Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1877) 270.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)

als da sind: die zu reichlichen Fettablagerungen, die verschiedensten Kohlenstoff- und Stickstoffverbindungen, theils durch den Darmcanal, theils durch die Harnwege, die Hautausdünstung und den Respirationsproceß direct zur Ausscheidung gebracht.

Sodann wird aber dem Uebel auch dadurch gesteuert, daß ihm wenigstens für eine Zeit lang die Quellen abgeschnitten werden. Es tritt nämlich während der Cur in Karlsbad an die Stelle der zu reichlichen, sowohl stickstoffreichen als stickstofffreien Nahrungsmittel, eine etwas schmale und magere Kost, ohne daß es gerade nöthig wäre, daß sich der Curgast einer strengen Kasteiung unterziehe; ferner wird die vorangegangene sitzende Lebensweise mit einer den Kräften angemessenen Körperbewegung, jedoch ohne Uebermüdung; der Aufenthalt in der zu warmen, sauerstoffarmen, häufig mit Kohlensäure imprägnirten Zimmerluft mit dem Aufenthalt in reiner, pflanzenreicher Gebirgsgegend, daher auch relativ sauerstoffreichen Lust vertauscht, wo dann durch reichlichere Aufnahme von Sauerstoff die Entkohlung des zu venösen Blutes begünstigt wird. Endlich tritt an die Stelle einer zu angestrengten geistigen Beschäftigung, oder eines überbürdeten Bureau- oder Actenlebens ein geschäftiges Nichtsthun, und an Stelle des nur zu häufig mit Aerger und Verdruß verbundenen Verkehrs im Geschäftsleben der Verkehr mit anderen mehr oder minder interessanten Menschen aus allen fünf Welttheilen im strengsten Sinne des Wortes, und schließlich der Verkehr mit einer prachtvollen Natur. Ich weiß nicht, wer es gesagt hat, aber es bleibt ein schöner und wahrer Ausspruch: „Die allmächtige Mutter Natur heilt Alles“. Karlsbad wurde bekanntlich von Humboldt in pittoresker Beziehung an die fünfte Stelle gesetzt.


Ein untergehendes Stück Waldpoesie.
(Mit Abbildung.)

Dreißig Jahre sind es kaum, da tönten dem Reisenden, der die grünen Thäler und die mit prächtigen, schlanken Tannen geschmückten Berge des Thüringerwaldes besuchte, wohl in jedem dieser lieblichen Gründe die wuchtigen Schläge eines oder mehrerer Eisenhämmer entgegen und gaben ihm Nachricht und Zeugenschaft von einem der ältesten und wichtigsten Industriezweige der arbeitsamen thüringer Waldbewohner. Die heute noch in großer Menge vorhandenen reichen und vorzüglichen Spath- und Brauneisensteine der Saalfelder und Schmalkalder Gegend, die auf dem ganzen Walde vorkommenden vortrefflichen Rotheisensteine, der Holzreichthum und die mit starkem Falle dem tieferen Lande zueilenden Wasser des Gebirges bildeten seit nun tausend Jahren die natürlichen Grundlagen anfänglich für wenige, später für mehrere hundert von rauchenden Eisenschmelzöfen und laut und lustig pochenden Hammerwerken. Die thüringer Eisen- und Stahlfabrikate erwarben sich schon in frühester Zeit Anerkennung und guten Ruf; bereits im 9. Jahrhunderte waren thüringer Waffenschmiede und ihre guten Schwerter bekannt und genannt; die Sage vom Ruhlaer Waffenschmiede, der seinen verirrten Landesherrn hart und fest hämmerte, datirt aus dem 12. Jahrhundert, und im 14. Jahrhundert waren die Suhler Panzerer und Plattner schon über Deutschlands Gaue und Berge hinaus durch die Vortrefflichkeit ihrer Harnische und Schwerter berühmt. Die mittel- und süddeutsche Ritterschaft klopfte sich ausschließlich mit Suhler Schwertern die fehdelustigen Köpfe blutig, und manchem trotzigen Rittersmann schnitt eine Suhler Klinge den Lebensfaden jählings ab. Nach der Erfindung des Schießpulvers blieb Suhl nicht allein im Besitze seines Rufes, sondern erhob sich sogar zur einzigen und großen Waffen- und Gewehrfabrik, zur Rüstkammer Deutschlands, wie die Zeitgenossen es nannten. Es ist in Folge dessen auch als die Mutter aller deutschen und vieler ausländischen Gewehrfabriken anzusehen, denn wie seine Gewehre im Laufe der Jahrhunderte sich massenhaft in ganz Europa und sogar auch über den Ocean verbreiteten, so zogen auch viele geschickte und kundige Gewehrarbeiter nach aller Herren Ländern, um neue Stätten ihrer Kunst und Zunft gründen zu helfen.

