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Seite:Die Gartenlaube (1877) 084.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


wechseln hier etwa von 7,50 bis 75 Mark für den einzelnen Vogel. Im Allgemeinen stehen sie durchschnittlich auf 15 bis 30 Mark für das junge Hähnchen von guter Harzer Race und einem bewährten Stamme. Diese Stämme sind aber in Andreasberg und an andern Orten des Harzes, sowie in ihrer Verpflanzung durch unser ganzes deutsches Vaterland, noch recht zahlreich, und wenn nur die Behandlung derselben naturgemäß und verständnißvoll geregelt wird, so ist der Harzer Canarienvogel noch keineswegs im Rückgange begriffen.

Wenn ein Liebhaber des herrlichsten Gesanges einen einzelnen Harzer Vogel sich anschaffen will, so kaufe er nur bei einem gewissenhaften Händler oder Züchter ein und lasse sich auf Wort und Glauben die bisherige Verpflegungs- und Behandlungsweise mittheilen, um ihn anfangs ganz genau so zu versorgen und dann erst allmählich an eine etwa gewünschte andre Haltung zu gewöhnen.

Möchte die obige Darstellung dazu beitragen dieses liebliche und kostbare Gut und diese beachtenswerthe Einnahmequelle dem deutschen Volke zu erhalten.

E. K.




Parlamentarische Photographien aus Versailles.
Von Julius Walter.
2. Der rothe Prinz.


Die auffallende Aehnlichkeit des Prinzen Napoleon mit dem großen Kaiser ist bekannt, und der Prinz thut sich nicht wenig zu gute darauf, obgleich diese Aehnlichkeit in Anbetracht seiner militärischen Tugenden, welche von den Franzosen aller Farben, wie man weiß, sehr gering geschätzt werden, zu Vergleichen herausfordert, die für den Prinzen niemals schmeichelhaft waren. Was hilft da das ausgezeichnete Leumundzeugniß, das ihm der Marschall Saint-ArnaUd in seinem Bericht über die Schlacht an der Alma ausstellte?

Diese Aehnlichkeit beschränkt sich aber auf den Kopf. Das ist die Stirne, das Lächeln, der Blick, die Frisur, der gelblich wächserne Teint des großen Kaisers, wie wir sie auf den besten seiner Portraits sehen, dagegen übertrifft ihn der Prinz an Länge, an Schulterbreite und Corpulenz. Er mißt etwa sechs Fuß, aber es fehlt der mächtigen Gestalt die Energie, der feste Grat. Sein Gang ist langsam, ja leicht schleppend; er trägt den Kopf gern auf die linke Seite geneigt und die weißen fleischigen Hände auf dem Rücken. Man braucht den Prinzen nur mit der weißen Toga zu umgürten, und sofort glaubt man sich in jene späte Kaiserzeit versetzt, wo aller Geist und alles Laster in Rom zusammengedrängt waren. Man thue die Krone hinzu, und ein Caligula steht fix und fertig da.

Philosophischer Gleichmuth und zügellose Sinnlichkeit, feiner Epicuräismus und lächerlichste Eitelkeit vereinigen sich in dem Prinzen. Demokratisch von Gesinnung, ist er tyrannisch im Gebieten; lässig bis zur vollsten Apathie, ist er auffahrend bis zur rohesten Brutalität, besonders Frauen gegenüber; er ist ein Verschwender und doch wieder ein Knicker, Einer, der oft mit weitem Blicke mißt und in den gewöhnlichsten Dingen wieder nicht um die Ecke schaut, halb Idealist halb Cyniker.

Er ist in allen Sätteln beritten, und doch sitzt er in keinem fest; sein Wissen geht mehr in die Breite, als in die Tiefe, aber er versteht es wie kein Zweiter mit goldenen Löffeln überall die Fettaugen abzuschöpfen und sich das Wissenswertheste von dem Erlesensten mundgerecht serviren zu lassen. Der Prinz ist ein feiner geistreicher Plauderer, der ebenso elegant das Silberglöcklein der übermüthigen Narrethei zu läuten weiß wie seine politisch-literarischer Ansichten oft mit zwingender Logik vorzutragen. Das rechte Wort ist ihm stets zu Diensten, und die Rede fließt ihm glatt von den Lippen; seine Redeweise unterscheidet sich übrigens in bester Weise von der stets theatralischen Manier der Franzosen; alles Pathos ist ihm fremd, und auch auf der Tribüne – die Hände meist in den Taschen – spricht er leicht, glatt im plaudernden Gesellschafstone, wie am Kamine seines Hôtels, aber man weiß niemals, ob der Prinz selbst glaubt, was er glauben machen will. Der Prinz genießt überhaupt sehr viel Mißtrauen und sehr wenig Achtung.[1]

