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Seite:Die Gartenlaube (1877) 366.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


Mainz verlegt ward, wo sie dann mit eingeschlossen wurde. Von unserem Regimente hat nur eine Schwadron am Kampfe theilgenommen. Es war dieselbe, die bei Aschaffenburg den Rückzug der Oesterreicher über die Brücke deckte. Sie war von den preußischen Truppen wegen der Aehnlichkeit der Uniform für eine preußische Schwadron gehalten worden.

Die Gefangennehmung des Landesherrn hatte das Kurfürstenthum Hessen dem Ende seiner politischen Selbstständigkeit entgegengeführt. Sie erfolgte auf Wilhelmshöhe, und die Details erzählte man sich unter uns folgendermaßen. Ob sie durch die historische Wahrheit beglaubigt werden können, bleibt dahingestellt.

Der preußische Hauptmann, der zu des Kurfürsten Gefangennehmung beordert war, hatte das Schloß mit seinen Jägern, wenn ich nicht irre, umstellen lassen. Er trat in das Gemach des Regenten und trug ihm vor, weshalb er komme.

Dieser hörte ihn an, völlig stumm und ohne Regung, als ob er die Botschaft, die er soeben gehört, nicht verstünde. Als der Officier die Aufforderung, ihm zu folgen, in angemessener Weise wiederholte, erklärte der Kurfürst, daß er dieser Weisung nicht Folge leisten würde. Eine peinliche Pause trat ein. Da trat der Hauptmann auf ihn zu und legte die Hand auf seinen Arm. Der Kurfürst wurde todtenbleich, dann wieder drängte sich ihm alles Blut in das Gesicht und mit zornbebender Stimme rief er dem Beauftragten entgegen:

„Herr, wenn Sie es noch einmal wagen, meine geheiligte Person zu berühren, dann stoße ich Sie wie einen gemeinen Verbrecher zu Boden.“

Ein energischer Charakter wie er war, legte er, wie zur Erfüllung seiner Drohung, die Hand an das Degengefäß. Es war aber nur ein Moment – dann folgte er ohne Widerstreben.

Von Stettin aus entband er uns unseres militärischen Eides. Wir waren keine kurhessischen Truppen mehr, aber auch noch keine preußischen. Während einer Anzahl von Wochen hingen wir sozusagen in der Luft. Wir waren nach Hofgeismar zurückgekehrt und hätten, losgelöst von jedem politischen Verbande, uns dem Freibeuterthum des Mittelalters überlassen können, wenn nicht die militärische Disciplin ihre Macht hinab bis zum letzten Mann erwiesen hätte. Im Herbste waren wir preußische Soldaten. –

Als König Friedrich Wilhelm der Vierte von Preußen in den fünfziger Jahren seinem rechten Vetter, dem Kurfürsten, einen Besuch abstattete, führte dieser seinen königlichen Gast in den Habichtswald hinauf, bis zum Hercules. Der König war über die Aussicht entzückt und äußerte in gehobener Stimmung zum Kurfürsten:

„Fritz, Dein Kassel ist zu schön.“ Dann fügte er scherzweise hinzu. „Ich muß es doch noch 'mal haben.“

Friedrich Wilhelm der Vierte bekam es nicht, aber sein Nachfolger.

Georg Horn.




Der Verein „Berliner Presse“.


Bei einer Vergnügungspartie, welche einige befreundete Berliner Schriftsteller im Sommer des Jahres 1862 unternahmen, wurde im Lauf der lebhaften Unterhaltung über den Mangel an Collegialität geklagt und zur Beseitigung dieses anerkannten Uebelstandes die Bildung eines Vereins vorgeschlagen, der hauptsächlich die persönliche Bekanntschaft und das gesellschaftliche Zusammensein der Betheiligten ohne Rücksicht auf die politische Stellung und Lebensrichtung vermitteln und befördern sollte.

Der glückliche Gedanke fand allgemeinen Anklang, und es bildete sich sogleich ein provisorisches Comité, welches einen Aufruf an alle namhaften Berliner Schriftsteller erließ und ein vorläufiges Statut entwarf. Schon am 20. August desselben Jahres traten zweiunddreißig Vertreter der Presse im Café Belvedere zusammen, fast sämmtliche Redacteure der größeren Zeitungen, verschiedene Dichter, Novellisten, Kritiker und Männer der Wissenschaft.

