Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1875) 392.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

welche, wenn auch nicht so lange Zeit, so doch eine längere Störung des Unterrichts erfordert, so kann man sich denken, was in der Schule geleistet wird. Da aber eine Schullehrerfamilie, die, wie hier, aus zwölf Personen besteht, unmöglich von achtundsiebenzig und zwei Drittel Thalern jährlich leben kann, so vergütet man obengenannte Leistungen mit Victualien, wie Brod, Butter, Eiern, Fleisch etc. Für jede Leistung ist ein bestimmtes Quantum festgesetzt, daß gewiß nicht überschritten wird und dessen Qualität sehr häufig viel zu wünschen übrig läßt. Gott bessere diese Zustände!

R. in Hagen.




Don Alfonso’s Residenz. (Mit Abbildung S. 388 und 389.) Es kommt häufiger vor, als man wohl glauben möchte, daß die öffentliche Aufmerksamkeit auf einen Ort, der längst eine selbstständige Bedeutung erlangt hat, plötzlich durch ein Ereigniß zufälligster Natur ganz besonders hingelenkt wird. Daß die jüngsten Ereignisse in der steierischen Landeshauptstadt uns eine solche Erscheinung zur Anschauung gebracht haben, wird Jedermann zugeben.

Das alte liebe Pensionirten-Paradies (Pensionopolis nennt es der Volkswitz) an der Mur, die frische deutsche Stadt Graz oder Grätz, ist durch einen fürstlichen Scandal mit einem Male in ein weit lebhafteres Zeitungsgeschrei gerathen, als dies seit Jahren und bei wirklich würdigeren Gelegenheiten der Fall war. Denn wer denkt nicht gern heute noch an jene Tage der grünen Steiermark, wo vor den Volksabgeordneten in der Landstube des „Landhauses“ zu Graz der tapfere Moritz von Kaiserfeld und Rechbauer „dem Regimente der Reichsverderber“ ihre Proteste entgegenschleuderten? Das war eine Erhebung der Geister, aber wie bald ging sie vorüber! – Heute ist’s eine andere Mahnung des Landhauses, deren Nichtbeachtung die Stadt in so lebhaften Tagesruf bringt; beim Portale rechts ist’s deutlich zu lesen, daß man allhier „nicht rumohren“ soll. Weil aber die Grazer diesem Gebote ihres alten Landhauses nicht folgten, so haben sie nun dafür die urplötzliche Weltberühmtheit.

Wir stehen nicht an, die brave Stadt wegen ihres jüngsten öffentlichen Erlebnisses aufrichtig zu bedauern. Als der Grazer Gemeinderath die Niederlassung des nicht blos von den spanischen Gerichten, sondern von der ganzen gebildeten und ehrenhaften menschlichen Gesellschaft verurtheilten und ausgestoßenen Prinzen Don Alfonso nebst ebenbürtiger Gemahlin aus Rücksicht auf die öffentliche Ruhe und Ordnung mittelst eines Gemeindebeschlusses auf Grund des Gemeindegesetzes zu verhindern suchte, schwebte ihm wohl die Möglichkeit vor, daß ein in solcher Weise, von einer ganzen Stadt Zurückgewiesener, Ehrgefühl genug haben müsse, um sich nicht dort trotzalledem einzudrängen. Das war freilich verrechnet! Im Gegentheil: die Brutalität freute sich der Gewalt, die im Namen der Ordnung für sie eintreten mußte. Aber die Verachtung, welche an jedem ihrer Schritte hängt, spürt sie doch, und Das ist wenigstens einige Genugthuung für die allzu heißen jungen Herzen, welche von einer allzu kalten Gerechtigkeit dafür gemaßregelt worden sind.

Wenn aber diese Alfonso-Krawalle auch nur Einiges dazu beitragen, von dem großen tausendarmigen Strome der Reisenden einen stärkeren Arm nach Graz zu lenken, so hätte ja dieser Handel sogar sein Gutes gehabt. Graz verdient es, recht Vielen ein lieber Ort zu werden. Wer einmal in den wundervollen Baumgängen des Schloßbergs gewandelt ist, wer den Rundblick von dessen Höhe genossen und dann drunten beim Volke an den gemüthlichen Stammtischen ausgeruht, der sehnt sich immer wieder zurück nach dem fröhlichen Pensionopolis an der Mur. Eben deshalb soll unsere Abbildung sammt diesen Begleitworten nur der Vorläufer für eine ausführlichere Schilderung unseres Gegenstandes sein.




