verschiedene: Die Gartenlaube (1876) | |
|
dem Stationsvorsteher unmöglich machen würde. Das kann für Staatsdepeschen von großer Wichtigkeit werden und die directen Couriere und Feldjäger überflüssig machen. Man würde dann mit noch größerem Rechte von diplomatischen Noten und Notenwechsel reden dürfen, und da alle Meinungsäußerungen musikalisch transponirt würden und die Niederschrift der Depeschen am besten mit Notenschrift gegeben werden würde, so wäre das berühmte europäische Concert fertig, und zuletzt verwandelte sich vielleicht die ganze Welt in ein großes Opernhaus, in welchem Bismarck als erster Tenor und Pio Nono als Bassist auftreten. Man hat noch einen ganzen Sack voll weiterer Anwendungen angeführt, die sich von demselben Apparate machen ließen, unter Andern eine für den Seekrieg, welche lebhaft an das virtuose Umblasen der Mauern von Jericho durch die hebräische Militärmusik erinnert. Man denke sich einen wichtigen Seehafen mit einem weiten Kranze unterseeischer Torpedos umgeben, von denen man es in der Gewalt haben muß, gerade diejenigen rechtzeitig explodiren zu lassen, denen feindliche Schiffe zu nahe kommen. Sonst mußte man nach jedem einzelnen Torpedo eine besondere Leitung legen; jetzt könnte man sie alle durch eine einzige mit einander verbinden, wenn jeder in seiner Brust eine andere Stimmgabel verbirgt, die man vom Ufer aus zur gegebenen Zeit veranlassen kann, in den Ton der Zerstörung einzustimmen. Mit einem Worte, die Idee gehört zu denjenigen, welche eine Zukunft haben, und die Ausführbarkeit derselben im Allgemeinen ist bereits auf der Linie zwischen Kopenhagen und Friedericia (einer Strecke von dreihundertneunzig Kilometern) erprobt worden. C. St.
Chinesische Schuhmacher in Amerika. Eine große Schuhfabrik im Staate Massachusetts beschäftigt neben einhundertundsieben Amerikanern dreiundneunzig junge Chinesen. Die Idee, Chinesen in diesem Etablissement zu verwenden, wird seit einigen Jahren mit so gutem Erfolge durchgeführt, daß fortwährend neue Engagements abgeschlossen werden. Die Söhne des himmlischen Reiches, die in anderen Zweigen der europäisch-amerikanischen Industrie schon seit etwa einem Jahrzehnt sich hübsche Kenntnisse erworben hatten, waren im modernen Schuhwesen bis vor vier Jahren ziemlich unbewandert. So lange ist es her, seit die erwähnte Fabrik die ersten fünfundsiebenzig Verehrer des Confucius aufnahm. Der Contract wird stets auf drei Jahre gemacht. Die Bezahlung variirt zwischen zweiundzwanzig und dreißig Dollars monatlich. Die Chinesen können bekanntlich sparsamer sein als Angehörige aller anderen Nationen. Sie begnügen sich mit der denkbar elendesten, dafür aber auch billigsten Befriedigung ihres Schlafbedürfnisses und der Anforderungen ihres Magens; ihre Natur kann eben einen Puff ertragen. So kam es, daß jenes Fünfviertelschock Jünglinge nicht mehr als neun Dollars per Monat und Kopf ausgaben. Ihre Ersparnisse sendeten sie allmählich nach Hause. Nach den ersten achtundzwanzig Monaten hatten dieselben die Höhe von siebenunddreißigtausend Dollars erreicht, und als die wackeren Arbeiter in ihre Heimath zurückkehrten – was sofort nach Ablauf ihrer Verträge geschah –, besaß jeder von ihnen etwa achthundert Dollars – in ihrem Lande ein Vermögen, mit dem sie auf eigene Faust operiren können. Diese asiatischen Arbeiter sind fleißiger als die amerikanischen und europäischen, aber nicht so geschickt, weshalb sie auch weniger Arbeit fertig bringen. In der Werkstätte sind sie ruhig, anständig, verträglich; auch außerhalb derselben vergehen sie sich niemals gegen die öffentliche Ordnung. Aber „stille Wasser sind tief“; während die Leute aussehen, als könnten sie nicht drei zählen, und thun, als ob sie sich um gar nichts bekümmerten, beobachten sie sorgfältig Alles, was sie sehen, machen es im Geheimen nach und lachen bald die verblüfften Inländer aus, die nicht wissen, woher das Gelbgesicht seine Kenntnisse genommen. So ein Schlitzauge geht zu einem Spengler oder Seifensieder oder Hutmacher in die Lehre, nach einigen Monaten tritt er aus und macht, da er viel billiger lebt, also auch billiger verkaufen kann, seinem Herrn bald erfolgreich Concurrenz. So werden die Vortheile, welche chinesische Gesellen bieten – Fleiß und spottgeringer Lohn, da es ihnen ja nur darauf ankommt, das Geschäft zu lernen – zu Danaergeschenken. Auch auf allerlei Listen kommt es den mongolischen Schlauköpfen nicht an, wenn es sich darum handelt, den Yankees ihre industriellen Geheimnisse abzuforschen. In einem transoceanischen Localblatt fanden wir kürzlich ein amüsantes Beispiel davon. Ein „Chinaman“ (Chinese) brauchte zehn hölzerne Cabinen und kam mit einem Zimmermann über den Preis in’s Reine. Während der Zimmermann von dem im Bette liegenden Kuli glaubte, er schlafe fest, beobachtete dieser genau die ganze Arbeit. Des andern Tages war der Zimmermann nicht wenig aufgebracht, als der Arbeitgeber ihm den Preis für die eine vollendete Cabine bezahlte und sagte: „No more makee; me makee, hihihi, me makee!“ Das heißt, aus dem chinesischen Englisch übersetzt: „Ich brauche Dich nicht mehr; ich werde den Rest selbst machen; hahaha!“ Da der Chinese die Worte der Uebereinkunft von vornherein tendenziös gefärbt hatte, konnte ihm der überrumpelte Yankee nichts anhaben.
