Verschiedene: Die Gartenlaube (1877) | |
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In der westfälischen Grafschaft Mark bei Haspe führt von der Ennepe eine schattige Straße an industriellen Anlagen vorbei durch eine Thalsenkung hinauf zur Höhe, auf der das Haus und Gut Harkorten liegt. Das Haus ist merkwürdig durch sein Alterthum und durch seine gesunde herrliche Lage mit überraschender Aussicht. Aber nicht diese Lockungen für einen Touristen führten mich hinauf, sondern ein tieferes innigeres Interesse; die Pietät und Verehrung für einen der verdienstvollsten Männer Westphalens leiteten meine Schritte. Ich wollte die Stätte sehen, aus der Friedrich Wilhelm Harkort, Hauptmann außer Diensten, am 22. Februar 1793 als einer der sechs wackren Söhne Johann Caspar Harkort’s das Licht der Welt erblickte. Die Nr. 2 der „Gartenlaube“ von 1870 brachte das gelungene Portrait dieses „alten Fritz in Westphalen“ mit dem trefflichen Charakterbilde aus der schwungvollen Feder des Dichters Emil Rittershaus.
Harkorten, seit etwa drei Jahrhunderten die Wiege und der Sitz der Familie Harkort, liegt prächtig da oben; der Blick beherrscht die Höhen diesseits und jenseits des Ennepethales und ruht auf den abwechselnden Bildern von Tannenwald, Buchen und Eichen, Feldern und Wiesengrün. Quellwässer rieseln von verschiedenen Seiten durch Wiesen und Gärten und bilden Fischteiche in mehreren Etagen das waldige Thal hinunter bis zur Ennepe. Dort rechts vom Stammhause, an einem Fischteiche und Obstgarten staunt der Wandrer über die ehrwürdige Eiche, deren Stamm sechsundzwanzig Fuß im Umfange hat und die, knorrig, fest und zäh, wohl über fünfhundert Jahre den Stürmen der Zeit getrotzt hat.
Es ist ein ausgedehnter Besitz, den die Meisterhand der Natur so mannigfaltig gestaltet hat. Alles erscheint hier so ursprünglich, so naturwüchsig. – Die Gebäude der Familie bilden ein Conglomerat aus den letzten Jahrhunderten. Da steht eine Scheune aus dem sechszehnten Jahrhundert mit dem Namen des Erbauers, Heinrich Harkort, ein Haus vom Jahre 1686 und ein anderes großes Haus von 1705, in dem Joh. Casp. Harkort, der älteste zweiundneunzigjährige Bruder von Fritz Harkort, lebt.
Das Stammhaus, welches obiges Bild darstellt, wurde 1756 erbaut. Eine breite steinerne Treppe führt zur Hausthür und in einem großen Hausflur, an den sich rechts und links die geräumigen Zimmer anschließen. Bemerkenswerth ist die kräftige, schöne Arbeit in Eichenholz an den großen Flügelthüren, Wandbekleidungen, zahlreichen Schränken und Treppen. Um den breiten Kamin im oberen Stocke sind die Geschäftsbücher von circa zweihundert Jahren aufgestellt. In einem der Wohnzimmer sah ich die Oelgemälde von Fr. Harkort’s Mutter geb. Elbers, von seinem ältesten Bruder und dessen Frau, deren Sohn, auch Joh.
Caspar genannt, mit seiner Familie dieses Haus bewohnt. Derselbe
Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_113.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)