Evangelische geistliche Journalistik in Westfalen. In einer der letzten Nummern der „Gartenlaube“ ist von den Geschichtsfälschungen ultramontaner Blätter die Rede. Daß auch evangelische Geistliche in dieser Beziehung Bedeutendes leisten, das beweisen zwei in der Provinz Westfalen erscheinende evangelische Kirchenblätter. In dem „Schwelmer Gemeindeblatt“ (Nr. 13 des vorigen Jahrganges) macht Pastor Körner in Schwelm den Versuch, Luther’s bekannte Stellung zur bürgerlichen Eheschließung abzuleugnen und die Geschichte seiner Eheschließung zu entstellen durch das fromme Märlein, daß Katharina von Bora nach vierzehn Tagen, nachdem sie mit Luther „ganz in kirchlicher Form getraut“ und „verehelicht“ und nachdem Luther nach seinem eigenen Zeugnisse ihr „Ehemann“ geworden, eine „Braut“ und „Jungfrau“ geblieben sei. – Der „Westfälische Hausfreund“ aber berichtet in Nr. 43 des vorigen Jahrganges, daß viele fromme Leute aus den verschlossenen und wohlerhaltenen Särgen bald nach ihrem Tode auferstanden seien. Der „Westfälische Hausfreund“ schreibt nämlich wörtlich: „So berichtet der selige Oetinger, ein echter Mann Gottes, er sei bei schweren Anfechtungen gern zum alten Commandanten Rieger … auf den Hohenasperg hinaufgestiegen, dessen kräftiges Gebet ihn immer wieder bald zurecht gebracht. Ein Jahr nun nach Rieger’s Tod wurde aus irgend einem Grunde in der Kirche, wo er begraben worden, ein Bau vorgenommen, wobei sein Grab zufällig geöffnet werden mußte … und zum großen Entsetzen der Arbeiter und aller Anwesenden wurde der noch völlig wohl erhaltene und verschlossene Sarg ganz leer gefunden. Oetinger aber sprach: ‚Wißt Ihr denn nicht, daß es eine erste Auferstehung der Gerechten giebt?‘ Auch der (noch lebende) treffliche und wohlbekannte Prälat K.… erzählt Aehnliches, was sich noch nicht gar lange zugetragen: Ein sehr frommes Mädchen wurde begraben, die Gruft aber bald wieder geöffnet, da dann die Leichtigkeit des Sarges auffiel und er geöffnet wurde. Hier nun fanden sich sehr bald darauf zwar die rosenfarbenen Schleifen und die künstlichen Blumen … unversehrt vor, die Leiche selbst aber und das Leichenhemd waren spurlos verschwunden. Auch sonst hörte man in jenem (?) deutschen Lande alte Leute erzählen: Bei solchen stillen und frommen Leuten habe man gelegentlich das Grab geöffnet und den Sarg leer gefunden.“

In Nr. 47 des vorigen Jahrganges liefert dann der „Westfälische Hausfreund“ gleichsam als Nachtrag noch die Erzählung: „Die Träger, welche den Sohn Zinzendorf’s, den Christian Renatus, zu Grabe getragen, hätten plötzlich bemerkt, daß der Sarg ganz leicht geworden sei.“ (Hier fand also, wie es scheint, die Auferstehung schon vor der Beerdigung statt; Näheres scheint der „Westfälische Hausfreund“ darüber nicht in Erfahrung gebracht zu haben.)




Noch ein Vermißter. Es geht uns aus Wendtshof an der Oder folgender Brief zu:

„Hier im Orte lebt ein alter Hirt, dessen einziger Sohn und gleichzeitig seine Stütze, Karl Luckow, den letzten Feldzug als Husar bei der dritten Escadron des brandenburgischen Husaren-Regiments (Ziethen-Husaren) Nr. 3 (2. Armee, 6. Division, 15. Cavallerie-Brigade) mitmachen mußte.

Am 27. August 1870 bekam der alte Luckow eine einfache ‚Feldpost-Correspondenzkarte‘ zugeschickt, auf der mit Bleistift folgende Nachricht verzeichnet war:

‚Hierdurch benachrichtige Sie, daß Ihr Sohn Luckow seit dem 16. d. Mts. vermißt ist.

Bivouac bei Doncourt, d. 21. 8. 70. Schultz,

 Wachtmeister der 3. Escadron.‘

Etwas Näheres hat der alte Mann niemals über seinen Sohn erfahren, er hofft aber, da ihm von dem Regimente weder Todtenschein noch etwas Anderes zugegangen, noch immer, daß sein Sohn irgendwo auftauchen werde. Möglicher Weise ist er, verwundet und gefangen, in Metz gestorben.

