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Seite:Die Gartenlaube (1875) 359.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


der glatten Wasserfläche, und wo man hinblickte, sah man die dunkeln Punkte der treibenden Netzballons. Halb zwölf Uhr Nachts wurde eines der Netze zur Probe aufgezogen, und der Fang erwies sich als ziemlich reich. Die frischgefangenen Häringe, welche zum Theil noch lebten, sahen in ihrem silbernen Schuppenkleide ganz prächtig aus. Einzelne sprangen und zappelten. Die Arbeit des Ausschüttelns, beziehungsweise des Ausnehmens der Fische aus den Maschen wird mit großer Geschwindigkeit verrichtet, und zwar in der Weise, daß das Netz, nachdem es von einem Mann an Backbordseite aufgezogen, quer über den offenen für die Fische bestimmten Raum emporgeholt und ausgeschüttelt wird, wobei drei Mann auf der Backbordseite, zwei Mann auf der Steuerbordseite ihren Posten haben, während der sechste die Ballons einnimmt. Der Schiffsjunge hat seinen Platz an der Stelle, wo die Netze aufgenommen werden, und fischt die bei dem Aufnehmen des Netzes aus den Maschen fallenden Häringe mit einem Hamen aus der See. Der Fang ergab sich als ein mittelguter. Das Quantum betrug fünfundzwanzig Crans (das Maß der Fischer, während im Handel die Tonne und das Barrel den Maßstab giebt).

Die Häringsfischer pflegen über die Lieferung eines bestimmten Quantums Häringe in so und so viel Hundert Crans einen Vertrag mit den Häringssalzern abzuschließen, welche Letztere die Fische, in Barrels gepackt und gesalzen, theils direct verschicken, theils sie wiederum an Großhandlungshäuser zur Versendung übergeben. Der Werth des Fanges dieser Nacht war etwa dreißig Pfd. Sterl. (gleich sechshundert Reichsmark). Die Revision der Netze nach dem Fischen erforderte noch einige Zeit, dann kam der für die Leute willkommene Moment der Ruhe und eines sehr primitiven Genusses, welcher in heißem Kaffee und frischgebratenen Häringen bestand. Auch die Zeit, während die Netze im Wasser waren, wurde noch von Einem der Leute dadurch ausgenutzt, daß er mittelst der Angel dem Blackfischfang oblag. Das Resultat war nicht weniger als zweiundzwanzig Stück dieser Fische von der Größe eines Kabeljaus. Die Burschen machten einen gewaltigen Lärm, wenn sie mit Hülfe einer starken Angelschnur auf Deck geholt wurden.

Die Rückfahrt nach Peterhead war eine sehr langsame, denn da der Wind allmählich abstarb, bedurften wir wohl drei Mal soviel Zeit, als bei der Ausfahrt, denn die Aushülfe der Ruder ist doch nur eine ungenügende. Das Wetter blieb schön. Schon am Vormittage zeigten uns unsere Fischer am Horizonte in einer schwachen Rauchwolke unser Ziel, Peterhead, welches wir erst am Abend erreichten. Bei der Einfahrt in den Hafen war ein gewaltiges Gedränge der ein- und auslaufenden Böte. Immerhin war unsere Fahrt durch das Wetter im höchsten Grade begünstigt gewesen. Die Schwierigkeiten und Gefahren dieser Küstenfischerei sind nicht gering. Noch vor wenigen Wochen hatte ein mehrere Tage währender Sturm, wie unsere Fischer uns in ihrem sonderbaren schottisch-englischen Dialekt erzählten, arg unter der Fischerflotte gehaust und mehrere Menschenleben gefordert. Dennoch lieben diese Leute ihren Beruf, der ihnen reichliche Existenz sichert.

Man rechnete, daß im vorigen Sommer auf einer Strecke der schottischen Ostküste von einer Länge von siebenzig englischen Meilen zwischen Aberdeen und Fraserburgh 1881 Böte mit dem Häringsfang beschäftigt waren, welche Häringe im Werthe von einer halben Million Pfd. Sterl. landeten. Die Gesammtzahl der an der ganzen Ostküste bis nach denn Orkney-Inseln hinauf, und ferner an der Westküste und den Hebriden beschäftigten Böte war aber 5600, welche von 35,000 Leuten bemannt waren. Das Salzen und Packen der Häringe am Lande giebt außerdem noch 30,000 Menschen Beschäftigung. Der Gesammtwerth des schottischen Häringsfischereiertrags (Brutto) war über 1½ Millionen Pfd. Sterl..

