Verschiedene: Die Gartenlaube (1876) | |
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empfohlen wird, so kommt glücklicherweise noch ein weiterer Ansporn hinzu, in dem außergewöhnlichen Ertrage an einem sehr nutzbaren Holze. Bei forstmäßiger Aufzucht in geeigneten Strichen, die gar nichts weiter als genügende Sicherheit zu bieten brauchen, schätzt man den Holzertrag auf die fünffache Menge anderer Wälder wegen des weidenartig schnellen Wachsthums. Ein Eukalyptus-Wald kann im Jahrhundert nicht blos wie andere Nutzhölzer einmal, sondern fünfmal abgeholzt werden, und auch darin liegt eine hohe Bedeutung für die holzarmen Südländer. Die jungen gerade aufgeschossenen Stämme können prächtige Telegraphenstangen liefern, die älteren aber würden das beste, dauerhafteste Schiffsbauholz ergeben, welches überhaupt in Europa gewonnen werden kann. Denen, welche sich noch weiter für diese moderne Berühmtheit interessiren, empfehle ich die Broschüre des Herrn Gimbert aus Cannes über den Eukalyptus, welche bei Delajaye in Paris 1870 erschienen ist.
Es war im sturmreichen Frühling des Jahres 1848, in jenen ersten Wochen des Mai, wo das von der Märzrevolution zunächst hervorgerufene Chaos auf Grund der neuen Errungenschaften und durch Berufung constituirender Nationalversammlungen für Preußen und Deutschland in gesetzliche Bahnen gelenkt, zu verfassungsmäßigen Organisationen gestaltet werden sollte. Zum ersten Male hatte so eben das bis dahin dem Staatswesen gründlich fern gehaltene und ihm gänzlich entfremdete Volk durch Vollziehung der sogenannten Urwahlen das wichtigste politische Recht des Bürgers geübt, und in den verschiedenen Bezirken der tonangebenden preußischen Hauptstadt traten nun allabendlich die erkorenen Wahlmänner zusammen, um die Bewerber anzuhören und sich in Bezug auf die geeigneten Persönlichkeiten ein Urtheil zu bilden. Das Geschäft war ein neues, die Stimmung eine aufgeregte, neu auch waren die Männer aller Stände, die hier plötzlich aus der Stille ihres Berufs- und Privatlebens auftauchten, um öffentlich vor den Bürgern ihr politisches Glaubensbekenntniß darzulegen. Es ging daher vielfach sehr stürmisch zu in diesen meist auch von einer leidenschaftlichen Zuhörerschaft besuchten Versammlungen der Berliner Wahlmänner, und die Zahl der unter einem Kreuzfeuer von Interpellationen für ihre Erwählung arbeitenden Redner war so groß, daß in manchen Bezirken oft Mitternacht herankam, ehe der Letzte der Angemeldeten zu Worte gelangen konnte.
Ob die Zeit schon so vorgerückt war, ist mir nicht mehr erinnerlich, aber eine bedenkliche Ermüdung und Ungeduld hatte eines Abends nach lebhaften Debatten und heftigem Widerstreit der Versammelten sich schon bemächtigt, als zu später Stunde auf die Rednerbühne des kleinen, von Bierdunst und Tabakrauch erfüllten Wirthshaussaals noch eine Gestalt trat, die es unzweifelhaft zunächst nur dem Eindrucke ihrer Erscheinung zu danken hatte, wenn ihr mehr als eine flüchtige Notiznahme gewidmet wurde. Es war ein schlanker, hochgewachsener und kräftig gebauter Mann mit hochblondem Haar, dessen Kleidung die einfache Eleganz des hohen preußischen Beamten zeigte, aus dessen Haltung aber, aus dessen Antlitz mit den festen Zügen und dem sicher blickenden tiefblauen Auge die Spuren ernster Gedankenarbeit sprachen und das ruhige Würdegefühl eines reifen Charakters. Während der letzten Abende war man schon daran gewöhnt worden, Mitglieder der Beamtenaristokratie, der Geistlichkeit, ja des Officierstandes mit einem Male als liberale Ankläger des bisherigen Regierungssystems sich entpuppen zu sehen, es kam ihnen jedoch nicht immer das gewünschte Vertrauen entgegen. Auf diesen neu erscheinenden Candidaten aber blieben sofort die Blicke geheftet, und kaum hatte er ein paar Sätze gesprochen, so verstummte bereits alle Beweglichkeit und es herrschte ringsumher ein athemloses Schweigen. Es war so schlicht, was der Redner sagte, und doch waren seine Worte zündendes Feuer, es wehte aus ihnen nicht blos der unverkennbare Hauch einer klaren Ueberzeugung, sondern auch einer aufrichtig mit dem Volke sich einig wissenden, mannhaften und begeisterungsvollen Seele. Wer ist der Mann? So fragte man sich. Niemand kannte ihn, und er selber hatte am Eingange über sich nur gesagt: „Ich heiße Waldeck und bin hier Mitglied des Geheimen Ober-Tribunals.“ Als er seinen Vortrag beendigt hatte, brach ein lang anhaltender Sturm des Beifalls aus – der Eindruck war entscheidend.