Aber nicht blos die männermordende Waffe erzeugte der Thüringerwald, nein, auch die Bedürfnisse des Friedens in Eisen und Stahl wurden dort in großer Auswahl und reichlichen Mengen dargestellt; viele hunderttausend Centner Eisenerze wurden in hoher Oefen Gluth geschmolzen, um für den friedlichen Bauer und Bürger Pflugschaare, Wagenreife, Hufstab- und Nageleisen, Sensen, Messer, Feilen, Aexte, Ahlen, Nägel und viele andere Eisen- und Stahlwaaren anfertigen, um mit ihnen hausirend, Märkte und Messen beziehend, umfangreichen Handel treiben zu können. Schmalkalden, Brotterode, Steinbach, Mehlis, Zella und Suhl bildeten den Hauptsitz der Fabrikation solcher Stahlwaaren. Suhl war außerdem durch seine unübertroffenen Eisenbleche, namentlich solche für Salzsiedepfannen und Schmalkalden durch seinen Edelstahl berühmt, während der östliche Theil des Thüringerwaldes mehr schwere Eisensorten und Gußwaaren fabricirte.

Der für Thüringen insbesondere unheilvolle dreißigjährige Krieg schlug dem Wohlstande seiner Bewohner und dem Bergbau und Hüttenwesen eigentlich nie vollständig geheilte Wunden. Die Horden Isolani’s und Holk’s durchstöberten große und kleine Erzgruben nach dort verborgenen Schätzen der in die Wälder geflüchteten Einwohner und zerstörten Maschinen und Baue auf und unter Gottes Erdboden. Gar manche höfliche Zeche, wie der Bergmann sagt, wurde in den langen Jahren dieses gräulichen Krieges verlassen und zerstört und blieb in dem darauf folgenden Elende vergessen und verschüttet; hatte doch Thüringen fast zwei Dritttheile seiner Bevölkerung damals verloren.

Erst Mitte des vorigen Jahrhunderts hoben sich der Bergbau und das Eisenhüttenwesen wieder; außer in der Nähe der Hauptplätze Saalfeld, Suhl, Schmalkalden, Steinach fand man auf dem ganzen Thüringerwald, von der Hörsel bei Eisenach bis zur Saale bei Lobenstein, Hunderte von Schmelz- und Hammerwerken. Ueberall pochten und lärmten die Stabeisen-, Nageleisen- oder Zainhämmer, die Blech-, Sensen-, Schaar-, Schaufel-, Rohr- und Stahlhämmer. Ueberall in den dunkeln Forsten stiegen die Rauchsäulen der Kohlenmeiler mit ihrem weithin auffallenden, eigenthümlichen Brandgeruch in die reine, klare Nachtlust empor. Ueberall stieß man auf Bergbau, Berg- und Hüttenleute und Fuhrwerke, die Erze, Holz, Holzkohlen, Eisen und Stahl transportirten; viele Ortschaften nährten sich in der Hauptsache vom Bergbau, der Eisen-, Stahl-, Stahlwaarenfabrikation und dem zu diesem Allen nothwendig gewordenen Fuhrwesen.

Dieser bis in die dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts andauernden Blüthe erwuchs aber in dem mit Steinkohlen gesegneten Westfalen ein gefährlicher Nebenbuhler. Der Kampf um’s Leben wurde mit zu ungleichen Kräften geführt; er währte kaum ein Jahrzehnt. Die neuen, billig und massenhaft erzeugenden Methoden konnten in Thüringen der fehlenden Steinkohlen wegen nicht eingeführt werden, und so kam es, daß in den vierziger und fünfziger Jahren die meisten Schmelzöfen und die alten Hammerwerke fast alle in Stillstand geriethen. Die werthvollen Wasserkräfte wurden nach und nach zu Säge-, Mahl-, Farbe-, Porcellanmassemühlen, Maschinenfabriken und anderen industriellen Zwecken benutzt.

„Das Alte stürzt – es ändert sich die Zeit,
Und neues Leben blüht aus den Ruinen.“

Mit dem Verschwinden der alten, rußigen Eisenwerke ist leider auch ein gut Theil Poesie und thüringische Eigenthümlichkeit verloren gegangen. Aufhorchend blieb ehedem der Wanderer im dunklen Walde oder im frischgrünen, wasserreichen Thale stehen, wenn plötzlich der rhythmische Doppelschlag eines oft noch weit entfernten Hammerwerkes sein Ohr traf; je mehr er vorwärts schritt, desto lauter schallten die Hammerschläge, bis er nach einiger Zeit, um eine Thalwand biegend, das malerisch einsam gelegene, von kleinen Wohnhäusern, Holzvorräthen, Kohlenmeilern und alten hohen Bäumen umgebene, hochdachige und von Wetter und Rauch geschwärzte Gewerk vor sich liegen sah. Gar eigenthümlich war der Eindruck des Inneren eines solchen schwarzgeräucherten, grellbeleuchteten und tiefbeschatteten Hammerwerkes, wie es unsere Abbildung, der Wirklichkeit getreu, uns vor Augen führt. Die bärtigen, rußigen, nur mit einem langen Hemde, Schurzfell, Holzpantoffeln und großem Schlapphute bekleideten Hammerschmiede könnten im ersten Augenblicke wohl an die zwei Knechte erinnern, denen nach

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_270.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)