Es ist gewiß erfreulich, eine so lange innerhalb ihrer ausgedehnten Mauern und hohen Berge begraben gewesene intelligente Nation aus ihrer Zurückhaltung immer mehr heraustreten zu sehen. Wenn die Japanesen sich so eifrig zeigen, sich die geistigen Errungenschaften der modernen Civilisation anzueignen, – warum sollten ihre Nachbarn nicht wenigstens den materiellen nachstreben?L. K–r.
Ein heimlicher Feind der Seidenraupen. Ich hielt in einem sogenannten „Rumpelkämmerchen“ Seidenraupen, und zwar nur in geringer Anzahl, um selbst einmal den Wandlungsproceß der Natur beobachten zu können. – Die Raupen schlüpften aus, etwa fünfzig an der Zahl, und gediehen bei guter Fütterung zusehends. Nach ungefähr vierzehn Tagen, nachdem sie sich groß und dick gefressen, erschien mir ihre Anzahl kleiner als zuvor, doch unterließ ich das Zählen. Die Zeit des Einspinnens kam heran; ich hatte schließlich noch neunundzwanzig goldgelbe hübsche Cocons, die ich an einen Faden traubenartig befestigt frei und an einem von der Wand abstehenden Holzstäbchen aufhing. Nach etlichen Tagen – ich hatte die Kammer seither nicht mehr betreten – fand ich sieben Cocons durchlöchert, auf dem untergebreiteten Tuche aber saßen nur vier Schmetterlinge; die anderen drei waren spurlos verschwunden. Ich sah nun öfters des Tages nach. Bald waren weitere dreizehn ausgekrochen, und doch zählte ich im Ganzen nur elf Schmetterlinge. Das war mir räthselhaft. Niemand betrat außer mir die Kammer, und ich fragte mich daher: wo kamen meine armen Schmetterlinge hin?
Eines Abends nach elf Uhr wollte ich nochmals nach meinen Pfleglingen sehen, als ich zu meiner Ueberraschung ein großes Prachtexemplar der hier gewöhnlichen, ein Centimeter im Durchmesser haltenden Hausspinnen auf den Cocons sitzen sah. Das war also die räthselhafte Vertilgerin meiner Raupen und Schmetterlinge! Mein Kommen störte die Freche gar nicht; ja, sie ließ sich ruhig beleuchten und betrachten. In dem ihr am nächsten liegenden Cocon zeigte sich schon ein kleines Loch, und der sorglose Schmetterling arbeitete tüchtig am Durchbruche und seinem sicheren Tode entgegen. Eine volle Stunde wurde meine und der Spinne Geduld auf die Probe gestellt. Endlich noch ein Ruck, ein Flügelschlag, der erste und letzte – da saß auch unser schneeweißer Schmetterling in den Fängen der Erbarmungslosen. Das war die einfache Lösung des Räthsels von den fehlenden Schmetterlingen. Aber warum die Spinne so geduldig auf das Ausschlüpfen derselben harrte, anstatt sich bequem einen Braten vom Tuche zu holen, das ist mir bis heute noch unerklärlich; nachdem ihr Opfer vollendet, entfernte sie sich, auf Holzstäben und Wand ihren Weg nehmend und nicht, wie ich vermuthet, auf das Tuch sich niederlassend, um da weitere Verheerungen anzurichten, und doch mußten ihre wachsamen Augen das Leben und Getreibe der Schmetterlinge längst entdeckt haben. Ich schnitt ihr den Weg ab und ließ sie im Wasser einen verdienten Tod finden. B. T.