In kurzer Zeit wuchs die Zahl um das Doppelte, und die Gesellschaft blühte schnell empor. Die ersten Namen und die besten Kräfte, Männer wie Auerbach, Brachvogel, Frenzel, Glaßbrenner, Fontane, Rodenberg, Lindau, Julian Schmidt, Bernstein, Weiß und Zabel, Nationalökonomen und Statistiker wie Prince-Smith und Geheimrath Engel, Schulze-Delitzsch, der Vater der deutschen Genossenschaften, die Abgeordneten Duncker und Lasker, der leider zu früh verstorbene, hochbegabte Otto Lindner und der in Paris verunglückte Assessor Fischel. nächst Gneist der bedeutendste Kenner des englischen Rechts, zählten zu den hervorragenden Mitgliedern und Stiftern des Vereins der „Berliner Presse“.

Trotz der politischen und socialen Gegensätze waltete die schönste Eintracht, so daß man an demselben Tische die Mitarbeiter der conservativen „Kreuzzeitung“, den frommen Beuthner, den gemüthlichen Hesekiel neben dem Redacteur der „Volkszeitung“, dem geistvollen Bernstein und neben dem demokratischen Guido Weiß an den dazu bestimmten Abenden bei einem Glase Bier in freundschaftlichem Gespräche fand, nachdem sie sich am Tage tapfer angegriffen und rücksichtslos bekämpft hatten. Man freute sich der friedlichen Begegnung auf neutralem Boden, lernte sich persönlich kennen und rückte sich menschlich näher.

Leider wurde dieser paradiesische Zustand der ersten Monate, wo noch der Löwe friedlich neben dem Lamm weidete, nur zu bald gestört, indem die Feier zu Ehren des verstorbenen Uhland, welche von dem Vereine veranstaltet wurde, wegen der demokratischen Gesinnung des unsterblichen Dichters auf den Widerstand der feudalen Redacteure der „Kreuzzeitung“ stieß, weshalb auch die Mehrzahl derselben ausschied, obgleich sie der Gesellschaft ein durchaus freundliches Andenken bewahrte.

Auch sonst blieben vorübergehende Conflicte nicht aus, besonders hervorgerufen durch die verschiedenen Ansichten über die Zwecke und Ziele des Vereins, da viele Mitglieder außer der Förderung der collegialischen Geselligkeit mit Recht eine regere Wahrung der Standesinteressen und gegenseitige Hülfe und Unterstützung dringend verlangten. Die zu diesem Behufe gemachten Vorschläge einer unter dem Vorsitze des Geheimraths Engel ernannten Finanzcommission wurden zwar leider in ihrem zu weit gehenden Umfange nicht angenommen, legten aber, nachdem sie einige wesentliche, den Verhältnissen angepaßte Beschränkungen erlitten, den Grund zu einer wahrhaft segensreichen Thätigkeit des Vereins.

Zunächst wurde aus den Ueberschüssen der monatlichen Beiträge ein eiserner Fond für die Darlehns- und Unterstützungscasse gebildet, welche den in augenblicklicher Noth befindlichen Mitgliedern bei Krankheitsfällen und anderen Verlegenheiten eine willkommene Hülfe gewährten. Auch eine Sterbecasse wurde in der Weise begründet, daß jedes Mitglied bei eintretenden Sterbefällen einen Thaler zahlte, um die hinterbliebene Familie vor momentanen Sorgen zu bewahren.

In Anerkennung dieser wohlthätigen Zwecke des Vereins sah sich der frühere Besitzer der Modezeitung „Bazar“, Herr von Schäffer-Voit, bewogen, eine Summe von tausend Thalern der Unterstützungscasse des Vereins zuzuwenden und außerdem noch einen Jahresbeitrag von zweihundert Thalern fortlaufend zu zahlen. Auch Herr Verlagsbuchhändler A. Hofmann überwies dem Vereine bei dem fünfundzwanzigjährigen Jubiläum des „Kladderadatsch“ ein Geschenk von fünfhundert Thalern. In derselben Absicht veranstaltete die Berliner Presse jährlich dramatische Vorstellungen, wobei die hiesigen Bühnenleiter, vor Allem aber der königliche General-Intendant Herr von Hülsen, sich durch ihre humane Bereitwilligkeit und freundliches Entgegenkommen ein unvergängliches Verdienst erworben haben.

Durch die von allen Seiten ihm so reichlich zufließenden Geldmittel sah sich der Verein in den Stand gesetzt, nicht nur seine Mitgliedern, sondern auch fremden verdienstvollen Schriftstellern, unter Anderen dem durch langjährige Krankheit gelähmten Beta und der Familie des genialen Otto Ludwig ansehnliche Summen zukommen zu lassen, so wie sich an den Sammlungen für mehrere, besonders hervorragende noch lebende Dichter mit bedeutenden Gaben zu betheiligen.

Zugleich beschäftigte sich der Verein mit all den wichtigen Fragen und Angelegenheiten, welche die Standesinteressen, besonders

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_366.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)