Verschiedene: Die Gartenlaube (1877) | |
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die Eisenbahn des linken Nilufers bis Bedreschihn, ließ sich dann über den Strom setzen und hatte außerdem noch eine Omnibusfahrt von einer guten Stunde bis zum eigentlichen Badeorte. Jetzt, wo endlich die Eisenbahn fertig geworden ist, braucht man vom Fuße der Citadelle aus nur vierzig Minuten und macht die Tour hin und zurück für einige Franken.
Schon in sehr alter Zeit, im siebenten Jahrhundert, also noch vor der Gründung des heutigen Kairo, waren die Heilquellen von Heluahn bekannt, denn die beiden arabischen Geschichtsschreiber Elkendi und Makrisi aus jener Zeit erzählen, wie der damalige Herrscher Abdul-Asis die Stadt Fostat, das jetzige Alt-Kairo, wegen der dort ausgebrochenen Pest verlassen habe und mit seinem ganzen Hofstaat und seinen Truppen nach Heluahn übergesiedelt sei. Makrisi spricht speciell auch von den Heilquellen, die man dort entdeckt habe, und in jüngster Zeit hat man bei den Nachgrabungen noch Mauerreste gefunden, die unzweifelhaft aus jener Periode stammen. Später geriethen im Lauf der Jahrhunderte die Quellen ganz in Vergessenheit, und erst unter Mohamed-Ali, dem großen Regenerator Aegyptens, finden wir sie wieder erwähnt; man hatte dort eine Art von Bassin mitten in der Wüste gegraben und nothdürftig ausgemauert. Die an Hautkrankheiten und Rheumatismus leidenden Araber aus der Umgegend zogen dorthin, um zu baden, und campirten dabei unter Beduinenzelten. Auch die beiden Nachfolger des großen Vicekönigs interessirten sich nicht weiter dafür, und erst unter dem jetzigen Khedive und auch erst im Jahre 1871 wurde die Aufmerksamkeit wieder auf Heluahn gelenkt und diesmal in ernster und nachhaltiger Weise.
Das Hauptverdienst dabei gebührt unstreitig unserm deutschen Landsmanne, dem Dr. Reil, der als der eigentliche Schöpfer des Wüstenbades anzusehen ist. Dr. Reil, seit langen Jahren in Kairo ansässig, wo er sich als tüchtiger Arzt eine große Praxis gegründet hatte, unternahm im Jahre 1871 auf eigene Hand und in Verbindung mit einigen Freunden eine Expedition nach dem damals so gut wie ganz vergessenen Heluahn, um die Quellen zu untersuchen und sich in Person zu überzeugen, ob sich die Anlegung einer Badeanstalt dort verlohne. Der Erfolg übertraf alle Erwartungen: nicht allein, daß sich die vorhandenen Schwefelquellen als sehr reichhaltig und an einigen Patienten die Dr. Reil gleichfalls mitgenommen hatte, als sehr heilsam erwiesen, man fand auch noch verschiedene Salzquellen und machte schließlich die gewiß sehr merkwürdige Entdeckung, daß das ganze Plateau auf mehr als zwei Stunden im Umkreise von unterirdischem Schwefel- und Salzwasser getränkt war, oder, wie sich Dr. Reil sehr richtig ausdrückte, einem vollgesogenen Schwamme glich.
All dies genügte, um den Khedive für die Sache lebhaft zu interessiren und die nöthigen Unterstützungsgelder zur Errichtung der Bäder und übrigen Gebäude von ihm bewilligt zu erhalten, zumal die chemische Analyse, namentlich der Schwefelquellen, eine sehr günstige war und dieselben den berühmtesten Quellen Europas an die Seite stellte.
Schon im ersten Jahre war ein provisorisches Badehaus fertig, dem bald darauf ein großes massives Gebäude folgte, desgleichen eine vorläufige Herberge zur Aufnahme von Badegästen, die jetzt ebenfalls durch ein schönes, mit europäischem Comfort eingerichtetes Hôtel ersetzt worden ist. Auch ein besonderes Badehaus für den Khedive und die vicekönigliche Familie wurde gebaut: eine große Rotunde im arabischen Styl. Das Gebäude ist mit orientalischer Pracht ausgestattet; die einzelnen Badezimmer sind mit Marmor ausgelegt und die Kuppeln aus farbigen Gläsern zusammengesetzt. Die Mutter des Khedive nahm dort vor einigen Jahren mit großem Gefolge einen längeren Aufenthalt und sanctionirte dadurch gewissermaßen das Wüstenbad zum Gebrauche für die vornehme Welt.
