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Seite:Die Gartenlaube (1877) 076.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877)


erst hier, brachte ich die meiste Zeit im Kloster Santa C. mit Schreiben zu und habe daher noch wenig von Rom gesehen.“

„Nun dann benutzen Sie die Gelegenheit! Pio Nono kommt mit den Eminenzen gleich vorüber, keine drei Schritte von hier. Wir haben diesen Morgen den Befehl erhalten, bei seinem Vorüberfahren hier zu stehen und seinen Segen zu empfangen.“

„Mit Vergnügen will ich einer der Ihrigen sein,“ war meine Antwort.

Kaum standen die sieben Priester und ich in Reih' und Glied vor dem Portale der Kirche, als schon ein Vorreiter Seiner Heiligkeit die Straße herauf kam. Alles an ihm war überaus reich; er ritt ein herrliches Thier, das, indem es dahintänzelte, sich der Wichtigkeit seiner Mission, als Vorläufer des heiligen Vaters zu dienen, bewußt zu sein schien. Einen Moment später – und die sieben „Abbés“ lagen auf den Knieen. Ich folgte instinctmäßig ihrem Beispiele. Auf circa dreißig Schritte Entfernung rollte die „Equipage“ des Papstes, die soeben um eine Straßenecke gebogen, auf uns zu. Acht wunderschöne Schimmel zogen die über und über in Gold strahlende, mit blitzenden Spiegelfenstern versehene Carosse des „Nachfolgers Petri“.

Die Pracht des achtspännigen Wagens erinnerte mich lebhaft an jenen Tag in Paris, wo Napoleon der Dritte, der Held von Boulogne, von Straßburg und Sedan, achtspännig über die „Place Notre Dame“ fuhr, an jenen Tag, wo der Stellvertreter unseres Pius des Neunten, der Cardinal Patrizzi, den Erben Frankreichs in Gegenwart der Würdenträger des Reiches und des Auslandes taufte. Das päpstliche Gespann übertraf jedoch an Pracht weit das des französischen Kaisers. Diese acht Pferde, die schönsten in Italien, wie man mir versicherte, heißen in der Sprache des Vaticans „Cavalli Pontificii“. Seine Heiligkeit segnet sie selbst mit einem ganz speciellen Segen. Wo bei anderm Pferdegeschirr Eisen oder Stahl, war nichts als Gold bei diesen päpstlichen Pferden zu sehen. Gold glänzte am Zaum, flimmerte unterm weißen Schaum am Gebiß, strahlte an der Brust, schimmerte an der flatternden Mähne, leuchtete auf am Bauche, glitzerte an den Seiten, blitzte auf dem Rücken – Gold und überall Gold. Vier Postillone, gleichfalls in goldstrotzenden Livreen, leiteten das Gespann. Es war für Einen, der an solchen Dingen Gefallen findet, wirklich eine Augenweide, diesen goldenen Triumphwagen fast geräuschlos vorüberfahren zu sehen.

Wie mir in Rom gesagt wurde, hat dieses Fuhrwerk allein die Kleinigkeit von einer halben Million gekostet. Was Kunst und Geld aus einem Wagen machen können, das war der Wagen des Pio Nono. Das Innere, das ich nur flüchtig erblickte, war mit den herrlichsten Seidenstoffen gefüttert. Drei mit goldenen Tressen förmlich überladene Lakaien saßen vorn und fünf andere hinten auf. Inmitten all dieser märchenhaften Pracht saß, wie ein Prinz aus „Tausend und eine Nacht“, wie ein wiedererstandener Darius oder römischer Imperator, in weißen Kleidern, mit weißer „Calotte“ auf dem Haupte – der Nachfolger des Fischers am See Tiberias.. Zu seiner Linken bemerkte ich einen Cardinal – Antonelli, wie der Abbé mir zuflüsterte. –

Ein unaussprechliches Lächeln schwebte auf den Lippen des heiligen Vaters, wie er so, in die seidenen Polster zurückgelehnt, durch das auf den Knieen liegende Volk und der Porta Pia della Via del Quirinale zurollte. Damals schien mir's ein väterliches Lächeln zu sein, heute freilich hat es für mich eine ganz andere Bedeutung. Das Lächeln eines Bauern, der seine prächtigen Schafe musterte, hat mich jüngst daran erinnert. Der Mann lächelte so für sich hin, halb selig, halb habgierig – und ich dachte an Pio Nono und sein unaussprechliches Lächeln und an jenen Tag in Rom.

