, Dich zu schimpfen und an Deiner Ehr’ zu kränken. Das will ich Dir gleich auseinandersetzen, aber komm’ nur in’s Haus herein! Das können wir doch nicht Alles so auf dem Thürgeschwell abmachen. Setz’ Dich nieder,“ fuhr er fort, als sie seiner Einladung gefolgt war, und deutete nach dem Ehrenplatze am großen Eßtisch, sie aber that, als ob sie das nicht bemerkte, und setzte sich auf die umlaufende Holzbank neben der Thür.

Wieder fing der Bauer an, die Hände zu reiben, und ließ sich unmuthig am Tische nieder; je seltener er Jemand eine besondere Artigkeit erwies, desto mehr war er gewohnt, dieselbe als etwas Bedeutendes betrachtet zu sehen, und desto empfindlicher ward er, wenn es ihm nicht geschah. „Aha,“ rief er mit bitterem Lachen. „Du traust dem Landfrieden nicht und setzest Dich an die Thür, damit Du gleich draußen bist, wenn mir etwa die Hitz’ übergeht. Hast keine Ursach’ dazu; ich kann das Rössel, wenn es durchgehen will, wohl auch anhalten, und das beweis’ ich Dir am besten, wenn ich sag’, daß es mir gestern durchgegangen ist und daß ich, wenn ich Dich gestern wider meinen Willen an der Ehr’ angegriffen hab’, sie Dir gern wieder geben will. Sag’ mir nur, wie ich’s anstellen soll!“

„Das ist ganz leicht,“ entgegnete das Mädchen. „Ihr dürft nur gleich mitgehen zum Pfarrer – wir werden gerade zur Kirche hinkommen, wenn Amt und Predigt aus ist – der Vorsteher wird auch da sein: dann braucht Ihr nur denen Zweien, sodaß es alle Leute sehen, das zu wiederholen, was Ihr mir jetzt gesagt habt, und daß Ihr mir nichts Unrechtes nachsagen könnt.“

„So? Sonst verlangst Du nichts?“ sagte der Bauer und trommelte mit den Fingern auf dem Tische. „Sonst nichts, als daß ich mich wie ein Dieb, der am Pranger stehen muß, vor der Gemeind’ unter die Kirchenthür stell’ und um schön’s Wetter bitt’, wie ein kleiner Bub’? Das thut der Himmelmooser nicht, aber ich will Dir was vorschlagen, was viel kräftiger ist.“

„Und was könnt’ das sein?“ fragte staunend das Mädchen.

„Schau, begann der Alte und setzte sich bequemer in seinem Stuhle zurecht, „schau – bei mir auf meinem Hof gefallt mir die Wirthschaft nicht mehr recht; es fehlt hint’ und vorn wo ich nicht selber sein kann. Die Judika ist auch eine alte Person, die jeden Tag zuwiderer wird; mit meinem Buben ist kein Vertragen … Laß mich ausreden!“ fuhr er fort, als Engerl mit rascher Geberde Miene machte, ihn zu unterbrechen. „Schänd’ mir meinen Kram nit, bis ich ihn ganz ausgelegt hab’! – Ich bin wohl kein heuriger Has’ mehr, aber auch kein alter Krachezer. Mancher Andere in noch älteren Jahren hat es schon so gemacht, und es ist gut ausgefallen, und wenn ich mir Alles so recht überleg’, so wird’s das Gescheit’ste sein, ich zahl’ dem Buben hinaus, was ihm gehört, und führ’ selber noch eine Bäu’rin auf den Himmelmooser Hof, und die Bäu’rin, Madel, sollst Du sein.“

Die Zuhörerin war vor Ueberraschung aufgesprungen – glühende Röthe quoll ihr über Hals und Gesicht. „Himmelmooser,“ stammelte sie, „ich hätt’ nicht geglaubt, daß Ihr im Stand wäret, in einem so ernsthaften Augenblick Spaß mit mir zu treiben.“

„Ich denk’ nicht d’ran,“ erwiderte er, „mir ist’s voller Ernst. Und warum nicht? Wenn Du mein Weib wirst, hat alles Gered’ mit einem Schlag ein End’. Alles weiß nachher, daß ich keine schlechte Meinung von Dir hab’. Also besinn’ Dich nit lang’, sag’ Ja, und wie Du’s verlangt hast, geh’ ich auf der Stell’ mit Dir zum Pfarrer und bestell’ die Stuhlfest.“

„Wirklich?“ stammelte das Mädchen. „Ihr wär’t im Stand’ mir einen solchen Antrag zu machen, und Ihr merkt gar nicht, daß Ihr mir damit eine noch viel größere Schand’ anthut, als Ihr mir schon angethan habt?“

(Fortsetzung folgt.)




Meine Jagden auf Gorillas.
Von Hugo von Koppenfels.[1]

Der Gorilla, welcher seines überaus scheuen Naturells, seines verborgenen mysteriösen Lebens wegen, das er in unzugänglichen Dschungeln inmitten sumpfiger Urwaldungen führt, nur wenig bekannt ist, hat neuerdings in wissenschaftlichen und gebildeten Kreisen durch Streitfragen, sowie wegen der Ueberführung eines lebenden Jungen durch die deutsche Loango-Expedition, wiederholt reges Interesse hervorgerufen. So unglaublich es auch klingen mag, so kann ich doch versichern, daß selbst unter den

  1. Der Verfasser ist der in den Gabun- und Ogowe-Ländern Westafrikas wohlbekannte Reisende, der einzige weiße Mann, welcher nachweislich das Glück hatte, eigenhändig Gorillas zu erlegen. Der kühne Waidmann ist schon vor einigen Monaten wieder nach Westafrika auf seine Jagdgründe zurückgegangen  D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 416. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_416.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)