Prinz Napoleon Josef Karl Paul Bonaparte ist als der zweite Sohn des weiland König „Alleweil Lustig“ und der Prinzessin Sophie Dorothea Friederike Katharina, Tochter des Königs von Württemberg, am 9. September 1822 in Triest geboren. Der Kaiser war seiner Schwägerin für ihr edles muthiges Benehmen in wärmster Liebe zugeneigt, und noch in St. Helena sagte er bewundernd von ihr: „Sie hat sich mit eigener Hand unauslöschlich in's Buch der Geschichte eingetragen. Prinz Napoleon's älterer Bruder starb 1846; seine Schwester ist die Prinzessin Mathilde, welche von ihrem Gatten dem Fürsten Demidoff, geschieden lebte. In Rom, wo der größte Theil der Familie Bonaparte sich zusammenfand, brachte der Prinz seine erste Jugend zu, bis er 1831 in Folge des Aufstandes in der Romagna den Kirchenstaat verlassen mußte. Als er das dreizehnte Jahr erreicht hatte, sandte ihn sein Vater nach kurzem Aufenthalte in Florenz und Genf in die Militärschule von Ludwigsburg (Württemberg), wo er bis zu seinem achtzehnten Jahre verblieb (1840). Der unter Thiers’ Ministerschaft drohende Krieg führte ihn wieder fort, und nun ging er auf Reisen: nach Oesterreich, Deutschland, England und Spanien, wo er während Espartero’s Herrschaft einen langen Aufenthalt nahm.

Nach wiederholten vergeblichen Versuchen, Frankreich betreten zu dürfen, ward ihm endlich 1845 von Louis Philipp die Erlaubniß dazu auf die Dauer von vier Monaten zu Theil. Er kam nach Paris und fand sich sofort von den bedeutendster Persönlichkeiten, von den Führern der am weitesten fortgeschrittenen Parteien umringt, bis er eines Morgens den strammen Befehl erhielt, binnen acht Tagen Frankreich zu verlassen. Nachdem wiederholte Versuche zurückzukehren vergeblich geblieben, wandte sich sein Vater Jerôme 1846 endlich an die Kammer. Im Luxembourg in der Pairskammer, in der so Viele saßen, die dem Kaiser Alles zu verdanken hatten, wurde die Petition zurückgewiesen, trotz der warmen Worte, mit welchen sie der jüngste, aber wortgewaltigste Pair befürwortete. „Es ist ein Greis, ein früherer König, der nur einen Wunsch kannte, für Frankreich zu sterben, und nur noch eine Sehnsucht hegt, in Frankreich zu sterben, rief in flammender Rede vergeblich Victor Hugo. Aber die Deputirtenkammer unterstützte das Gesuch und setzte es durch, daß Jerôme und seinem Sohne provisorisch die Rückkehr nach Frankreich gestattet wurde.

Wenige Monate später wird der Thron Louis Philipp's gestürzt. Der Prinz Napoleon eilt auf's Stadthaus und bietet seine Dienste an, die man natürlich ablehnt. Aber er candidirt in Corsica, im Stammlande der Napoleoniden. „Seit meiner Kindheit hatte ich die Ueberzeugung,“ ruft er in seiner Candidatenrede, „daß die Republik die passendste Staatsform für Frankreich ist. Heute ist dieses große Princip, welches ich von jeher ersehnte, zur Wahrheit geworden. Außerhalb der Republik sehe ich nur Anarchie, Bürgerkrieg und Rückkehr und Verfall in die Fehler und Verbrechen der Bourbonen.“ Dann sagte er, sich auf den großen Onkel berufend: „Indem ich mich für die Republik begeistere und mich ihr unterwerfe, folge ich dem großen Kaiser, der auf dem Felsen von St. Helena, an den ihn der Haß der Könige geschmiedet hatte, mit Sehermunde voraussagte: ‚In fünfzig Jahren ist Europa republikanisch oder kosakisch.‘ Dank dem Herrn und Frankreich ist es die Republik, die triumphirt. …“

Corsica sandte ihn in die constituirende Versammlung.

Der Prinz saß im Centrum unter den gemäßigten Republikanern, stimmte aber mit der Rechten für das Zweikammersystem, für die Präsidentschaft, für die römische Expedition, für die Beibehaltung der Todesstrafe und gegen die Verbannung der Orleans. Später geht er unter die demokratische Opposition, und in der Legislative stimmt er mit der Linken bis 1851. Von

  1. Von einer der hervorragendsten deutschen literarischen Capacitäten wurde uns übrigens versichert, daß der Prinz Napoleon ein durchaus wissenschaftlich gebildeter Mann ist und daß seine so oft beschrieene Muthlosigkeit sich der Hauptsache nach auf die Erfindungen seiner erbitterten Feindin, der Kaiserin Eugenie, zurückführen läßt.
    D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_084.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)