Verschiedene: Die Gartenlaube (1877) | |
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mit dem Pointer gemischt, die Leithundblut trugen, wie man
sie in Süddeutschland noch vereinzelt trifft; der Leithund selbst
ist bekannter Maßen längst ausgestorben; sein Blut kann also nur
einen verschwindend kleinen Bruchtheil beim Leo’schen Hunde bilden;
auch hier sind es die vorzüglichen Geruchsorgane des Ersteren,
der Muth und die Ausdauer des Zweiten, wie der treffliche
Spürsinn des Letzteren, die in diesem kurzhaarigen Vorstehhunde
vereinigt sind. Die Anpaarung des Leithundes hat diesem Thiere
ganz außerordentlich schöne Formen verliehen; insbesondere sind
es Eigenthümlichkeiten, wie der gewaltig hochaufgebaute Schädel,
die langen und tiefen Lippen, das tiefliegende Auge und der tiefangesetzte, große, weich und schlaff fallende Behang, welche bei
der meist sehr ansehnlichen Größe diesem Hunde ein so charakteristisches und imponirend schönes Aussehen verleihen, daß er
wohl einer der schönsten Jagdhunde genannt werden kann und
deshalb auch nicht selten als Begleiter von Leuten gehalten wird,
die nie zur Jagd gehen. Die Farben und Zeichnungen variiren
mehr als beim Setter; man findet diesen Hund einfarbig braun
mit gelben Extremitäten, einfarbig schwarz, weiß, gelb und braun
gefleckt. Eine besonders geschätzte Zeichnung weist der Forellentiger auf, wie ihn der Züchter nennt. Er hat über der ganzen
Decke auf weißem Grunde enggesetzte kleine braune Tupfen, während
auf Füßen, Maul und über den Augen ein herrliches Rothgelb
lagert und so eine Farbenwirkung entsteht, die jedes Hundeliebhabers Herz erobert.
Beide Hunde, sowohl der Setter wie der Pointer, sind feste Vorsteher, ferme Apporteure und gute Würger, Hunde für jeglichen Gebrauch. Der Setter eignet sich besonders auch zur Wasserjagd, während der Pointer besser auf den Schweiß arbeitet. Durch solche Anpaarungen gediegene Vorstehhunde zu erzielen, bedarf es sicherlich großer Kennerschaft, Ausdauer und sorgfältigster Wahl der Zuchtobjecte, denn gerade die Anpaarung des Retrievers einer- und des Leithundes andererseits kann ebensowohl das Resultat gänzlich entwerthen, wie sie in diesen beiden Fällen so vortheilhaft mitgewirkt haben. Die Leo’schen Vorsteher tragen von diesen beiden Racen deshalb nur einen verschwindend kleinen Theil Blutes, sodaß diese neuen Vorstehhunde sicherlich den reinblütigen Originalthieren weit vorzuziehen sind, weil sie vielseitiger zu verwenden, ausdauernder, unempfindlicher gegen klimatische Einflüsse und viel gelehriger sind; jene schauderhaften Dressurproceduren, wie sie beim altdeutschen Hunde nöthig waren oder gar beim englischen Hunde, dem der Jäger oft vergeblich die sogenannte „deutsche Dressur“ beizubringen versuchte, fallen bei diesen Hunden gänzlich weg; jedem Jäger, der öfter seine Jagd begeht, ist es leicht, diese verständigen Thiere zu fermen Jagdhunden heranzuziehen, vorausgesetzt, daß er selbst das nöthige Verständniß hierfür besitzt. – Wollte man heute reine englische oder gar altdeutsche Hunde züchten, man würde damit sicher einen tüchtigen Waidmann, der ja nur Thiere für die Arbeit braucht, niemals befriedigen. Die eine Race vereinigt also in sich die Eigenschaften eines Vorstehers, Apporteurs und Wasserhundes, die andere diejenigen der beiden Erstgenannten und des Schweißhundes.