Mit großer Liberalität verschenkte darauf der Khedive die umliegenden Bauplätze an Jeden, der ihn darum bat, unter der einzigen Bedingung, binnen Jahr und Tag dort ein Gebäude aufzuführen. Sogar das Material zu diesen Bauten durfte man sich aus den naheliegenden Steinbrüchen des Mokkatamgebirges (die schon im Alterthum die Steine zu den ungeheuren Pyramidenbauten geliefert hatten) umsonst holen. Auf diese Weise entstanden in wenigen Jahren eine Menge großer und kleiner Häuser und Villen, unter den letzteren manche in sehr geschmackvollem Stil, die zusammen jetzt schon einige Straßen bilden. Auch Gärten und Anlagen wurden geschaffen, indem man durch ein großes Dampfpumpenwerk das Wasser von dem über vier Kilometer entfernten Nil auf das Plateau leitete. Auch hier bewährte sich die alte Zauberkraft des Flusses: wohin immer, und wäre es die kahlste Wüste, seine befruchtenden Fluthen geleitet werden, verwandelt sich alsbald das Erdreich in culturfähigen Boden, der, wenn nur in der sorgfältigen Bewässerung nicht nachgelassen wird, den reichsten Ertrag liefert.
So war denn aus der ehemaligen nackten Sandwüste ein blühender Ort geworden, der sich mit jedem Jahr vergrößerte und immer mehr Fremde und Einheimische anzog, sowohl zum bloßen Aufenthalt in der reinen prächtigen Wüstenluft, wie auch zum Gebrauch der Bäder, deren Heilkraft gleichfalls einen immer größeren Ruf erlangte. Nur die schnelle und bequeme Verbindung fehlte noch, um Heluahn zu einer Vorstadt von Kairo zu machen, und jetzt, wo auch dies durch die neue Eisenbahn geschehen ist, wird das „Schwefelbad in der Wüste“ gewiß recht bald einen noch größeren und erfreulicheren Aufschwung nehmen.
Aus einem Salon in Rom. (Mit Abbildung S. 121) Das alte Wort, daß Könige und Künstler erst nach dem Tode die ihnen gebührende Anerkennung finden – das französische Original läßt noch ein hauptsächlich seines Fleisches wegen geschätztes vierfüßiges Thier theilnehmen – dieses Wort findet auf unsre modernen Musiker wenig Anwendung. Staunend hat's die Welt gesehen, wie dem Einen ungezählte Herzen und Cassenschränke entgegenflogen und zur Verfügung standen, wie er fürstliches Machtgebot zum Vollstrecker seiner Wünsche fand und wie er zuletzt, dank eiserner Willenskraft, als Erneuerer olympischer Spiele der Nation seine Bühnenfeste bot.
Unbestrittenere Verehrung noch, ja Anbetung fast wurde seinem Freunde, dem großen Virtuosen Liszt, zu Theil; wenn der Meister seine Memoiren schreiben wollte, sie würden sich lesen wie ein Märchen aus „Tausend und einer Nacht“. Zwar hat er schon seit geraumer Zeit seine europäischen Siegeszüge eingestellt und läßt sich öffentlich nur noch in den seltensten Fällen und zum Besten wohlthätiger Unternehmungen hören; nur wenige Bevorzugte dürfen noch hier und da seinem Spiele lauschen und die Tradition erhalten von der wunderbar dämonischen Gewalt des Meisters über die Töne, aber unverändert geblieben, ja gewachsen ist der Zauber seiner Persönlichkeit, seines halb mythisch werdenden Namens, wo er auch auftritt. Sind es ja gleichmäßig beide Factoren, denen er den Erfolg seiner ehren- und ruhmreichen Laufbahn verdankt und den bestrickenden, unbegrenzten Einfluß auf Alle, die mit ihm in Berührung gekommen: seine Kunst und die bezaubernde Liebenswürdigkeit seines Wesens.
Alljährlich sieht Rom Franz Liszt als Gast in seinen Mauern. Während der berühmte Meister den Sommer in seiner ungarischen Heimath verbringt, widmet er der ewigen Stadt den Winter oder wenigstens einen Theil desselben, denn mit Vorliebe verweilt er in der ländlichen Zurückgezogenheit der Villa d'Este in Tivoli als Gast des seit dem Concil in Deutschland lebenden Cardinals Hohenlohe. Doch erscheint er auch oft als vielumworbener und gefeierter Stern in der römischen Gesellschaft.
