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Seite:Die Gartenlaube (1877) 302.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)

angelegen sein ließ, Fühlung mit dem Norddeutschen Bunde zu suchen, zunächst auf dem militärischen Gebiete Alles zu thun, um in der Stunde, da das Vaterland rufen würde, bereit zu sein, als ein ebenbürtiges, vollbereites Glied des Ganzen in die volle nationale Gemeinschaft einzutreten. Männer, wie Mathy, Jolly, von Freydorf und Andere, die nun an die Spitze der Geschäfte traten, wiesen alle Versuche zurück, welche zur Bildung eines Südbundes gemacht wurden, sie arbeiteten, besonders seit Jolly, nach Mathy’s Tode, Ministerpräsident geworden, in Gemeinschaft mit dem zum Kriegsminister ernannten preußischen General von Beyer unausgesetzt daran, die Wehrkraft des Landes zu der Höhe der Leistungsfähigkeit, wie sie Preußen von seinen Staatsangehörigen beansprucht, zu bringen.

Als in den unvergeßlichen Tagen des Juli und August 1870 ganz Deutschland sich wie ein Mann erhob, um den wälschen Uebermuth zu züchtigen, da bewies die überraschende Schnelligkeit der badischen Mobilmachung, wie vortrefflich die ganze Umorganisation der badischen Felddivision gelungen sei.

Und während sich die badischen Truppen vor den Wällen Straßburgs, in den Gebirgen der Côte d’Or und endlich in dem dreitägigen heldenmüthigen Kampfe bei Belfort mit Ruhm bedeckten, war der Großherzog mit seinem in treuer nationaler Gesinnung bewährten Minister Jolly in Versailles thätig, an dem großen nationalen Einigungswerke zu arbeiten. Mit Recht sagt hierüber von Weech’s Festschrift: „Den ganzen Umfang des Antheils, der dem Großherzoge an der Gründung des Reiches zukommt, nicht nur durch sein jahrelanges, unentwegtes Festhalten an der nationalen Idee, sondern insbesondere durch seine rastlose und erfolgreiche Thätigkeit in Versailles, wo es galt, Schwierigkeiten aller Art aus dem Wege zu räumen, Bedenken zu beseitigen, Gegensätze zu versöhnen, wird erst in spätern Jahren der Geschichtsschreiber schildern und dadurch das hohe Verdienst des Großherzogs in ein noch helleres Licht stellen können.“

Was er unmittelbar als Regent seines Landes in entschlossener und opferwilliger Vaterlandsliebe gethan, das wissen wir. Vorbehaltlos hat er den Eintritt des Großherzogthums in das deutsche Reich vollzogen, ohne irgend eines der Reservatrechte zu verlangen, durch welche andere deutsche Staaten wenigstens einzelne Theile der alten Zersplitterung zu verewigen trachten. Durch den Abschluß einer Militärconvention, in Folge deren das badische Contingent unmittelbarer Bestandtheil der deutschen, beziehungsweise der königlich preußischen Armee wurde, hat er ferner bewiesen, daß seinem erleuchteten Patriotismus die Stärkung der nationalen Wehrkraft und die einheitliche Leitung des Heerwesens höher steht, als der Schein, den andere Fürsten des Reiches noch mit ihrer in Wahrheit doch nur dem Namen nach bestehenden „Kriegsherrlichkeit“ aufrecht zu erhalten suchen.

Mit größter Entschiedenheit ist Badens Fürst und Volk auch seit dem Eintritte des Großherzogthums in das neue deutsche Reich der freisinnigen Richtung auf allen Gebieten des Staatslebens treu geblieben, und auch ein vielfach mit Argwohn betrachteter Ministerwechsel im Herbste 1876, in Folge dessen Jolly und Freydorf aus dem Ministerium ausschieden, hat daran nichts geändert. Das Ministerium Turban-Stösser hat seither nicht nur durch feierliche Erklärungen, sondern auch durch die That bewiesen, daß es in allen wesentlichen Fragen, in vollster Uebereinstimmung mit dem Großherzoge, dieselbe freisinnige und reichstreue Haltung beobachtet, wie seine Vorgänger.

So darf denn nicht nur Baden, sondern das ganze deutsche Reich an diesem Ehrentage dem Großherzoge Friedrich die freudige Anerkennung zollen, daß er „den Besten seiner Zeit genug gethan“, und daran den Wunsch knüpfen, daß dem trefflichen Fürsten noch eine lange und ebenso wie diese fünfundzwanzig Jahre reichgesegnete, für sein Land und für ganz Deutschland fruchtbringende Regierungszeit gegönnt sei. Möge das deutsche Reich in guten und schlimmen Tagen stets in seinen Einzelländern Fürsten am Ruder stehen sehen, welche besonnen und entschlossen, selbstlos und opferwillig immerdar in so freudiger Hingabe dem Kaiser geben, was des Kaisers ist, wie es Großherzog Friedrich von Baden gethan!




