Verschiedene: Die Gartenlaube (1876) | |
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lebenswahrer, oft tiefergreifender Scenen und Gestalten wird zunächst der Beginn des Kampfes uns vorgeführt: der Auszug der Truppen, der Abschied des Freundes von dem Freunde, des Sohnes von den Eltern, des Familienvaters von Weib und Kindern, des Geliebten von der Braut. Alle Stände und Lebensalter sind hier vertreten, der patriotische Schusterjunge, der fidele Bursche, welcher mit dem ausziehenden Landwehrmanne den Abschiedstrunk leert, der würdige Greis, der den tapferen Sohn segnet, die Matrone, welche die zurückbleibenden Kinder tröstet, die weinende Gattin, die noch einmal, vielleicht zum letzten Male, den geliebten Mann umschlingt und die treue „Rieke“, welche ihrem „Aujust“ die Hand zum Lebewohl reicht.
Die folgenden Reliefs zeigen uns den Krieger im Felde, das Abkochen des bescheidenen Mahles, wobei ein Soldat seinen Cameraden die Zeitung vorliest, die Fahnenwache, die originelle Lagertoilette und den Rapport an einen Officier. Hieran schließen sich die äußerst wirksame Feldschlächterei, belebt von dem sich sträubenden Ochsen, der von kräftigen Männern festgehalten wird,
ferner die Feldpost mit ihren frohen und traurigen Nachrichten aus der Heimath und den willkommenen Liebesgaben. – Die Lage wird immer ernster; ein Posten bringt auf dem nächsten Bilde Nachricht von dem Anrücken des Feindes. Der Commandoruf erschallt; das Signal zum Sammeln und zum Aufbruche wird gegeben. Darauf eröffnet die Artillerie den blutigen Reigen; eine platzende Granate verbreitet Tod und Schrecken. An der Erde wälzt sich ein verwundetes Pferd, und getroffen sinkt ein tapferer Soldat nieder. Bald greift auch die Infanterie in’s Gefecht; der Künstler stellt mit größter Treue den Sturm auf den Geißberg dar; die elfte Compagnie der Königsgrenadiere unter Anführung des Majors von Kaiserberg, der in seiner Hand die Fahne hoch erhebt, wirft sich mit unwiderstehlichem Ungestüme auf die vor ihnen fliehenden Zuaven. Ulanen eilen herbei und erobern die feindlichen Geschütze; die französischen Gefangenen werden abgeführt. Das nächste Bild bringt ein Gefecht zwischen preußischen Husaren und den Rückzug deckenden Kaiserkürassieren. Rosse und Reiter zeigen sich in bewundernswürdiger, lebendiger Action des wilden Kampfgewühls.
Auf dem nächsten Relief erblicken wir die schmerzlichen Opfer des Krieges, das Begräbniß der Gefallenen, welchen die trauernden Cameraden die letzte Ehre erweisen, den Verbandplatz der Verwundeten, mit Aerzten, Trägern, freiwilligen Krankenpflegern und liebevollen, barmherzigen Frauen unter dem Banner des rothen Kreuzes, endlich die erschütternde Gruppe des todten Dragoners mit dem treuen Pferde, das sich schnuppernd zu der Leiche des gefallenen Herrn herniederbeugt. Das Gegenstück zu diesen ergreifenden Scenen bildet der Sieg bei Sedan mit dem Kaiser auf dem Schlachtfelde, umringt von seinen tapferen Kriegern, der Jubel der Truppen bei dem Anblicke des geliebten Kriegsherrn, die Freude über den glücklichen Erfolg. Zum Schlusse kehrt das siegreiche Heer in die Heimath zurück, empfangen von dem begeisterten Volke. Der Freund ruht in den Armen des Freundes; der Gatte an dem Herzen der glücklichen Gattin, umgeben von den jauchzenden, Blumen und Kränze darbringenden Kindern. Zu den Füßen der seligen Braut knieet der Geliebte, während an der Bahre des von tödtlicher Krankheit ergriffenen Sohnes die gebeugten Eltern weinend stehen, an die für das Vaterland Gestorbenen mahnend.
Schon diese flüchtige Aufzählung der verschiedenen Situationen und Gruppen dürfte einen wenn auch nur schwachen Begriff von der Größe eines solchen Werkes und den Schwierigkeiten der dem Künstler gestellten Aufgabe geben. Mit seltenem Talente und Geschick hat er es verstanden, dieselbe zu lösen und die naheliegende Gefahr einer allzugroßen Einförmigkeit, eines nüchternen Realismus und einer im eigentlichen Sinne monotonen und starren Uniformität zu vermeiden. Vor Allem ist es ihm gelungen, die poetischen und rein menschlichen Seiten des Soldatenlebens, die Momente der höchsten Begeisterung und des tiefsten Gefühls, der männlichen Thatkraft und der keineswegs ausgeschlossenen Rührung hervorzuheben, die rauhe Wirklichkeit zu verklären, die strenge Wahrheit zu idealisiren, ohne sie darum abzuschwächen. – Wir haben es hier mit keinen blos akademischen Acten und Modellen, sondern mit dem wahren Leben und mit echten Menschen zu thun, nicht mit schönen Typen und hergebrachten Schablonen, sondern mit charakteristischen Individuen, welche bis in die kleinsten Einzelheiten, in ihren Zügen und Bewegungen, in ihrer Haltung und ihrem ganzen Wesen treu nach der Natur gebildet sind, ohne die Gesetze der Schönheit zu verletzen.
Auf den ersten Blick erkennt man den jungen Rekruten, den pommerschen Landwehrmann, den strammen Unterofficier, den intelligenten Führer; ja selbst die verschiedenen Stände und Berufsarten, selbst die provinziellen Stammes- und Landeseigenthümlichkeiten. Ebenso klar tritt die zu Grunde liegende Idee des Ganzen in den einzelnen Reliefs hervor. Einen ganz besonderen Reiz verleiht den Bildern auch die sorgfältige Behandlung des Hintergrundes und die eigenthümliche, stets der Situation angepaßte locale Farbe der Landschaft. Die Reliefs
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_152.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)