Verschiedene: Die Gartenlaube (1873) | |
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Gegenwart, nimmermehr! Aber die gnädige Frau hörte dieser Versicherung mit auffallender Zerstreutheit zu, und es gelang ihm während des ganzen Weges nicht, ihre Aufmerksamkeit zu fesseln, so viele Mühe er sich auch damit gab.
Hartmann hatte das Gitter wieder angelehnt und war langsam nach dem Hause zurückgekehrt. Vor der Thür desselben aber blieb er stehen und blickte unverwandt nach dem Parke hinüber, in dessen Alleen die beiden Gestalten soeben verschwanden. –
„Ich dächte, Ulrich, wenn Du einmal Nein gesagt hättest, so bliebe es dabei!“
Der junge Mann wandte sich hastig um und ein finstrer Blick glitt über Martha hin, die an seiner Seite stand.
„Was geht das Dich an?“ fragte er unfreundlich.
„Mich? Nichts! Schau nicht so finster d’rein, Ulrich; Du bist mir böse, weil ich die gnädige Frau an das Tuch erinnert habe, aber es gehört ihr doch nun einmal, und was willst Du denn auch mit dem zarten weißen Dinge anfangen? Du kannst es ja nicht einmal anrühren, wenn Du von der Arbeit kommst, – angesehen hast Du es freilich genug.“
Es lag ein leiser, aber doch unverkennbarer Hohn in der Stimme des Mädchens, und auch Ulrich mußte ihn herausfühlen, denn er fuhr heftig auf.
„Laß’ mich in Ruhe mit Deinem Spotten und Deinem Spioniren! Ich sage Dir, Martha –“
„Nun, nun, was giebt es denn da draußen? Zankt Ihr Euch etwa?“ tönte die Stimme des Schichtmeisters dazwischen, der jetzt gleichfalls in die Thür trat.
Ulrich kehrte sich grollend ab, aber er schien keine Lust zu haben, den Streit fortzusetzen, während Martha, ohne dem Oheim eine Antwort zu geben, an ihm vorüber in’s Haus eilte.
„Was hat denn das Mädchen?“ fragte der Schichtmeister, verwundert ihr nachsehend, „und was war denn das zwischen Euch beiden? Hast Du sie wieder einmal rauh angelassen?“
Ulrich warf sich mit einer trotzigen Bewegung auf die Bank nieder.
„Ich lasse mir nicht vorhalten, was ich thun und lassen soll, am wenigsten von der Martha!“
„Nun, die thut Dir doch gewiß nichts zu wehe!“ meinte der Vater ruhig.
„Mir nicht? Warum gerade mir?“
Der Schichtmeister sah seinen Sohn an und zuckte die Achseln. „Höre Junge, hast Du keine Augen im Kopfe, oder willst Du es nicht wissen? Freilich, Du hast Dich ja niemals um die Frauenzimmer gekümmert, und da ist’s am Ende kein Wunder, wenn Du sie ganz und gar nicht begreifst.“
„Was soll ich denn begreifen?“ fragte der junge Mann aufmerksam werdend.
Der Vater nahm die Pfeife aus dem Munde und blies eine Rauchwolke vor sich hin. „Daß Dich die Martha gern hat!“ erwiderte er lakonisch.
„Die Martha? Mich?“
„Ich glaube wahrhaftig, er hat es noch nicht gewußt!“ sagte der Schichtmeister mit aufrichtiger Verwunderung. „So etwas muß ihm erst sein alter Vater sagen! Aber das kommt davon, wenn man die Nase immer in Dinge steckt, die einem nur den Kopf wirr machen! Weiß Gott, Ulrich, es wäre Zeit, daß Du endlich einmal all den anderen Geschichten den Abschied gäbest und eine ordentliche Frau nähmest, die Dich auf bessere Gedanken bringt.“
Ulrich blickte nach dem Parke hinüber und seine Augen nahmen wieder den starren, düsteren Ausdruck an, wie vorhin.
