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Seite:Die Gartenlaube (1877) 164.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)

Semaphor vorstellen, haben nicht nur den Vortheil, etwaige Nachrichten in Empfang zu nehmen, sondern sie werden auch ohne Weiteres regelmäßig in der Londoner Schiffs- und Handelszeitung als da oder dort vorbeipassirt gemeldet. Hat nun der Semaphor Nachrichten für das Schiff, welches sich ihm zu erkennen gegeben, so macht er das Zeichen J (Wimpel, Ball, Flagge) und senkt dann die Scheibe als Schlußzeichen, womit er sagt: „Stoppen Sie, oder drehen Sie bei! Es sind wichtige Mittheilungen zu machen.“ Das Schiff hält dann oder nähert sich, und kann durch Fernsignale oder, wenn es nahe genug ist, durch Farbensignale die ihm nachgesandte Botschaft empfangen. Andererseits fragt das vorbeisegelnde Schiff den Semaphor, nachdem es sich zu erkennen gegeben, ob ein Poste restante-Brief angekommen ist, indem es das Fernsignal K giebt; es verlangt durch L einen Lootsen, durch M einen Schlepper, erbittet durch N den Wetterbericht und zeigt durch S an, daß es eine telegraphische Depesche an irgend eine Adresse aufgeben wolle. Diese Depeschen können auf Wunsch, den Telegraphenbeamten unverständlich, in der internationalen Chiffre-Schrift des Signalbuchs befördert werden und werden ohne Vorausbezahlung angenommen; die geringe Taxe – für je zehn Worte einen Franken – hat der Empfänger zu entrichten. Solcher Stationen sind an den Küsten des atlantischen und Mittelmeeres in Frankreich, Italien und Portugal gegen zweihundert theils bereits in Thätigkeit, theils in der Anlage begriffen, sodaß Capitain und Reisende unterwegs, ohne an’s Land zu gehen, immerfort Gelegenheit haben, mit ihren Angehörigen wichtige, in die Weltsprache übersetzte Nachrichten für mäßige Preise zu wechseln.




Das Luisenzimmer im Schlosse Monbijou zu Berlin.
(Zum 10. März.)

Mitten in dem regen Berlin, wo Handels- und Börsenverkehr die Straßen mit geschäftig Eilenden fast überfüllt, wo der bunte Obstmarkt am Wasser Kauflustige anlockt, Wagen rasseln und Omnibusführer klingeln, liegt, einer stillen, grünen Insel gleich, der Garten von Monbijou. Hinter die Mauer, die ihn umfriedet, unter den Schatten seiner Bäume dringt wenig Weltlärm, wenig Menschenunruhe. Höchstens daß ein paar Kinderwärterinnen, den Strickstrumpf in der Hand, ihre Pflegebefohlenen dort spazieren führen, die sich fröhlich im hochaufgeschossenen Rasen die ersten Butterblumen pflücken. Das Einsame und Ueberlebte dieser Umgebung widerspricht den Eindrücken nicht, die uns im Innern des Schlosses erwarten. Wir betreten eine Stätte der Vergangenheit. Treue Erinnerung hat ihr hier weder Tempel noch Denkmäler gebaut, aber mit liebender Hand zusammengetragen, was uns das Bild der Heimgegangenen, ihrem Wirken und Wesen, ihren Eigenthümlichkeiten und Gewohnheiten nach bis in ihre äußere Umgebung und Erscheinung hinein, vergegenwärtigen kann. Die weiten Säle und Kammern des Schlosses Monbijou enthalten ein Andenken-Museum der Familie Hohenzollern.

Das Vorhandene ist so massenhaft, daß wir nicht daran denken können, bis in seine Einzelnheiten hinein – die freilich sämmtlich bedeutungsvoll und interessant sind – von Allem zu erzählen. Nur Hauptsächliches kann hervorgehoben werden. Unwillkürlich tritt dabei in die erste Reihe Alles, was sich auf die holde, vielgeliebte Frau bezieht, mit der sich jetzt (10. März) gerade vor einem Jahre alle deutschen Herzen gelegentlich der Hundertjahrsfeier ihrer Geburt besonders liebevoll beschäftigt haben. Was ihr Sein und Leben in bestimmteren Umrissen zeichnet, nimmt unser Interesse vorzugsweise in Anspruch. Doch mag auch Anderes wenigstens erwähnt werden, schon weil das Ganze hier zusammenhängt, wie die Glieder einer Kette, und weil auch was vor und was nach Luisen war, zu ihr gehört, um ihr sanftes, hehres Bild ganz in sein rechtes Licht zu stellen.

Direct vom Garten aus tritt man in die Säle des Schlosses; durch keine Treppe, keine Stufe erhöht, liegen sie vollständig zu ebner Erde. Eine Waffenhalle empfängt uns, die für den Kenner gewiß reich an interessanten Stücken ist. Ein Sattel, noch aus den Kreuzzügen stammend, nach Art uralter Buchdeckel mit byzantinischer Elfenbeinschnitzerei belegt, erschien mir sehr merkwürdig. Allzu weich haben die frommen Streiter freilich nicht gesessen. Auch ein großes schwarzes Vehmschwert, wie es vor dem Stuhlherrn auf der Bibel gelegen – die Symbole im Knopfe seines Griffes kennzeichnen es – hängt dort über der Eingangsthür.

