Verschiedene: Die Gartenlaube (1877) | |
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In dem unsrer Station Chinchoxo sehr nahe gelegenen Dörfchen Lusala war Nsoami, das junge Weib eines uns wohlbekannten Negers, von der unheilbaren und von den Schwarzen sehr gefürchteten Schlafkrankheit befallen worden. Da der Neger der Loangoküste – übereinstimmend mit den Angehörigen wohl aller wilden, sogenannten Naturvölker – eine natürliche Todesursache höchstens nur dann annehmen und verstehen kann, wenn hohes Alter und dem entsprechender langsamer Verfall des Körpers ihn folgerichtig auf ein endliches Erlöschen der Lebenskraft vorbereitet haben, da ihm aber ein Erkranken und Sterben rüstiger und junger Leute widernatürlich erscheint, so findet er, von Gespensterfurcht gequält und in seinem Schrecken und seiner geistigen Unfreiheit nach einer Erklärung, nach Beruhigung suchend, solche nur in der Annahme von wirksamer Bosheit zauberkundiger Mitmenschen. Diese sind ihm greifbar; er kann sich gegen sie wehren, sich an ihnen rächen.
Das Leiden des in voller Jugendkraft erst kürzlich erheiratheten Weibes konnte demnach auch nur die Folge geheimer Böswilligkeit Andrer, das Resultat einer Verhexung sein. Ngo, der junge Ehemann, aus guter Familie stammend, wohlhabend und, wie seine zahlreichen Geschwister, durch körperliche und geistige Vorzüge gleich ausgezeichnet, hatte die Ngangas der Umgegend und manche Berühmtheit aus der Ferne herbeigerufen, doch erwiesen sich alle Heilkünste derselben nicht stark genug, um den Bann zu brechen.
Diese Ngangas sind Zauberärzte, Hexenmeister, welche, theils als schlaue Betrüger, theils im festen Glauben an ihre eigene geheimnißvolle Macht über die bösen Zauberkünste Andrer und wirksam unterstützt durch die Schwächen ihrer Mitmenschen, Kranken, Besessenen und Verhexten mit ihrem Hocuspocus gegen Bezahlung zu Hülfe kommen. Sie sind übrigens auch im Besitze mancher heilkräftiger Mittel, sowie einiger Gifte und erfahren in deren Anwendung. Stirbt ihnen der oder die Behandelte, oder ist ein Todesfall ohne ihre Mitwirkung eingetreten, so sind sie auch bereit, gegen weiteres Honorar den schlimmen Zauberer, den Ndodschi,
- ↑ Mitglied der ehemaligen von der deutschen Gesellschaft zur Erforschung Aequatorial-Afrikas nach der Westküste (Nieder-Guinea) ausgesandten Güßfeldt'schen Loango-Expedition.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_177.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)