Verschiedene: Die Gartenlaube (1877) | |
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eine allgemeine Staatsverfassung im Zusammenhang mit den bereits vorhandenen oder zu bildenden ständischen Einrichtungen der verschiedenen Landschaften für Preußen verheißt, wirkten Hardenberg und Stein zusammen.
Ranke schließt seine Schrift mit einer interessanten Parallele zwischen den beiden Staatsmännern. In Stein lebte der Impuls ursprünglicher Gedanken und Gefühle, in Hardenberg mehr Empfänglichkeit für die allgemeinen Tendenzen, welche die Welt beherrschten. Stein war ein gläubiger Orthodoxer; Hardenberg’s Religiosität hatte mehr einen philosophischen Anstrich; er war ein Mann der allgemeinen Bildung. Stein dachte die Kirche aufrechtzuhalten; Hardenberg verwandte sich für die Universität; Stein hatte mehr aristokratische, Hardenberg mehr demokratische Sympathien, doch hätte keiner darüber das Recht des Ganzen oder den Willen des Königs aus den Augen gesetzt. Die kräftigsten Anregungen zu einer populären Erhebung gegen Napoleon rühren von Stein her – Hardenberg war ihnen nicht entgegen, aber er suchte sie zu mäßigen. Hauptsächlich von Stein ist die Allianz zwischen Rußland und Preußen zum Zwecke einer unmittelbaren Waffenerhebung angebahnt und durchgesetzt worden. Daraus entsprang der Entschluß, der französischen Herrschaft von Grund aus ein Ende zu machen und Napoleon zu stürzen. Eine großartigere Wirksamkeit läßt sich kaum denken. Aber ohne Hardenberg wäre sie doch nicht zum Ziele gelangt. Die ganze Geschicklichkeit eines geübten Diplomaten gehörte dazu, um dem preußischen Staate für seine Wiedererhebung Raum zu verschaffen und dabei doch die Feindseligkeit des übermächtigen Gegners nicht vorzeitig zu erwecken. Wenn in den Augen der Nachwelt Stein als der Größere erscheint, so rührt das daher, daß er sich weniger auf den gewohnten Bahnen bewegte und einen moralischen Schwung besaß, welcher Ehrfurcht erweckte; es war etwas an ihm, das einen großen Mann charakterisirt. Von Hardenberg läßt sich das nicht sagen, aber er hatte den Schwung des politischen Gedankens und alle die unbeugsame Zähigkeit und Unverdrossenheit, die dazu gehört, ihn zu verwirklichen. Von Allem, was ihm gelang, möchte das Vornehmste sein, daß er die Idee einer Coalition gegen die Obermacht Napoleon’s, mit der er sich von jeher getragen hatte, in dem rechten Momente wieder aufnahm und durchzuführen wußte. Davon aber hing die Wiederherstellung Preußens ab. Um Preußen, als Staat betrachtet, hat Hardenberg sich ein nicht hoch genug anzuschlagendes Verdienst erworben. Nach dem großen Kampfe ließ er sein ganzes Bestreben sein, die Einheit des gleichsam umgeschaffenen Staates fest zu begründen. Mit aller Energie zeichnete er ihm auch die Bahnen der Zukunft vor, durch jene Verordnungen, welche die Vermehrung der Staatsschulden an die Einwilligung der Reichsstände knüpfte.
„Tiefer als Hardenberg,“ sagt der Altmeister unserer Geschichtsschreibung am Schluß, „hatte noch niemals ein Staatsmann seinen Namen in die ehernen Tafeln der preußischen Geschichte eingegraben.“
Selbst räumlich hat sich Schiller in seiner Phantasie das Verhältniß, das gemeinschaftliche Zusammenleben der Drei zurecht gelegt. „Ich weiß Euch in meinem Zimmer. Du, Caroline, bist am Clavier, und Lottchen arbeitet neben Dir, und aus dem Spiegel, der mir gegenüber hängt, sehe ich Euch Beide. Ich lege die Feder weg, um mich an Euren schlagenden Herzen lebendig zu überzeugen, daß ich Euch habe, daß nichts, nichts Euch mir wieder entreißen kann. Ich erwache mit dem Bewußtsein, daß ich Euch finde, und mit dem Bewußtsein, daß ich Euch morgen finde, schlummere ich ein. Der Genuß wird mir nur durch die Hoffnung unterbrochen und die süße Hoffnung nur durch die Erfüllung, und getragen von diesem himmlischen Paare verfliegt unser goldenes Leben.“
Die Erscheinung dieser Doppelliebe ist so einzig in ihrem Wesen, daß die Geschichte des menschlichen Herzens kaum eine zweite wird aufzuweisen haben. Die Lösung dieses psychologischen Räthsels hat Verehrer und Biographen Schiller’s schon mannigfach beschäftigt. Schiller gesteht es sich einmal selbst, daß
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_136.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)