„Du hast Recht, Vater,“ sagte er langsam, „es wäre Zeit!“
Der Alte ließ vor Ueberraschung beinahe die Pfeife fallen. „Junge, das ist das erste gescheite Wort, was ich von Dir höre! Bist Du endlich zu Verstande gekommen? Ja, freilich ist es Zeit! Du kannst längst eine Frau ernähren und Du findest weit und breit keine hübschere, bravere, gescheitere, als die Martha. Wie froh ich wäre, wenn aus Euch beiden ein Paar würde, das brauche ich Dir doch nicht erst zu sagen. Ueberlege Dir die Sache einmal!“
Der junge Mann war aufgesprungen und ging heftig auf und nieder. „Vielleicht wär’s das Beste! Ein Ende muß doch einmal gemacht werden, es muß! das habe ich heut erst wieder gesehen, also – je eher, je lieber!“
„Was hast Du denn? Womit soll ein Ende gemacht werden?“
„Nichts, Vater, nichts. Aber Du hast ganz Recht, wenn ich erst eine Frau habe, dann weiß ich auch, wo ich mit meinen Gedanken hingehöre – Du glaubst also, daß die Martha mich gern hat?“
„Geh hin und frage sie selbst!“ rief der Schichtmeister lachend. „Meinst Du denn, daß ich das Mädchen noch im Hause hätte, wenn sie einen Anderen wollte? Der fehlt es wahrhaftig nicht an Freiern! Ich weiß genug, die sie möchten, und der Lorenz giebt sich nun schon seit Jahr und Tag vergebene Mühe. Er hat noch immer kein Ja bekommen; Du bekommst es noch heute, wenn Du willst, verlaß Dich darauf!“
Ulrich hörte gespannt zu, aber trotz dieser für ihn doch so schmeichelhaften Erklärung war nicht viel von Glück oder Befriedigung auf seinem Gesichte zu lesen. Er sah aus, als zwinge er mit Gewalt irgend ein rebellisches Etwas nieder, das ihn nicht zum Entschluß kommen lassen wollte, und es war auch etwas Wildes, Krampfhaftes in dem jäh aufflammenden Entschluß, mit dem er sich jetzt zum Vater wandte.
„Nun gut, wenn Du meinst, daß ich keinen Abschlag bekomme, so – so will ich mit der Martha sprechen.“
„Jetzt gleich?“ fragte der Schichtmeister betroffen. „Aber, Ulrich, man freit doch nicht so über Hals und Kopf, wenn man eine Viertelstunde vorher noch keine Idee davon gehabt hat! Ueberlege Dir die Sache doch erst.“
Ulrich machte eine ungeduldige Bewegung. „Wozu das lange Abwarten! Ich muß wissen, woran ich bin. Laß mich hinein, Vater!“
Der Vater schüttelte den Kopf, aber er hatte viel zu große Furcht, der so plötzlich gefaßte Entschluß könne seinem Sohne wieder leid werden, um ihn ernstlich zurückzuhalten. In seiner Herzensfreude kümmerte es ihn wenig, wenn die so sehnlichst gewünschte Verbindung in etwas ungewöhnlicher Art zu Stande kam; er beschloß im Gegentheil, ganz ruhig hier draußen zu bleiben, damit die jungen Leute drinnen ungestört mit einander fertig werden könnten, denn er kannte Ulrich genug, um zu wissen, daß eine unzeitige Einmischung seinerseits jetzt alles verderben würde.
Der junge Mann war inzwischen rasch, als wolle und dürfe er sich auch nicht eine Minute Zeit zum Besinnen gönnen, durch den Hausflur geschritten und hatte die Thüre der Wohnstube geöffnet. Martha saß am Tisch, die sonst so fleißigen Hände müßig im Schooße; sie schaute nicht auf, als er eintrat, und schien sich auch nicht darum zu kümmern, daß er dicht neben ihrem Stuhle stehen blieb; desto besser sah er, daß sie geweint hatte.
„Trägst Du es mir nach, Martha, daß ich vorhin wieder einmal aufgefahren bin? Es thut mir leid – was siehst Du mich so an?“
„Weil es das erste Mal ist, daß Dir das leid thut! Du hast sonst wenig darnach gefragt, wie ich’s nehme – so laß es auch heut.“
Der Ton klang kalt und abweisend genug, aber Ulrich ließ sich dadurch nicht zurückscheuchen. Die Enthüllungen des Vaters mußten trotz alledem doch mächtig auf seine störrische Natur gewirkt haben, denn seine Stimme klang ungewöhnlich milde, als er entgegnete:
„Ich weiß, daß ich ein ganzes Theil schlimmer bin, als die Anderen, aber ich kann’s nun einmal nicht ändern. Du mußt mich schon nehmen, wie ich gerade bin, und vielleicht machst Du auch noch etwas Besseres aus mir.“
Das Mädchen hatte schon beim ersten Ton befremdet aufgeblickt, und in seinem Gesicht mußte wohl etwas Ungewöhnliches liegen, denn sie machte eine heftige Bewegung, um aufzustehen. Ulrich hielt sie fest.
„Bleib’ hier, Martha! Ich habe mit Dir zu reden; ich wollte Dich fragen – nun, viel Worte kann ich nicht machen, und das braucht’s ja auch nicht zwischen uns. Wir sind Geschwisterkinder, sind seit Jahren zusammen in einem Hause; Du wirst am besten wissen, was Du von mir zu halten hast, und Du weißt auch, daß ich Dich immer gern gehabt habe, trotz alles Streitens – willst Du meine Frau werden, Martha?“
Die Werbung kam so gewaltsam, so stürmisch und heftig heraus, wie es in dem Wesen des Freiers lag. Er athmete tief auf, als sei mit dem entscheidenden Worte auch eine Last
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_090.JPG&oldid=- (Version vom 21.5.2018)