Eine Blutsühne nach zwanzig Jahren.
Von Theodor Kirchhoff.


San Francisco, am 31. März 1877.

Der 16. September des Jahres 1857 war Zeuge von einem der schändlichsten Verbrechen, welches die amerikanische Geschichte aufzuweisen hat, der Metzelei einer Emigranten-Karawane in Mountain Meadows im Territorium Utah, wobei gegen hundertfünfzig Emigranten, Männer, Frauen und Kinder, von den Mormonen und den mit ihnen verbündeten Indianern verrätherischer Weise hingemordet wurden. Fast zwanzig Jahre lang blieb die entsetzliche Blutthat, welche Brigham Young stets den Indianern allein zur Last gelegt hatte, ungesühnt, bis die Gerechtigkeit endlich den Haupttheilnehmer an jener Metzelei in der Person des Mormonenältesten John D. Lee ereilt hat.

Bekanntlich hatten die Mormonen, ehe sie ihr gegenwärtiges hierarchisches Gemeinwesen unter Brigham Young’s Leitung in Utah gründeten, in den östlichen Unionsstaaten Ohio, Missouri und Illinois gelebt, wo sie von den ihre Religionsgebräuche hassenden Hinterwäldlern verfolgt und von Ort zu Ort getrieben wurden. Diese Verfolgungen gipfelten in der Ermordung des Propheten Joseph Smith in dem Städtchen Carthage bei Nauvoo in Illinois (27. Juni 1844). Die Wanderung der Mormonen von den Ufern des Mississippi nach dem Thalbecken am großen Salzsee unter der Führung von Brigham Young und die Gründung des neuen Mormonenstaates Zion im Innern des Continents gehören der Geschichte an.[1] Bei den Mormonen herrschte, namentlich während der ersten Jahre nach ihrer Vertreibung, ein intensiver Haß gegen alle „Gentiles“ (Nichtmormonen), welchen Brigham Young für seine selbstsüchtigen Pläne vortrefflich zu verwerthen verstand. Wer seinen Verordnungen widersprach oder ihm sonst unliebsam war, verschwand oft auf räthselhafte Weise, meistens während einer „Reise auf’s Land“, welche „Unfälle“ Brigham den Indianern zuzuschieben pflegte. Es ist jetzt jedem Unparteiischen klar, daß die im Dienste der Mormonenkirche stehenden Daniten oder „Racheengel“ die Henkersrolle bei fast allen solchen „Unfällen“ gespielt haben. Das Hauptamt der Daniten scheint jedoch darin bestanden zu haben, die Mormonen an solchen zu rächen, welche sie vor ihrem Auszug aus den „Staaten“ verfolgt hatten.

Im Spätsommer des Jahres 1857 verbreitete sich die Kunde in Salt Lake City, daß ein aus etwa einhundertfünfzig Personen bestehender Emigrantenzug mit vierzig Wagen, achthundert Rindern, sechszig Maulthieren und Pferden und vieler werthvollen Habe von Arkansas nach dem südlichen Californien unterwegs sei und demnächst durch jene Stadt kommen werde. Die Mormonen waren zu damaliger Zeit in furchtbarer Aufregung wegen der sich gegen sie von der Regierung in Washington vorbereitenden Bundesexecution.

Als die Emigranten nach ihrem überaus mühsamen Marsche über die Ebenen, die fast pfadlose Gebirgswildniß der Felsengebirge und durch trostlos öde Salbei- und Alkaliwüsten endlich Salt Lake City erreichten und sich dort neu verproviantiren und für die Weiterreise stärken wollten, verweigerten ihnen die Mormonen Lebensmittel und sonstige Bedürfnisse und behandelten sie auf die nur denkbar abstoßendste Weise. Auf der Wanderfahrt weiter südwärts fanden sie bei allen Niederlassungen der „Heiligen“ dieselbe schnöde Behandlung. Niemand verkehrte mit ihnen, und finstere Blicke begegneten ihnen an jeder Thür. Nach mehreren Wochen einer solchen traurigen Reise erreichten sie ein grünes Thal im Gebirge (Mountain Meadows), welches etwa fünf englische Meilen lang und zwei Meilen breit war, wo sie ein Lager aufschlugen und einige Zeit zu verweilen gedachten, um ihre Thiere sich beim Weiden an den saftigen Gräsern erholen zu lassen und selbst frische Kräfte für den Zug durch die Wüsteneien nach dem südlichen Californien zu sammeln. Als sie am Morgen des 7. September ihre mühsame Reise fortsetzen wollten, wurden

  1. Die Entstehungsgeschichte der „Heiligen vom jüngsten Tage“ und ihrer Dogmen habe ich im ersten Bande meiner „Amerikanischen Reisebilder“ eingehend erörtert.
    D. Verf.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_302.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)