Da mich der alte Luckow dieser Tage mit dem Obigen bekannt machte und ich aus Erfahrung weiß, daß die Gartenlaube durch ihre große Verbreitung in vielen Fällen Aufklärung in ähnlichen Lagen gebracht, so erlaube ich mir im Namen des alten Vaters die ergebene Bitte auszusprechen, in einer der nächsten Nummern einen Aufruf zu erlassen, dahin gehend, ob einer der Regimentscameraden den Husaren Karl Luckow am 16. August hat fallen oder gefangen nehmen sehen.

Der alte Mann stützt auf diese meine Bitte seine ganze Hoffnung, um endlich von dieser peinlichen Ungewißheit über das Schicksal seines Sohnes erlöst zu sein.

 Mit aller Hochachtung ergebenst.

W.“




Ein illustrirter Hausschatz von hervorragender künstlerischer Bedeutung ist die jüngst bei Georg Wigand in Leipzig erschienene Luther’sche Bibelausgabe mit Illustrationen von Julius Schnorr von Carolsfeld. Wenn das in demselben Verlage herausgekommene so berühmt gewordene Werk des nunmehr verewigten Meisters Schnorr „Die Bibel in Bildern“ sich, was den Text betrifft, lediglich auf kurze Citate aus der heiligen Schrift beschränkt, so daß dort das Wort als dem Bilde untergeordnet erscheint, so bietet uns das neue Werk den vollen Wortlaut der Bibel alten und neuen Testaments und mindert die Zahl der hier in verkleinertem Maßstabe in den Text hineingedruckten trefflichen Holzschnitte, welche dort zweihundertvierzig beträgt, auf einhundertvierzig ab. Das dankenswerthe Unternehmen erfüllt seine Aufgabe, dem deutschen Bibelleser die Hauptmomente der christlichen Glaubensurkunden durch künstlerisch ausgeführte Illustrationen sinnlich zu veranschaulichen, in genialer Weise und eignet sich daher als ein Werk echt deutschen Kunstgeistes besonders zum Festgeschenke bei Confirmationen und anderen feierlichen Familienereignissen; es möge hiermit der Beachtung auf’s Wärmste empfohlen werden.




Zwei Anfragen. 1) Giebt es in Deutschland einen Ort mit einer Versorgungsanstalt für das vereinsamte Alter, dessen Zugänglichkeit zwar an eine Eintrittssumme, aber nicht an das Ortsbürgerrecht geknüpft ist? Es wenden sich so häufig kinderlose alte Männer und Frauen mit dieser Frage an uns, daß eine ausführliche Beantwortung derselben sich vielen Dank verdienen würde.

2) Ist immer noch kein Instrument erfunden und bewährt, das den Schwerhörigen auch nur annähernd dieselben Dienste leistet, wie den Kurz- und Schwachsichtigen ihre Augengläser? Was bisher durch Herstellung von größeren oder kleineren Hörmuscheln und dergleichen geboten wurde, ist nach Aussage der namhaftesten Vertreter der Ohrenheilkunde, wenigstens zweifelhaften Werthes, jedenfalls theils zu groß, theils zu klein. Sollte sich’s anders verhalten und ist eine Vorrichtung vorhanden, welche die Nachtheile der großen Hörrohre vermindert und die Mängel der kleinen handlichen Muscheln ergänzt, so wäre eine gut begründete Mittheilung an diesem Orte eine sehr dankenswerthe Gabe und sicherlich manchem Leser dieser Blätter erwünscht.




Berichtigung. In einem Theile der Auflage unserer Nr. 21 ist in dem Artikel „Plaudereien aus Rom“ von Hermann Oelschläger auf Seite 350, sechsundzwanzigste Zeile von unten statt „zierlichen“ Malereien Michel Angelo’s zu lesen: „göttlichen“.



Kleiner Briefkasten.

Abonnent in Springfield, Mass. Nach dem zwischen dem deutschen Reiche und den Vereinigten Staaten abgeschlossenen Vertrage sind in einem der beiden Staaten Geborene, welche in dem anderen fünf Jahre naturalisirt sind und während dieser Zeit ihren Wohnsitz wesentlich in demselben hatten, als Angehörige des letzteren zu betrachten. Sind Sie also seit mindestens fünf Jahren amerikanischer Staatsbürger, so werden Sie bei etwaiger Rückkehr nach Deutschland hier als solcher angesehen und haben nur die Rechte, aber auch die Verpflichtungen, welche Deutschland dem Ausländer gegenüber zugesteht und beansprucht.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 392. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_392.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)