„Durch’s deutsche Land. Malerische Stätten aus Deutschland und Oesterreich.“ So lautet der Titel eines im Verlage von Alexander Duncker in Berlin erschienenen Prachtwerkes, das in mehr als einer Hinsicht Beachtung verdient. Gewährt es schon hohen Genuß, architektonisch bedeutende Bauwerke, historisch berühmte Stätten kennen zu lernen, so wird dieser Genuß noch erhöht, wenn, wie hier, durch den zwar knappen, aber warm und mit Liebe geschriebenen Text die nöthigen geschichtlichen Erläuterungen gegeben werden. Einzelne der von B. Mannfeld radirten Ansichten, wie die Holstenstraße in Lübeck, Bacharach am Rhein, die Rathhaustreppe in Görlitz, sind von trefflicher Wirkung und erwecken ein um so höheres Interesse, als die Sucht zu modernisiren in unseren Tagen ein altehrwürdiges Baudenkmal vergangener Jahrhunderte nach dem andern vernichtet. Das Werk, dessen Anschaffung durch die Ausgabe in Lieferungen wesentlich erleichtert wird, muß allen Freunden künstlerisch ausgeführter Darstellungen landschaftlicher und architektonischer Motive um so wärmer empfohlen werden, als durch dasselbe die altberühmte, in der Neuzeit aber wenig gepflegte Kunst des Radirens wieder zu verdienter Geltung gebracht wird.
Die Altersasyle betreffend. Die Verwaltung der evangelischen Diakonissenanstalt zu Straßburg, welche wir in unserem Blätter- und Blüthenartikel über Altersasyle (Nr. 49 des vorigen Jahrganges) mit genannt haben, benachrichtigt uns, daß ihr Haus ganz angefüllt sei. „An achtzig Pensionäre besetzen sämmtliche Räume, und wir haben,“ schreibt die Verwaltung, „fortwährend so viele Anfragen aus der unmittelbaren Nähe zu berücksichtigen, daß nicht vorauszusehen ist, wie wir in den nächsten Jahren auswärtigen Anfragen entsprechen könnten.“ Wir bitten unsere Leser, durch Verbreitung dieser Notiz zur Vermeidung der ferneren Beunruhigung jener Anstalt mitzuwirken.
Kleiner Briefkasten.
Alfr. Qdt. in Bremen. Auf Ihre Anfrage, was die Inschrift „1813 wurde hier gepflanzt für 1871“ in dem Granitfelsen auf dem Glöckner (nicht Glöckel) bei Eisenach zu bedeuten habe, und Ihre Vermuthung, daß hier eine Beziehung auf die großen Kriegsereignisse jener Jahre zu Grunde liege, diene Ihnen Folgendes zur Antwort:
„1813 pflanzte der damalige Förster König in Ruhla, Begründer der später nach Eisenach verlegten, noch bestehenden Forstschule, mit seinen Schülern einen Fichtenbestand auf dem Glöckner, einem über zweitausend Fuß hohen Bergrücken am ‚Rennstiege‘, und setzte die Abtriebszeit dieser Bäume als die finanziell günstigste auf achtundfünfzig Jahre, also auf 1871 fest. Die Inschrift ist somit ein Betriebsplan. Um den dort liegenden Felsen wurden sogenannte Anlagen gemacht, worin sich schon der Anfang zu der späteren verschönernden Thätigkeit König’s in seiner Stellung als Oberforstrath zeigt. Die Inschriften bilden ein Stammbuch für die jungen Forsteleven. Uebrigens stehen die Fichten noch jetzt und sind noch keine Riesen, sondern nur mittelmäßige Bäume von geringer Höhe. Der gelehrte Forstmann hatte bei seiner Berechnung die hohe stürmische Lage nicht in Rechnung gebracht.“
Allen Einsendern von poetischen Beiträgen zu unserem Blatte wiederholen wir hiermit auf das Bestimmteste, daß es uns völlig unmöglich ist, auf Gedichte, welche uns unaufgefordert zugegangen sind, eine andere Antwort zu ertheilen, als den Abdruck oder im Falle der Unbrauchbarkeit die Vernichtung derselben. Auf Beurtheilung poetischer Producte können wir uns unter keinen Umständen einlassen. Möge diese Mittheilung endlich einmal respectirt werden und den vielen Zusendungen von Gedichten und massenhaften Mahnungen und Anfragen nach deren Verbleib ein Ende machen!
verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1876, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_108.jpg&oldid=- (Version vom 7.3.2023)