Waldeck wurde in Berlin für die preußische Nationalversammlung gewählt, und wenn in jener Zeit sein Name selbst den publicistischen Kreisen der Hauptstadt noch so gänzlich unbekannt war, daß die damals kaum erstandene „Nationalzeitung“ die Ernennung dieses Obertribunalraths als einen selbstverständlichen Sieg der Reaction beklagte, so hat das sicher die Wahlmänner des zweiten Berliner Bezirkes in ihrer Ueberzeugung nicht irre machen können. Sie wußten bereits, daß sie dem jungen parlamentarischen Leben einen charakterstarken Verfechter der Volksrechte und ein rednerisches und organisirendes Talent von hohem Gewichte in dem Manne zuführten, der an dem bezeichneten Abend vor ihnen den ersten Schritt auf die große politische Bühne gethan. Waldeck war damals sechsundvierzig Jahre alt und stand in der vollen Blüthe seiner Kraft; er schaute auch bereits auf ein verdienst- und arbeitsreiches Stück Leben zurück. Schon in früher Jugend hatte er als hervorragender juristischer Selbstdenker und Schriftsteller die Hochachtung seiner Standesgenossen, als richterlicher Beamter, so wie als Mensch und Bürger die Liebe seiner Mitbürger sich erworben. In seiner Heimath Westphalen, wo er früher als Richter gewirkt, hatte seine Gerechtigkeitsliebe ihm den Beinamen eines „Bauernkönigs“ verschafft, und nicht weniger als vier Bezirke der Provinz hatten ihn aus eigenem Antriebe und ohne jegliche Bewerbung seinerseits zu ihrem Abgeordneten für die Nationalversammlung erwählt. So tief war die Anhänglichkeit, welche diese Bevölkerung dem verehrten Manne bewahrte, der ihnen seit 1846 durch seine ehrenvolle Berufung in den höchsten Gerichtshof des Landes entzogen worden war. Im Gewühle der Hauptstadt hatte der Fremdling die zwei Jahre her unbemerkt nur seinen Amtspflichten und Studien gelebt, bis die Revolution seiner innersten Gesinnung die Zunge löste und ihn auf den Kampfplatz führte, für den er geboren war. In der Revolution sah er die Erfüllung der Grundsätze, welche Preußen einst gerettet hatten. Er forderte die aufrichtige, consequente und unverkürzte Durchführung derselben und nahm deshalb sofort seinen Platz auf der Linken des neuen Parlaments. Dieser Schritt entschied über sein weiteres Leben, und es eröffnete sich nunmehr für ihn jene sturmvolle, an unmittelbaren Erfolgen nicht immer ergiebige, aber an geistigen Triumphen, an wohlverdientem Ruhm, an ehrenvollen Leiden und Kämpfen so ungewöhnlich reiche Laufbahn, auf welche nicht wenige unserer heutigen Zeitgenossen so gern ihre Blicke zurücklenken, wenn sie in den drangvollen Wirrnissen unerledigter Zeitfragen eines ermuthigenden Leitsternes bedürfen, einer Aufrichtung ihres Glaubens an die Macht und den Sieg der Wahrheit.
In der ersten Hälfte des Sommers 1848, wo die Ausschreitungen einer übermüthigen Straßendemokratie, wo Clubredner der schlechten und besseren Sorte, demagogische Agitatoren aller Art die Stimmungen der großen Massen beherrschten, konnte freilich die immerhin maßvolle Eigenart eines Waldeck nicht zu volksthümlicher Bedeutung gelangen. Es ist hier nicht die Absicht, eine Geschichte seines ersten parlamentarischen Wirkens zu schreiben. Man weiß, daß er zunächst durch seine hingebungsvolle Arbeit in den Commissionen, durch die Kraft seines Geistes und Willens ein solches Uebergewicht innerhalb der linken Partei des Hauses erhielt, daß diese in ihm ihren eigentlichen Führer sah, man weiß auch, daß der Entwurf der später von Friedrich Wilhelm dem Vierten übernommenen und einseitig octroyirten preußischen Verfassung eine Schöpfung Waldeck’s war, und daß diese Verfassung deshalb von der höhnenden Reactionspartei die „Charte Waldeck“ genannt wurde, ein Ehrenname, den sie noch heute in Bezug auf alle gesunden, freiheitsfreundlichen und patriotischen Grundsätze verdient, die in ihr stehen geblieben sind und nicht durch fernere Revidirungen abgeschwächt wurden. Als der Verfassungsentwurf im October 1848 festgestellt war und im Plenum bereits die öffentlichen Verhandlungen über die einzelnen
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_088.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)