Einige Schritte hinter dem päpstlichen Wagen fuhren die Eminenzen in ihren Kutschen. Jede wurde nur von vier silbergeschirrten Rappen gezogen. Statt vier nur zwei goldbetreßte Postillone, und auf den Wagen vorn nur zwei und hinten drei Bediente. Wie bescheiden doch die Eminenzen sind! Bei dem Vorüberfahren so vieler Wagen vernahm man sonderbarer Weise fast kein Geräusch. Das kam daher, weil für diese Morgenspazierfahrt die Straße dicht mit feinem Sande bestreut wurde, auf eine Breite von drei Meter und eine Länge von acht Kilometer, vom Vatican an bis drei Kilometer über die Porta Pia della Via del Quirinale hinaus, und das alles, damit seine Heiligkeit nebst den büßenden Eminenzen, sanft in den seidenen Kissen gewiegt und ohne ihre Füße oder vielmehr die Räder ihrer Wagen an einen Stein zu stoßen, ihre Morgenpromenade halten könnten. Man berechne nun, wie viel vierundzwanzigtausend Quadratmeter Sand zu streuen kostet, wie viel Arbeiter und Fuhrwerke dazu erforderlich sind – und das alles für eine kleine Morgenpromenade – und man wird sich nicht mehr fragen, wo der Peterspfennig hinkommt.

Als der letzte Wagen hinter einer Staubwolke verschwunden war, da sagte mir der „Abbé“: „Sehen Sie, Révérend Père, das ist der Stellvertreter dessen, der nicht hatte, wohin er sein Haupt legen sollte.“ Ich schaute betroffen den Priester an und bebte zurück vor der Wuth, die sein sonst schönes Gesicht entstellte.

„Wie können Sie von ihm sich segnen lassen,“ fragte ich scheu, „wenn Sie solche Gedanken im Herzen haben?“

„Sie sind Ausländer und kennen die Verhältnisse hier noch nicht; Sie haben deshalb keine Ahnung von Allem, was hier vorgeht. Bemerkten Sie die päpstlichen Lakaien? Es sind deren hundertsiebenundachtzig.“

„Es fiel mir in der That auf, daß sie musternd und etwas frech um sich schauten.“

„Das sind die Spione des Vaticans. Wenn sie statt sieben nur sechs von uns Priestern hier hätten knieen sehen, so wäre morgen schon ein Bote des Papstes hierher gekommen, um sich nach der Abwesenheit des siebenten zu erkundigen. Wehe ihm, wenn nicht Krankheit ihn zurückgehalten, oder er nicht an das Bett eines Sterbenden gerufen worden wäre! Absetzung und Pönitenz in irgend einem Kloster wäre sein gewisses Loos gewesen. Ich könnte Ihnen Beispiele erzählen. Glauben Sie mir, nur die bitterste Noth beugt unsere Kniee vor unserm Despoten!“

Ich wußte schon Manches von Solèsmes her, was man sich im Kloster vertrauensvoll zuflüsterte, ich glaubte aber nicht, daß es in Italien beim untern Klerus bereits so weit gekommen wäre.

Gegen 1870, als König Victor Emanuel die hundertneununddreißigtausend päpstlichen Wahlmänner aufforderte, zwischen ihm und Pius dem Neunten als König von Rom zu wählen, befanden sich dreißigtausend Priester und Mönche in den päpstlichen Staaten; zehntausend davon kamen allein auf Rom, und alle waren Wahlmänner. Wie viel Stimmen erhielt Pius der Neunte? Tausendfünfhundert und Victor Emanuel hundertdreiunddreißigtausendneunhundert. Fünfzehnhundert Stimmen auf dreißigtausend Priester: das ist ein Zwanzigstel, und darunter waren die tausendsiebenundneunzig goldbetreßten, kurze Hosen und seidene Strümpfe tragenden Bedienten des Vaticans. Sie wußten wohl, warum sie für Pius den Neunten stimmten; ein gut Theil des Peterspfennigs floß ja in die langen Taschen ihrer kurzen Hosen. Bei dem Resultate dieser Wahl werden sie wohl schwerlich so befriedigt gelächelt haben, wie an dem erwähnten Tage Pio Nono in seiner goldenen Kutsche oder jener Bauer an seiner Stallthür, der Eine über seine Lämmer, der Andere über seine Schafe.

Pierre des Pilliers.




Eine Ausstellung von Fälschungen tierischer und pflanzlicher Nahrungsmittel. In den ersten drei Tagen des kommenden Februars wird in Berlin eine Kochkunstausstellung stattfinden, die vom deutschen Gastwirthverbande veranstaltet worden ist. Nach dem Programm wird die Tendenz der Ausstellung vorzugsweise die sein: „ein Bild über den gegenwärtigen Stand der Kochkunst überhaupt und besonders der deutschen Küche und Conditorei darzubieten.“ Ferner soll ein Ueberblick geboten werden über die chemischen, diätetischen und sanitätlichen Hülfsmtttel einer vernunftgemäßen Volksernährung, sowie über die Behandlung dieser Materien in der wissenschaftlichen und populären Literatur. Schließlich werden auch die Fortschritte der Technik derjenigen Industriezweige Berücksichtigung finden, die in naher Beziehung zur Kochkunst, zur Küche und zur Gastwirthschaft stehen.