Links von der Waffenhalle liegen nur wenige Gemächer. Im ersten birgt ein großer Glasschrank die Krönungsmäntel unseres deutschen Kaiserpaares. Die Wände des letzten sind mittelalterlich mit Wappen- und Devisenschilden decorirt; diese stammen aus dem Tournier, welches am Neuen Palais bei Potsdam abgehalten wurde, als die Prinzessin Charlotte von Preußen zum ersten Male als russische Kaiserin die Heimath wieder besuchte.

     A Dieu mon âme,
     Ma vie au Roi,
     Mon coeur aux dames,          
     L’honneur pour moi!
(Gott meine Seele,
Mein Leben dem König,
Mein Herz den Damen,
Die Ehre für mich!)

haben sich die von Waldow zum Wahlspruch genommen. Wäre es nicht noch ritterlicher zu sagen: mon coeur à ma dame statt der etwas bedenklichen Zersplitterung des Herzens an das ganze schöne Geschlecht?

Zwischen diesen beiden Gemächern liegt ein drittes, das der Erinnerung an Friedrich Wilhelm den Zweiten gewidmet ist. Ich will von seinen Stöcken, Röcken, Stühlen, Uhren und Dosen nicht weiter reden. So etwas findet sich in dem Nachlasse fast jedes Monarchen. Auf dem Kaminsimse aber stehen zwei Teller von weißem Porcellan, grün umrändert; in der Mitte befindet sich ein Namenszug, F. W., gleichfalls grün. Dreht man den Teller um, daß die Schrift auf dem Kopfe steht, so wird aus dem verschlungenen F. W. ein M. v. L.; statt des königlichen Namens Friedrich Wilhelm lesen wir denjenigen seiner Geliebten: Marianne von Lichtenau[WS 1]. Ein completes derartiges Service war im täglichen Gebrauche des Königs. Als Friedrich Wilhelm der Dritte ihm folgte, wurde dasselbe zu geringeren Diensten im königlichen Haushalte degradirt und möglichst rasch verbraucht. Jetzt werden nur noch diese beiden Teller als Curiosum aufbewahrt. – Auch ein Bild der Lichtenau ist dort zu sehen, ein in grauer Thonmasse modellirtes Profilköpfchen von weichen, runden Formen und vielsagendem Lächeln. Die ganze damalige Zeit tritt uns in diesem sinnlich-hübschen Gesichte entgegen. Es war keine gute Zeit, und doch klopfte auch in ihr ab und zu ein Pulsschlag des Herzens. Eine alte vergriffene Bibel wurde uns gezeigt, ein Geschenk der jungen Gräfin Ingenheim an den König. Vornan steht noch der Mädchenname: Amelie von Voß. Sie muß ungefähr zehn Jahre alt gewesen sein, als sie die Bibel erhalten, die sie später dem Könige gegeben hat, wie einige von ihm selbst hineingeschriebene Zeilen aussagen. Unter dieselben hat er die Worte hinzugefügt. „Dies bleibt meine Handbibel bis an meinen Tod.“

Zurückkehrend in die Waffenhalle, treten wir rechts in einen größeren Saal, der uns Friedrich Wilhelm den Vierten und seine Gemahlin Elisabeth vergegenwärtigt. Da finden wir Bilder, Gegenstände, Anklänge, die noch unserer eigenen Erinnerung bekannt und vertraut sind. Das Brautkleid der Königin, obgleich von Silberbrocat, mit künstlich gearbeiteten silbernen Blumen besetzt, will uns in Schnitt und Fülle des Stoffes, gegen die jetzigen Moden, fast bescheiden erscheinen. In den Glasschränken, welche die lange Hinterwand decken, ist manches Curiose aus des Königs Besitz. Eine kleine farbige Statuette z. B., den Theaterfriseur Warnicke darstellend, wie er, grau in grau gekleidet, mit grauem Haar, in den Straßen von Berlin einherging, eine Figur, die jedes Kind kannte. Dann ein großes silbernes Schreibzeug, welches, als Geschenk eines englischen Edelmannes, in Schiller’s Besitz gewesen. Fast wie Ironie erscheint dieser strotzende Silberglanz, wenn man zurückdenkt, wie oft und wie lange des Dichters Feder in Noth und Mangel getaucht blieb.

Im Nebengemache faßt schon der erste Blick, wie einfach, schmucklos, fast kahl es hier aussieht. In der Mitte des Zimmers steht ein Schreibtisch, eine glatte, von schmaler Holzgalerie umgebene Platte mit Kasten darunter – übrigens kein Zierrath, kein

Leistchen und kein Schnörkelchen, das zu viel wäre. Es ist der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_164.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)