Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1876) 588.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


alten Fechtmeisters; ob es ihm selbst jemals gelungen, seinen Gegner auf solche Art in den Sack zu bringen, verschweigt er bescheiden.

Eine weitere Fechterwaffe war die Stange und Hellebarde. Erstere diente lediglich zum Stoß und zu kunstvoller Parade, war also unschädlicher, als die wuchtige Hellebarde, welche zwar gleich der Stange geführt wurde, durch ihre Eisenbarde aber gefährliche Wunden verursachen konnte und auch wohl verursacht haben mag. Mit dem Haken, welcher sich auf der entgegengesetzten Seite der Barde befand, den Gegner beim Fuß zu ergreifen und niederzureißen, war eines der Hauptstücke bei dieser Fechtweise.

Gefochten wurde stets barhäuptig, sehr oft mit abgelegten Oberkleidern; die einzige Schutzwehr war die Waffe selbst, und unzählige Kniffe und Pfiffe finden wir in den alten Fechtbüchern zum Angriff, zur Auslage und Abwehr angegeben. „Alber“, „Ochs“, „Tag“ und „Pflug“ heißen seltsamer Weise die verschiedenen Auslagen (Leger). Von Hieben nennen wir den Ober- und Unter-, den Mittel- und Flügelhau. Für besonders subtil galten der Zorn- und Krummhau, sowie der Zwerg- und Scheitelhau. Eine Hauptparade beim langen Schwert, der imposanten Stellung halber vielfach als Titelvignette abgebildet, war die sogenannte „Krone“.


Fechten mit dem Langschwert.
Aus Joachim Meyer’s Fechtbuch von 1570 facsimile nachgebildet.


Sie diente zum Pariren des Scheitelhiebes und entstand, indem der Fechter das Schwert bei Klinge und Griff wagerecht über den Scheitel erhob und so den gefährlichen Hieb auffing.

Die Nürnberger Fechtschulen wurden unter freiem Himmel in einem von hölzernen Galerien umzogenen Hofe abgehalten. Der „Heilsbronner Hof“, auf dessen Stelle die königliche Bank hingebaut wurde, sowie das Gasthaus zum „güldenen Stern“, dicht am neuen Thore gelegen, dienten bis 1628 zu diesen Spielen. Da sich aber das Bedürfniß zu einem besonderen Fechthause, welches zugleich Bären- und Ochsenhetzen, sowie die Aufführung von allerhand Komödien zuließ, geltend machte, so ließ der Nürnberger Rath um das Jahr 1628 auf der Insel Schütt ein besonderes Fechthaus errichten, welches denn auch so lange zu Fechtschule, Bärenhatzen etc. benutzt wurde, bis ein verfeinerter Geschmack die Darstellungen guter Schauspielertruppen, beispielsweise der berühmten Veltheimischen, diesen blutigen Actionen vorzog und letztere so allmählich in Vergessenheit brachte.

Es erübrigt uns noch, das Abhalten einer Nürnberger Fechtschule nach vor uns liegenden Quellen zu beschreiben, und wenn auf der einen Seite heutigen Tages auch nur der Rohe und Ungebildete an den blutigen Kraftstücken der wackeren Handwerksgesellen Gefallen finden dürfte, so wird andererseits doch auch der feiner Geartete sich höchlichst ergötzen können an der ungeschminkten, derben Lust des Volkes, vor Allem aber an dem bunten Bilde, welches die stolze Reichsstadt in ihrer pittoresken Bauart sowohl, wie in dem farbigen Gepränge der Aufzüge und dem bunten Wechsel der Trachten geboten haben mag.

Es ist Sonntag. Der Fechtmeister (Schulhalter) hat vom Rathe die Erlaubniß zur Abhaltung einer Fechtschule erhalten und schon einige Tage vorher durch Anschlagzettel Ort und Zeit der Schule verkünden lassen. Zugleich ladet er durch den Zettel alle guten Gesellen, wie ehrliebenden Meister des langen Schwertes ein, mit ihm einen Gang zu thun, „truck oder naß“ (blutig), dabei des Schwertes nit zu schonen, sondern ihn zu treffen zu suchen „zwischen den Ohren, wo das Haar am dicksten steht“.

Vom großen Marktplatze aus, wo sich die Gegner – Marxbrüder und Federfechter – einträchtiglich versammelt haben, geht, unter Vorantragung des großen Prunkschwertes, an dem die den Siegern bestimmten Kränze hängen, der Zug zum Hofe des „güldenen Sterns“ hinauf. Ein freundlicher Junitag lacht auf die bunte Menge in den Straßen, auf die blonden Mädchenköpfe herab, welche neugierig und kichernd aus den Erkern der Häuser (in Nürnberg „Chörlein“ genannt) in das lustige Getümmel hinabschauen. Unter Trommel- und Pfeifenschall ziehen die Fechter in den mit Sand bestreuten Hof des „güldenen Sterns“ ein und theilen sich alsbald nach ihren Bruderschaften in zwei Parteien. Die Galerien ringsum sind dicht mit Schaulustigen aller Stände besetzt und auf besonderen Plätzen sehen wir Abgeordnete des Rathes, welche über strenge Handhabung der Fechtordnung zu wachen haben.

An beiden Enden des Platzes liegen Langschwerter und Dussaken, Rappiere, Stangen und Hellebarden in buntem Haufen durcheinander. Sie sind Eigenthum der einzelnen Bruderschaften, und jeder Fechter greift, sobald er den angebotenen Gang annimmt, seine Waffe heraus.

Abermaliger Trommel- und Pfeifenklang verkündet den Beginn des Spiels, und mit mächtigem Sprunge erscheint der Fechtmeister alsbald auf dem Plane. Er weiß, was er seinem Amte, seiner Würde schuldig ist. Mit gespreizten Beinen, das Haupt anmuthig hin- und herwiegend, umschreitet er den Fechtplatz und kehrt dann mit hohen „Fechtersprüngen“ auf den ersten Standort zurück. Allerlei artige Männchen, als Wiegen in den Hüften, Armschwingen, tänzelnder Schritt etc., begleiten diese Evolutionen, und auch der eitelste Tambourmajor der alten Kaisergarde hätte beim Anblick dieser unzähligen Stellungen,

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 588. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_588.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)