Die Ausstellung von Surrogaten der Nahrungsmittel und von Hülfsmitteln der Kochkunst ist nur unter der Bedingung gestattet, daß es solche sind, welche unter ihrem wahren Namen in den Handel gebracht werden.

Mit der im Vorstehenden erwähnten Ausstellung, die vorzüglich culinarischen Zwecken dient, und der auch im Hinblick auf das angestrebte Ziel einer rationellen Volksernährung eine große Bedeutung beizulegen ist, wird eine andere verbunden, die ebenfalls ein besonderes und allgemeines Interesse in Anspruch nehmen dürfte. Dr. Bernhard Heßlein, der Dirigent der diätetisch-sanitärischen Abtheilung, theilte mir mit, daß der Minister Dr. Friedenthal die Direction des landwirthschaftlichen Museums ermächtigt habe, sich an der Ausstellung mit Präparaten und Darstellungen von Krankheiten und Fälschungen thierischer und pflanzlicher Nahrungsstoffe zu betheiligen.

Ich halte diesen Schritt für sehr verdienstlich und bedeutungsvoll und möchte im Interesse des Gemeinwohls wünschen, daß vorzugsweise die Schaustellung gefälschter Nahrungsmittel in der umfassendsten und eingehendsten Weise veranstaltet würde. Hierdurch könnte dem Publicum ein Bild dargeboten werden, das freilich nicht so angenehm berühren und keinen so erfreulichen Anblick wie die Ausstellung von Kochkunstgegenständen gewähren würde, aber ein derartiger Einblick in das verwerfliche Treiben jener Gattung von Menschen, die es sich zur Aufgabe macht, die unentbehrlichsten Nahrungsmittel aus schnöder Gewinnsucht in der schamlosesten Weise zu fälschen, würde eine wünschenswerthe, ja man kann sagen eine nothwendige Aufklärung und Belehrung auf diesem Gebiete verbreiten.

Ich will nur an die Mehlfälschungsprocesse erinnern, die sich laut Zeitungsberichten vor gar nicht langer Zeit in Cleve und in letzter Zeit in Wiesbaden vor den Schranken des Gerichts abgespielt haben. In Cleve wurde der eine Chef der Firma Bauder und Compagnie aus St. Tönis, Namens Scherer, überführt, Mehl mit Gyps und ähnlichen Stoffen verfälscht zu haben, und in Wiesbaden verurtheilte man den Mühlenbesitzer D. aus Weißkirchen wegen Vermischung seines Mehls mit Schwerspath. In beiden Fällen ereilte die Schuldigen eine bedeutende und wohlverdiente Geldstrafe.

Wir sehen hieraus, wie nothwendig es ist, mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln darnach zu streben, das Publicum über alle Arten von Nahrungsverfälschungen aufzuklären.

Es ist ein umfangreiches Gebiet und das Feld der Thätigkeit ein schwieriges und großes, das nur durch die vereinten Kräfte sämmtlicher deutscher Sachverständiger und durch eine thatkräftige Unterstützung derselben von Seiten der Behörden in nutzbringender und erschöpfender Weise bearbeitet werden kann.

Dr. Julius Erdmann.




Der Geheimmittel-Schwindel ist endlich der Beachtung des Bundesrathes durch eine Eingabe des deutschen Apothekervereins empfohlen worden. Die Anträge des letztern stellen fast dieselben Punkte auf, über die wir in Nr. 48 der „Gartenlaube“ vom vorigen Jahre berichtet haben, daß sie im Schweizer-Canton Luzern gesetzlich bestehen. Ein gutes Gesetz und kräftige Ausführung desselben könnten auf diesem Gebiete sehr vielem Betruge und mancher Thorheit ein Ende machen.




Zur Nachricht. Gegenüber den mehrfachen Anfragen wegen verspätet eingegangener Nummern unseres Blattes die Mittheilung, daß sowohl durch die gehäuften Arbeiten des Jahreswechsels, wie durch einen unvorhergesehenen Unfall in unserer Druckerei die Ausgabe der letzten Nummern der „Gartenlaube“ leider etwas verzögert wurde. Von nun ab wird indessen die Expedition voraussichtlich wieder ihren gewohnten regelmäßigen Gang gehen.

Die Verlagshandlung.

Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1877). Leipzig: Ernst Keil, 1877, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1877)_076.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)