Deutschland ist einer der Hauptabnehmer der schottischen Häringe und Stettin der wichtigste Einfuhrplatz. Im Ganzen wurden im Jahre 1873 in das Zollgebiet des deutschen Reichs beinahe 800,000 Tonnen Häringe eingeführt. Um auch Deutschland einen Antheil an dem Ertrage der Fischerei zu sichern, hat sich vor einigen Jahren in Emden die „Emder Häringsfischereigesellschaft“ gebildet, welche den Häringsfang in der Nordsee nach der verbesserten holländischen Methode durch eine Anzahl Logger betreibt. Der Brutto-Werth des Fischereiertrags dieser Gesellschaft war im Jahre 1875 77000 Thaler. Die Förderung der deutschen Fischerei-Interessen ist in neuerer Zeit durch den vor einigen Jahren gebildeten Fischereiverein in Berlin in die Hand genommen. Derselbe ist sehr thätig, verfügt aber leider über nur geringe Mittel. Den Bemühungen dieses Vereins, welcher eine umfassende Untersuchung veranstaltete, sind die soeben erschienenen von dem Custos des landwirthschaftlichen Museums in Berlin, Dr. L. Wittmack, bearbeiteten „Beiträge der Fischereistatistik des Deutschen Reichs, sowie eines Theils von Oesterreich, Ungarn und der Schweiz“ zu verdanken. Dieses werthvolle Werk, welches eine höchst interessante Karte über die Verbreitung der wichtigsten Tafelfische in Deutschland enthält, stellt leider fest, daß fast von allen Seiten über bedeutende Abnahme der Fische geklagt wird. Wer dieses Werk liest, der wird nicht in Zweifel darüber sein, daß die Pflege dieses wichtigen Zweigs der Volksernährung und des Volkserwerbs in Deutschland, verglichen mit England und den Vereinigten Staaten von Nordamerika, viel zu wünschen übrig läßt.

     Bremen, im April 1875.

Dr. M. Lindeman.


Blätter und Blüthen.

Das Hermann-Denkmal im Teutoburger Walde. (Mit Abbildung, S. 357.) Es war im Jahre 1860, einer Zeit der politischen und geistigen Windstillen, als in diesen Blättern auf ein „vergessenes deutsches Denkmal“, das Hermann-Denkmal im Teutoburger Walde bei Detmold, aufmerksam gemacht wurde.

Damals war seit dem Jahre 1846, wo der Unterbau des Denkmals beendigt und mit der Kuppel gekrönt war, ein betrübender Stillstand eingetreten. In Folge der unbehaglichen politischen Mißstimmung flossen die Gaben sehr spärlich, und der Schöpfer und ehrwürdige Baumeister des Denkmals, von Bandel, war vom Teutberge herabgestiegen und hatte sich in Hannover angesiedelt, freilich wohl mit geistiger Arbeit, mit Plänen und Entwürfen zur Vollendung des Denkmals beschäftigt, aber doch dem eigentlichen Schauplatze seiner Thätigkeit entrückt. Es ruhte eben Alles; Mutter Germania saß am Spinnrocken und spann, und nur der Dichter beschwor mahnend den Schatten Hermann’s:

„Von diesen Höhen in die Runde
Nach Nord und Süden wollt’ er schauen,
Zu sehen, ob Germaniens Gauen
Vereinen sich zu einem Bunde,
Ob mit der Stämme Einheit wohl
Zur Wahrheit werde ihr Symbol.
Er harrt und harrt; des Thurmes Quadern
Sind längst bemoost – die Arbeit ruht,
Hier, wie am Werk der Einheit, hadern
Die Bauherr’n mit erhitztem Blut.“

An der Zukunft des Denkmals verzweifelnd und mit der Gegenwart grollend, sahen wir Jahr um Jahr vergehen, aber wie trübe sich auch hier und da die Blicke senken wollten, der Baumeister verzweifelte nicht an dem Gelingen des nationalen Werkes. Der Gedanke, daß keine echte Idee zu Grunde gehe, daß über kurz oder lang um die hadernden deutschen Stämme das Band der Eintracht sich schlingen und dadurch auch das Denkmal seiner Vollendung zugeführt werden müsse, hat ihn und viele Freunde der nationalen Sache in dieser trüben Zeit aufrecht erhalten. Und er hat sich nicht getäuscht.

Wenige Jahre später, am 6. November 1862, richtete dann der Detmolder Hauptverein für das Hermann-Denkmal auf’s Neue eine Aufforderung zu Beiträgen an das deutsche Volk, es wurde lebendiger im Vaterlande. Schleswig-Holstein wurde vom dänischen Joche befreit, und der deutsche Mann von Blut und Eisen, Fürst Bismarck, betrat die politische Schaubühne. Ein frisches fröhliches Wagen trat an die Stelle des Zagens, und die blutigen Schlachten des Jahres 1866 festigten immer mehr das Nationalbewußtsein des deutschen Volkes, so daß im Jahre 1870 und 1871, als Frankreich in seinem Uebermuthe es wagte, unsere Grenzen zu bedrohen, sämmtliche deutsche Männer wie ein Mann vereint sich erhoben, mit einer Bravour, die kaum in der Geschichte ihres Gleichen findet, den Erbfeind besiegten und sich eine solch’ geachtete und gefürchtete Stellung im europäischen Rathe erwarben, wie nie zuvor.

Deutschland, einig und groß, gedachte nun aber auch seiner Ehrenschuld, der Vollendung des Hermann-Denkmals. Kaiser Wilhelm bewilligte unter allgemeiner Zustimmung des Reichstages die noch fehlende Summe von 10,000 Thalern zur Krönung des nationalen Monuments. Mit freudiger, frischer Hoffnung wurden die Arbeiten auf’s Neue begonnen; der Alte vom Berge fand sich im Herbste 1873 wieder auf dem Teut ein und führt nunmehr das Werk täglich mehr seiner endlichen Vollendung entgegen. Heute schon (am 1. Mai), während wir diese Zeilen schreiben,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 359. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_359.jpg&oldid=- (Version vom 22.3.2024)