Verschiedene: Die Gartenlaube (1873) | |
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später auf’s Neue in erniedrigende Abhängigkeit von jenem Manne gebracht hätte. Diese Gefahr ist nun abgewendet für immer; Du kannst ihm das Empfangene zurückzahlen. Wir schulden ihm nichts mehr!“
„Aber er schuldet Dich uns.“ unterbrach sie Windeg bitter, „und er wird sich hüten, diese Schuld je einzulösen. Das ist’s, was mir die Rettung vergällt, die ich vor Kurzem noch aufathmend begrüßt hätte und die mich jetzt zur Verzweiflung treibt um Deinetwillen.“
Eugenie wendete sich ab und beugte sich tief über die Blumen, die neben ihr in einer Vase dufteten.
„Ich bin nicht so unglücklich, wie Du und meine Brüder es vielleicht glauben,“ sagte sie leise.
„Nicht? Meinst Du, ich hätte mich durch Deine Briefe täuschen lassen? Ich wußte es im Voraus, daß Du uns schonen würdest; aber wenn mir noch ein Zweifel geblieben wäre, Deine Blässe spricht deutlich genug. Du bist unglücklich, Eugenie, mußt unglücklich sein an der Seite dieses Menschen, der –“
„Papa, Du sprichst von meinem Gatten!“
Die junge Frau erhob sich so heftig und leidenschaftlich bei diesen Worten, daß ihr Vater zurücktrat und sie betroffen ansah, ebenso erstaunt über diesen Ton wie über die dunkle Purpurgluth, die auf einmal ihr Antlitz bedeckte.
„Verzeih’!“ sagte er sich fassend, „ich kann mich immer noch nicht an den Gedanken gewöhnen, daß meine Tochter einem Arthur Berkow angehört, und daß ich mich in seinem Hause befinde, aber sie zwingen mich ja, es zu betreten, wenn ich mein Kind sehen will. Du hast Recht, ich muß Dich in dem Manne schonen, dem Du nun einmal angetraut bist, wenn ich es auch deutlich genug sehe, wie sehr Du durch ihn gelitten hast und noch leidest.“
Die tiefe Gluth war langsam wieder von Eugeniens Antlitz gewichen, aber noch blieb ein heller Schein davon zurück, als sie gepreßt erwiderte:
„Du irrst, ich habe keine Klage über Arthur. Er hat sich von Anfang an in einer Entfernung gehalten, die ich ihm nur danken kann.“
Das Auge des Barons flammte auf. „Ich wollte ihm und seinem Vater auch nicht rathen, die schuldige Rücksicht gegen Dich zu vergessen; sie verdienten am wenigsten die Ehre, die Du in ihr Haus brachtest, wo bis dahin nicht viel Ehre zu finden war. – Aber eine Genugthuung wenigstens kann ich Dir geben, Eugenie! Du wirst nicht lange mehr den Namen tragen, an dem so viel Gemeinheit, so viel Schändlichkeit gegen uns und Andere haftet, nicht minder schändlich deshalb, weil das Gesetz sie nicht strafen kann. Ich habe dafür gesorgt, daß wenigstens das ein Ende nimmt.“
Die junge Frau sah ihn überrascht an. „Was meinst Du damit?“
„Ich habe die nöthigen Schritte gethan, damit Deinem –“ der Baron schien sich schwer überwinden zu müssen, als er das Wort aussprach – „Deinem Gatten die Erhebung in den Adelstand zu Theil wird. Nur ihm, nicht seinem Vater, dem leiste ich keinen Dienst und den will ich nicht, wenn auch nur formell, in unsern Reihen wissen. Es ist nicht ungewöhnlich, daß mit einer solchen Standeserhöhung auch eine Namensänderung verbunden wird, und das soll auch hier geschehen. Ihr könnt selbst unter den Namen Eurer Güter wählen, welcher Euch am passendsten für das neue Adelsgeschlecht erscheint. Eure Wünsche werden Berücksichtigung finden.“
„Für das neue Adelsgeschlecht?“ wiederholte Eugenie tonlos. „Du bist im Irrthum, Papa, und wenn Du diese Standeserhöhung nur meinetwegen wünschest – doch Du hast Recht, es ist in jedem Fall das Beste! Mir ist der Gedanke schrecklich gewesen, von Arthur’s Großmuth bedingungslos zurücknehmen zu müssen, was er theuer genug gekauft und bezahlt hat. So bieten wir ihm doch etwas dafür! Das Adelsdiplom wird ihm reichlich Ersatz sein für das, was er aufgiebt.“
Es war ein Ausbruch überwallender Bitterkeit in diesen Worten, und doch zuckte mitten durch die Bitterkeit ein verhaltener Schmerz; für Windeg war eins so unverständlich wie das andere. Die Rede seiner Tochter blieb ihm völlig räthselhaft, und er war eben im Begriff, eine Erklärung darüber zu verlangen, als der Diener Herrn Berkow meldete, der den Herrn Baron zu begrüßen wünsche.
