Verschiedene: Die Gartenlaube (1875) | |
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werden und Bandel an die Ausführung seiner Statue selbst gehen.
So ward denn nun gleichzeitig in München und im Teutoburger Wald an zwei verschiedenen und doch so nah verwandten Denkmälern gearbeitet. Während aber die Münchener Meister, Schwanthaler und auch Ferdinand von Miller, der nun von 1845 an, wo das Modell der „Bavaria“ vollendet war, den Guß der Riesenjungfrau mit dem Kopf derselben begann, keine andere Sorge und keinen andern Widerstand kannten, als welche die zu bewältigenden Elemente ihnen bereiteten, während also jene Meister sich einer kunstwürdigen Stellung erfreuten, blieb Bandel von dem Schwellen und Schwanken der öffentlichen Meinung und Stimmung abhängig. Der politische Aufschwung von 1840 ging in Preußen mit der Ernüchterung aus dem Hoffnungstraume und im übrigen Deutschland mit dem Verschwinden der Gefahr am Rheine vorüber, – und die nachfolgende Verbitterung im Volke mußte auch das Denkmal des Nationalhelden entgelten. Dennoch war es möglich geworden, 1846 den Unterbau zum Denkmal, die Tempelhalle, auf deren Kuppel der Held der ersten deutschen Befreiung stehen und sein Schwert erheben sollte, zu vollenden.
Der politische Volksfrühling, in welchem man im größten Theile von Deutschland schon im Jahre 1847 aufathmete, kam auch dem Arminsdenkmale zu Gute; desto schlimmer wurden die Folgen des großen Sturmjahres durch die gehässige und häßliche Reaction, die sich nach demselben austobte und namentlich das Jahr 1850 (nach dem von 1819!) zu einem zweiten „tollen Jahre“ unserer deutschen Geschichte machte. Das ist auch ein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum! Wer gedächte nicht heute noch mit Schaudern und Abscheu jener Tage der Strafbaiern in Hessen, der Vorgänge in Schleswig-Holstein, der Schlacht bei Bronzell und des preußischen Canossa-Gangs nach Olmütz? Wohl hätte in dem Pfuhle von Schmach die alte deutsche Ehre um so glänzender leuchten müssen, aber Schmerz und Groll fesselten die Patrioten so sehr an die Gegenwart, daß sie keinen Blick für die so weit entfernte Vergangenheit hatten. Bandel opferte sein eigenes Vermögen, um sein Lebenswerk zu retten, – und doch blieb es Stückwerk und zog kaum noch die Beachtung der Menschen auf sich – in derselben Zeit, zu welcher Schwanthaler’s „Bavaria“, das Hätschelkind der Wittelsbacher Souveränetät, vor Tausenden staunender Augen ihre Enthüllung feierte. Wohl war es dem edlen Schwanthaler nicht vergönnt gewesen, sein Werk noch mit eigenen Augen zu schauen, ihm hatte schon der Herbst jenes Sturmjahres die Blätter der Münchener Friedhofbäume auf das Grab geweht; er war in höchster Manneskraft gestorben kaum ein Vierteljahr älter, als Friedrich Schiller geworden war und dennoch – wie oft mag damals Bandel vor den Fragmenten seines Armin den gefeierten Todten als den Glücklicheren beneidet haben! –
In der ferneren Geschichte dieses Denkmals spiegelte sich die des deutschen Volks wider von der tiefsten Erniedrigung bis zum höchsten Triumphe, und seltsamer Weise liefert unsere „Gartenlaube“ in den fünf Artikeln, die sie (bis zu diesem sechsten) dem Gegenstande weihte, dazu die Belege. Gleich im ersten Jahrgange derselben, lesen wir „Das Hermanns-Denkmal bei Detmold wird aller Wahrscheinlichkeit nach für immer unvollendet bleiben.“ Man hatte damals von den fertigen Theilen desselben den Arm mit dem Schilde gestohlen; aber anstatt Entrüstung weckte die damalige jämmerliche Aehnlichkeit Deutschlands mit diesem arm- und schildlosen Armin vielmehr den Galgenhumor in dem verbitterten Volke auf. Sieben Jahre später mußte ein mit der Abbildung des Armins-Denkmals geschmückter Artikel noch die Ueberschrift führen: „Ein vergessenes deutsches Denkmal.“
Zehn Jahre lastete der politische Alpdruck auf den „Unterthanen“ des wieder mit aller diplomatische Kunst bestens zerrissenen Bundesdeutschlands, – da bildete sich, eben als in Preußen mit der Prinz-Regentschaft die „neue Aera“ begann, eine Art Männer-Burschenschaft in dem „deutschen Nationalverein“. – Das kräftig wieder erwachende politische Leben lenkte wohl auch die öffentliche Theilnahme wieder jenen Siege in der Vergangenheit zu; das Denkmal auf dem Teutberge ward wenigstens nicht ganz vernachlässigt; die Presse nahm sich seiner mehr an, und die Zeiten der großen Nationalfeste halfen ein wenig mit, aber der rechte Zug, den eine nationale Ehrensache von selbst bewirkt, fehlte doch, und dies und der neue Aerger über das Vorgehen der beiden deutschen Großmächte in Schleswig-Holstein 1864 regte den Zorn eines unserer Poeten so auf, daß er ein Gedicht, welches er sogar als „seinen Beitrag zum Hermannsdenkmale“ bezeichnete, mit den bösen Worten schloß:
- „Auf, schmeißt den Hermann in den Tiegel
- Und gießet euch Kanonen draus!“
Das geschah zwar nicht; aber warten mußten Bandel und sein Armin auf ihre Erlösung, bis das deutsche Volk mit seinen Fürsten durch die harte Schule politischen Kampfs und blutigen Kriegs bis zu dem Thore des Siegs vordrang, dessen Ueberschrift heißt: „Deutsche Nationalpolitik“ und „Kaiser und Reich“. – Dazu konnten die zwanzigtausend Männer des Nationalvereins nicht allein führen; der Geist vom Jahre Dreizehn mußte wieder geweckt werden; er führte Deutschlands Völker und Fürsten in den Krieg von Siebenzig, und das siegreiche Vaterland erhob nun auch Armin, den Befreier, auf die fast dreißig Jahre hoffnungslos verödete Kuppel seines Tempels. Schon 1872 konnten wir unseren Lesern „in der Geburtsstätte des Hermanns-Denkmals“ den Meister Bandel in voller Arbeit an seinem Werke zeigen, und mit solchem Eifer und Erfolg ward dieselbe nun mit der Unterstützung von Kaiser und Reich gefördert, daß wir vor wenigen Wochen in Nr. 21, das vollendete Denkmal, wie es heute seine Weihe auf dem Teutberge feiert, im Bilde vorführen konnten.
Heute, an seinem höchsten Ehrenfeste, steht Ernst von Bandel selbst vor uns, der Fünfundsiebenzigjährige, der als Vierunddreißigjähriger sein Armin-Modell zum ersten Mal an die Oeffentlichkeit gebracht hatte. Wie viel glücklicher ist nun er vor dem einst so gerecht beneideten Schwanthaler! Aber ewig werden ihre Namen beisammen stehen als die der großen, kühnen deutschen Meister, welche die zwei riesigsten Denksäulen edelster Kunst nicht blos in Europa, sondern auf der ganzen bekannten Erde geschaffen haben.
„Was hat das Denkmal gekostet?“ das ist eine nicht zu umgehende Frage, die man nicht auf Antwort warten lassen darf. Der Hermanns-Verein in Detmold berichtete am 8. September 1860 über eine Denkmal-Beitragsumme von 46,493 Thalern; beim Denkmal-Verein in Hannover waren vom 10. Mai 1862 bis dahin 1867 noch 6913 Thaler eingegangen. Rechnet man dazu die 10,000 Thaler Reichs- und noch etwa 10,000 Thaler nachträgliche Spenden, so stellt sich in runder Zahl eine Gesammtbausumme von 73,500 Thalern heraus. Davon waren bis zum 7. Juni 1846, an welchem Tage der letzte Stein in den Unterbau eingefügt wurde, verausgabt worden: für den Unterbau 37,768 Thaler, für die Grundsteinlegung 248 Thaler, für das Standbild selbst 6206 Thaler, also im Ganzen 44,222 Thaler. Hierzu kommen nun noch die Kosten der Vollendung, Befestigung und Aufstellung des Standbildes, die man auf etwa 34,280 Thaler schätzt. Die Gesammtkostensumme von 78,500 Thaler würde demnach noch eine Nachhülfe von 5000 Thalern zur Deckung des Ganzen beanspruchen. Der Meister des Werkes macht alle seine Kunst und Arbeit daran dem Denkmale zum Geschenke. Nehmen wir also die Gesammtsumme zu 84,000 Thaler an, so sind dies 147,000 Gulden; der Kostenaufwand für die „Bavaria“ wird zu 233,000 Gulden angegeben.
Die Beiträge vertheilen sich auf folgende Beitraggeber: das österreichische Kaiserhaus 1082 Thaler, die deutschen Fürstenhäuser 13,500 Thaler, das Ausland 1500 Thaler, das deutsche Volk 37,500 Thaler, der deutsche Kaiser 10,000 Thaler, das Reich 10,000 Thaler.
Das Standbild erforderte als Material 21,176 Pfund Kupfer; das nöthige Schmiedeeisen beträgt 126,153 Pfund, das Gußeisen 5873 Pfund und das Gewicht der ganzen Figur somit 153,202 Pfund.
Die Denkmalfeier selbst findet in der persönlichen Theilnahme des deutschen Kaisers, durch dessen sieggekrönte Reichs-Einigung endlich Deutschlands erster Befreier auf seinen Ruhmesthron erhoben wurde, die würdigste Verherrlichung. Die „Gartenlaube“ wird diesem Nationalfeste eine ausführliche Beschreibung mit einer Illustration nach Ekwall’s gewandtem Stifte widmen.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 555. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_555.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)