Wenn tägliche Beobachtung den Menschen im Ganzen die alte Ahnung bestätigen muß, daß es ihren thierischen Mitgeschöpfen nicht an der Leuchte geistigen Lebens fehlt, so bezieht sich das doch meistens nur auf diejenigen Thiergattungen, welche durch ihre körperliche Größe in die Augen fallen. Je kleiner dagegen ein thierisches Wesen ist, um so mehr pflegt man sich einzubilden, daß auch seine körperliche Organisation sehr einfach, seine Intelligenz sehr gering sein müsse. Der Einfluß dieses Vorurtheils ist bis heut noch ein sehr großer bei der Mehrzahl der Menschen. Der riesige Umfang eines Walfisches oder Reptils aus der geologischen Urzeit erregt die allgemeine Aufmerksamkeit, während eine solche Theilnahme viel schwerer zu erwecken ist, wenn es sich selbst um die wunderbarsten Erscheinungen im Leben einer Mücke oder Ameise handelt. In einem kleinen Artikel über die Sprache der Insecten haben wir kürzlich, angeregt durch Dr. Ludwig Büchner’s hochinteressantes Werk „Aus dem Geistesleben der Thiere“, zunächst einige Hinweisungen gegeben, welche die wunderbare Verstandesfähigkeit dieser winzigen Geschöpfchen nicht mehr bezweifeln lassen. Es ist schade, daß das Interesse für ein so wichtiges Feld der belehrendsten und erhebendsten Beobachtungen in den weitesten Kreisen des Publicums noch viel zu wenig geweckt wurde. Und doch hätte schon die unglaubliche Feinheit der Sinne jener Thierchen, hätten schon ihre ungewöhnlichen Muskel- und Körperkräfte längst zu der Erwägung führen müssen, daß solche besondere Kräfte nur einem Wesen gegeben sein können, das sie vermöge seiner geistigen Beschaffenheit auch zu gebrauchen weiß. Ist doch die Körperkraft mancher Insecten so groß, daß sie die des Menschen und der größeren Thiere verhältnißmäßig um das Zwanzig-, Dreißig-, ja selbst Hundertfache übertrifft.
Bleiben wir zunächst bei den Ameisen stehen, denen die neuere Forschung in Bezug auf die geistige Befähigung den höchsten Rang in der Classe der Insecten oder Kerbthiere einräumt, und die von Dr. August Forel in seinem berühmten Werke über die Ameisen in der Schweiz (1874) unter den übrigen Insecten als dasjenige bezeichnet werden, was der Mensch unter den übrigen Säugethieren sei. Daß große Befähigungen eines Thieres immer auch mit einer besonderen Entwicklung seines Nervensystems und namentlich seines Denkorgans oder Gehirns verbunden sind, versteht sich für den Kenner, d. h. den Anatomen und Physiologen, von selbst. Bei den Ameisen sind die Kopfganglien – welche bei den wirbellosen Thieren die Stelle des Gehirns der Wirbelthiere vertreten – nicht größer als vielleicht das Viertel eines Stecknadelkopfs. „Zieht man das in Betracht,“ sagt Darwin, „so ist das Gehirn einer Ameise das wunderbarste Substanzatom in der Welt und vielleicht noch wunderbarer als das Gehirn des Menschen. Zugleich zeigt uns aber auch diese Thatsache, daß eine außerordentliche Thätigkeit bei einer äußerst kleinen absoluten Masse von Nervensubstanz existiren kann.“
Aber nicht blos durch die Organisation ihres Gehirns und Nervensystems sind die Ameisen – deren es jedoch in Europa über dreißig Gattungen und hundert Arten, auf der ganzen Erde mehr als tausend Arten giebt – zu der wichtigen Rolle befähigt, die sie in der Natur spielen. Eine hervorragende Stellung inmitten der übrigen Thierwelt ist ihnen auch durch die ganze Beschaffenheit ihres ungemein kräftigen und dabei leicht beweglichen Körpers gegeben, namentlich durch den Besitz ausgezeichneter Sinnesorgane und mächtiger Schutz- und Angriffswaffen sowie der geeigneten Instrumente für Bauen, Graben und Reinigen, endlich durch ihren ungestümen und unerschrockenen, dabei aber vorsichtigen und ausdauernden Charakter. Diese Ausrüstungen und Eigenschaften benutzen die Ameisen zur Verfolgung bestimmter Zwecke, welche allerdings schon mannigfach wahrgenommen wurden, wenn auch die zuverlässigeren Beobachtungen heut Wunderbareres gefunden, als die Phantasie erdichten konnte.
So steht es jetzt fest, daß die Ameisen nicht blos ihre besondere Sprache haben, man weiß auch auf das Genaueste, daß sie in einem wohlorganisirten republikanischen Staatswesen leben und sich Wohnungen mit Zimmern, Sälen, Vorzimmern, Zwischenwänden, Säulen und Tragbalken erbauen. Sie haben ferner Soldaten, führen Kriege und liefern sich Schlachten, führen Belagerungen aus, machen Gefangene und Sclaven, treiben Landwirthschaft, halten sich Melkvieh und bewahren die größte Sorgfalt für ihre Nachkommenschaft und die Pflege und Erziehung derselben. Hört nun ein Uneingeweihter das zum ersten Male so obenhin behaupten, so muß es ihm freilich zunächst als durchaus märchenhaft und als eine Häufung von kühnen Deutungen erscheinen. Beruhigt er sich aber nicht bei diesem oberflächlichen Eindruck, fühlt er sich zu jener eingehenden und ruhigen Prüfung angeregt, welche dieser Gegenstand erfordert, so wird er bald überzeugt sein, daß ihm hier ein sicherer Einblick in großartige Thatsachen des Naturlebens
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_347.jpg&oldid=- (Version vom 15.6.2019)