Arthur trat ein und näherte sich dem Baron, dem er einige Artigkeiten über sein unerwartetes Eintreffen sagte. Der junge Mann war wieder sehr gleichgültig, sehr blasirt. Man sah es ihm deutlich genug an, daß er nur eine Pflicht der Höflichkeit erfüllte, die ihm gebot, seinen Schwiegervater zu bewillkommnen, der seinerseits die Nothwendigkeit dieser Bewillkommnung über sich ergehen ließ. Da diesmal keine fremden Zeugen zugegen waren, so unterblieb auch die Form des Händedrucks, man ließ es bei einer gegenseitigen kühlen Verneigung bewenden; dann nahm der ältere Herr wieder neben seiner Tochter Platz und der jüngere blieb an seinem Sessel stehen, in der offenbaren Absicht, diesen gezwungenen Besuch im Salon seiner Gemahlin so viel als möglich abzukürzen.
Windeg hätte nicht der vollendete Weltmann sein müssen, um nicht, trotz des aufregenden Gespräches, das er soeben mit Eugenien geführt hatte, sofort den Gesellschaftston wieder zu finden. Es folgten die üblichen Fragen und Erkundigungen nach den verschiedenen Familiengliedern; der Tod des Grafen Rabenau wurde als Veranlassung der Reise erwähnt und sehr förmlich von Arthur bedauert, der jedenfalls keine Ahnung von der Veränderung hatte, die dieser Tod in den Verhältnissen seiner neuen Verwandten hervorrief. Endlich ging der Baron auf ein anderes Thema über.
„Uebrigens bringe ich eine Nachricht aus der Residenz mit, die auch für Sie, Herr Berkow, vom höchsten Interesse ist,“ sagte er artig. „Ich darf wohl annehmen, daß Ihnen die Wünsche Ihres Herrn Vaters in Bezug auf eine Standeserhöhung kein Geheimniß geblieben sind, und kann Ihnen die Versicherung geben, daß ihre Erfüllung nahe bevorsteht. In einem Punkte freilich fand ich unübersteigliche Hindernisse; man hegt gewisse – Vorurtheile gegen Herrn Berkow persönlich, die kaum zu überwinden sein dürften, dagegen ist man sehr gern bereit, einen unserer ersten Industriellen dadurch auszuzeichnen, daß man seinem Sohne den Adel ertheilt. Ich hoffe Ihnen in Kurzem dazu gratuliren zu können.“
Arthur hatte zugehört, ohne eine Miene zu verändern. Jetzt hob er das Auge empor, und sofort richtete sich Eugeniens Blick mit einem ihr selbst unerklärlichen Interesse auf diese Augen, obgleich augenblicklich darin nicht das Geringste zu lesen war.
„Darf ich fragen, Herr Baron, ob in dieser Angelegenheit allein die Wünsche meines Vaters oder auch Rücksichten auf Ihre Tochter vorwaltend waren?“
Windeg bekämpfte eine leichte Verlegenheit. Er hatte sicher auf einen Dank gerechnet und nun kam statt dessen diese seltsame Frage. „Unsere beiderseitigen Wünsche kamen sich wohl entgegen, nachdem die Verbindung einmal geschlossen war,“ erwiderte er etwas gezwungen. „Uebrigens verhehlte ich schon damals Herrn Berkow nicht meine Bedenken wegen einer persönlichen Standeserhöhung und erhielt von ihm die Versicherung, daß er im Nothfall darauf verzichten würde, zu Gunsten seines einzigen Sohnes und Erben, dem er ja damit allein eine glänzende Zukunft schaffen wollte.“
„Dann bedaure ich, daß mein Vater mich nicht von dem Fortschreiten einer Sache unterrichtet hat, die ich nur als unbestimmten Plan kannte,“ sagte Arthur kühl. „Und ich bedaure noch mehr, Herr Baron, daß Sie Ihren Einfluß für eine Ehre verwandt haben, die ich leider ablehnen muß.“
Der Baron fuhr auf und sah seinen Schwiegersohn mit starren Augen an.
„Verzeihen Sie, Herr Berkow! Ich hörte wohl nicht recht? Mir däucht, Sie sprechen von Ablehnung?“
„Von der Ablehnung des Adels, wenn er mir angeboten würde – ja, Herr Baron.“
Windeg war vollständig aus der Fassung gebracht, was ihm sicher nicht oft passirte. „Nun, dann muß ich Sie doch bitten, mir den Grund dieser, gelinde gesagt, seltsamen Weigerung zu nennen. Ich bin höchst begierig darauf.“
Arthur sah zu seiner Frau hinüber. Sie war zusammengezuckt bei seinen Worten, und die dunkle Röthe ergoß sich wieder heiß über ihre Wangen. Beider Augen begegneten sich und ruhten einige Secunden lang ineinander, aber es schien nicht, als habe der junge Mann viel Nachgiebigkeit geschöpft aus diesem Blicke, denn seine Stimme hatte einen entschiedenen Anflug von Trotz, als er erwiderte:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_140.JPG&oldid=- (Version vom 21.5.2018)