Es war in einem Gesandtschaftshotel, bei einer jener Soiréen, die alle Schichten der Gesellschaft vereinigen, „vom Fürsten bis herab zum Künstler“, daß ich ihn zuerst sah. Er erschien spät am Abend mit großem Gefolge, und es war ein eigenthümlicher Anblick, wie sich der Zug durch die modernste Gesellschaft hindurchbewegte: der Maestro selbst mit dem Löwenkopfe, dem mächtigen Auge, in dem schwarzen halbgeistlichen Gewande; es folgten perlen- und diamantenstrahlende Damen, hocharistokratische Freundinnen und Verehrerinnen des Meisters, und zuletzt Schüler und Schülerinnen in theilweise phantastischer Erscheinungsform und Tracht. Das Ganze war ein Bild, würdig unsres Menzel's, und das nur von seinem geistsprühenden Pinsel wiedergegeben werden könnte; die Phantasie suchte nach einem Vergleichungspuukt und wurde unwillkürlich an einen Triumphzug des indischen Bacchus erinnert. Ebenso interessant und reizvoll war die Scene beim Aufbruch. Die ganze Gesellschaft hatte sich zusammengedrängt, und der Gefeierte, von einem seiner Schüler begleitet, mußte die Front des „versammelten Kriegsvolkes“ abschreiten, nicht anders als ein gekröntes Haupt. Aller Augen folgten den beiden Gestalten, wie sie die Flucht der glänzenden Räume durchschritten, und erst nach ihrem Verschwinden wandte sich die Aufmerksamkeit Anderem zu.
Rom.
Noch einmal das Abrichten der Vögel. „In Nr. 52 vorigen Jahres Ihres geschätzten Blattes,“ schreibt man uns, „finde ich einen Artikel über das Abrichten der Vögel, in welchem der Verfasser seinen Zweifel darüber ausspricht, ob es möglich sei, den Vögeln das Apportiren beizubringen, und erklärt, daß ihm kein Beispiel bekannt sei. Gestatten Sie mir, Ihnen ein solches mitzutheilen! – Im Parke des herzoglichen Schlosses Callenberg bei Coburg befindet sich eine Fasanerie und in derselben ein hofartig abgerundeter Raum, in welchem in verschiedenen Behältern einige Thiere, meistens Raubvögel, gehalten werden. Unter letztern zeichnet sich ein Adler aus, den der Herzog vor etwa fünfzehn Jahren, wenn ich nicht irre, aus Tirol mitbrachte und der sich seit jener Zeit unter der speciellen Pflege des Herrn Fasanenmeisters C... befunden hat, dessen besondere Zuneigung er mit seinem Nachbar, einem Storche, theilt. Im Laufe der Zeit hat der Herr Fasanenmeister seinen Pflegebefohlenen allerlei kleine Kunststücke beigebracht, zu welchen beim Adler auch das Apportiren gehört. Wenn ihm sein Herr ein Stückchen Holz oder sonst einen Gegenstand hinwirft, steigt er auf Befehl von seinem Sitze herab und bringt das Verlangte im Schnabel zu seines Meisters Füßen; von Dritten aber läßt er sich unter keiner Bedingung seine Beute abnehmen und vertheidigt dieselbe tapfer mit seinen Fängen. Der Storch klappert auf Wunsch und spielt dabei mit seinem gravitätischen Ernste eine gar komische Figur.
Ein anderes Beispiel der Zähmung von Vögeln ist mir bekannt, das vielleicht einzig in seiner Art ist. Hier war es ein Wasserhuhn. Eine Dame meiner Bekanntschaft gelangte vor einigen Jahren in den Besitz des damals noch jungen Thieres und zog dasselbe mit vieler Mühe auf. Bald entwickelte sich zwischen Beiden ein intimes Verhältniß, und der Vogel folgte seiner Herrin erst im Hause und dann auch im Freien auf Schritt und Tritt. Bei Ausgängen flog er eine kleine Strecke voraus, ließ sich nieder und wartete auf ihr Herankommen oder nahm auch wohl seinen Platz auf ihrer Schulter; erst vor ganz kurzer Zeit wurde er von einem Hunde gewürgt und schmückt jetzt, zierlich ausgestopft, ihr Boudoir.
Eine andere Dame besaß vor Jahren einen Zeisig, ein Geschenk von Alexander von Humboldt, der seine vollständige Freiheit genoß und an schönen Tagen aus dem offenen Fenster in den Garten flog, von wo er stets, manchmal allerdings nach mehrtägiger Abwesenheit, zurückkam. Im Zimmer pflegte er sich gewöhnlich auf den Rand eines altväterischen hölzernen Tintenfasses zu setzen, und dasselbe sollte auch sein Grab werden; eines Tages wurde er todt darin aufgefunden.“
Abermals entlarvter Spirtistenschwindel. Aus England wird berichtet, daß William Lawrence, bekanntlich ein großes Licht unter den Spiritisten, wegen unerlaubten Gelderwerbes zu drei Monaten Gefängniß verurteilt worden. Er hatte behauptet, Geister erscheinen lassen zu können, war aber selbst als „Geist“ gefaßt worden. Wenn das den Großen passirt, was soll man da von den Kleinen erwarten!
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_124.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)