Verschiedene: Die Gartenlaube (1871) | |
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Wahlcapitulation ausdrücklich ausbedang: „die ansehnlichsten Aemter als Landeshauptmannschaft etc. sollten vor allen andern den Domherrn selbst verliehen werden“. Ohne Zweifel glaubte man unter einem jungen lebensfreudigen und prachtliebenden Erzbischofe dieses Ziel leichter erreichen zu können als unter einem andern, gleich seinem Vorgänger Georg, von dem die Chronik nur meldet, daß er einen „sehr großen, fetten Leib besessen habe, obwohl er nicht viel zu essen pflegte.“ Wolf Dietrich scheint jedoch den Erwartungen des Domcapitels nur wenig entsprochen zu haben. Wegen seiner Jugend anfangs vom Volke nicht besonders geachtet, gewann er bald die Liebe seiner Unterthanen durch weise und entschiedene Regierungsmaßregeln. „Er ließ,“ sagte der Chronist, „die Pfleger, d. h. Vögte und Bedrücker des Volkes, zum warnenden Beispiel an den Pranger stellen, mit Ruthen aushauen oder sonst des Landes verweisen.“ Solche Maßregeln mögen gerade nicht nach dem Geschmacke des Domcapitels gewesen sein, und, wie sich später zeigte, trat schon damals eine Mißstimmung zwischen dem Erzbischofe und seinem Domcapitel ein, die durch das selbstbewußte, autokratische Wesen des Fürsten im Laufe der Zeit jedenfalls noch gesteigert wurde. Wie väterlich Wolf Dietrich für die Bedürfnisse seines Volkes sorgte, ersieht man daraus, daß er zur Zeit der Theuerung den Armen das Korn, das sonst elf bis dreizehn Gulden kostete, aus dem „Hofkasten“ um acht Gulden verkaufen ließ. Auch für die geistigen Bedürfnisse seiner Unterthanen trug Wolf Dietrich Sorge. Gegen die Unwissenheit der Geistlichen gründete er eine höhere Lehranstalt, deren Leitung er den Franziskanern übertrug.
Schon bei der Gründung dieser Klosterschule traten die ersten Spuren einer Dissonanz mit Baiern zu Tage, welche später dem Erzbischof so verderblich werden sollte. Der bigotte Herzog Wilhelm von Baiern empfahl nämlich Wolf Dietrich zur Leitung der neuen Schule die Jesuiten, allein der Erzbischof „weigerte sich standhaft, denselben in seiner Residenz einen beständigen Aufenthalt zu geben,“ was ihm nachher von bairischer Seite den Vorwurf zuzog, „als ob er die Protestanten heimlich begünstigte.“ Auch für den jungen Adel und „die Jugend des Volkes“ errichtete Wolf Dietrich Schulen. In den Volksschulen sollte „Buchstabiren, Lesen, Schreiben, Rechnen“ gelehrt werden (Schulordnung vom 15. Februar 1594). Wie sehr der Erzbischof den Jesuiten abgeneigt war, beweist noch ein anderer Umstand. Als nämlich im Februar 1604 Herzog Wilhelm von Baiern „in größter Stille mit einigen Jesuiten nach Salzburg kam, um nach St. Wolfgang zu wallfahrten,“ verbot Wolf Dietrich seinen Unterthanen „bei schwerer Strafe auf der Gasse zu stehen, aus dem Fenster zu sehen, vielweniger aber dem Zuge selbst nachzulaufen.“ Es läßt sich denken, daß ein solches Vorgehen des Erzbischofs Seitens der Jesuiten und ihres Anhangs sehr übel vermerkt wurde. Auffallender Weise blieb jedoch Wolf Dietrich trotz alledem am päpstlichen Hofe gut angeschrieben, und der Papst hatte sogar die Absicht, ihn zum Cardinal zu erheben, was jedoch der kaiserliche Gesandte Veit von Dornberg im Einverständnisse mit Kaiser Rudolph zu hintertreiben wußte. Es ist dies um so befremdlicher, als Wolf Dietrich sich großer Gunst und Achtung „bei des Kaisers Majestät“ erfreute und auf dem Regensburger Reichstage (1594) von dem Monarchen in so hervorragender Weise ausgezeichnet wurde, daß er dadurch den Neid des bairischen Erbprinzen Maximilian, des nachmaligen Hauptes der Liga und Wolf Dietrich’s unversöhnlichsten Gegners, erregte. Es müssen hier merkwürdige Intriguen in einander gespielt haben.
Gegen die Salzburger Lutheraner ergriff Wolf Dietrich verschiedene Maßregeln, wahrscheinlich auf Betreiben Roms, von wo er im Jahre 1588 zurückgekehrt war, nachdem er dem Papste persönlich seinen Dank für die Bestätigung seiner Wahl dargebracht hatte. Das von ihm erlassene „verschärfte Reformationsmandat vom 9. September 1588“ bekundet trotz seiner „verschärften neun Artikel, immerhin noch eine gewisse Milde gegen die Irrgläubigen“. Ebenso bezeichnend ist es, daß er, als er im Jahre 1596 die Gegenreformation im Gebirge unternahm, diese damit begann, daß er den Franziskaner Tobias Henschel als „Religionslehrer“ hinausschickte. Er wollte also die „Ketzer“ auf dem Wege der Ueberredung und Ueberzeugung wieder in den Schooß der Kirche zurückführen. Der Sendbote fand jedoch hartnäckigen Widerstand, namentlich zu Wagrain. Als der Mönch dem Erzbischof rieth, er möge die „Rädelsführer“ der Wagrainer Lutheraner nach Radtstadt locken, um sich hier derselben zu bemächtigen, wies Wolf Dietrich den Vorschlag „mit Entrüstung“ zurück und zog es vor, lieber das Werk der Gegenreformation ganz fallen zu lassen, als sich einer so „treulosen Handlung“ schuldig zu machen. Auch dies wurde ihm in der Folge sehr übel ausgelegt.
Man sieht aus diesen einzelnen Zügen, daß Wolf Dietrich, wenn er auch katholischer Kirchenfürst war und als solcher z. B. kein Bedenken trug, die Häuser der ausgewanderten Salzburger Lutheraner zur Verschönerung seiner Residenz zu verwenden, doch durchaus nicht dem Grundsatze von den „durch den Zweck geheiligten Mitteln“ huldigte und für einen Erzbischof des erzkatholischen Salzburg zu Anfang des siebenzehnten Jahrhunderts immerhin ganz merkwürdig liberale Anschauungen bekundet. Freilich muß man sich hierbei stets die Zeit, den Ort und die ganze Situation gegenwärtig halten, wenn man die Persönlichkeit richtig beurtheilen will. Auch als Maximilian von Baiern im Jahre 1609 die katholische Liga schloß, war es Wolf Dietrich, welcher sich alles Drängens ungeachtet standhaft weigerte, dem Bündnisse beizutreten. „Er wolle seinen Unterthanen nicht dergleichen neue Servituten aufbürden,“ schrieb er in dieser Angelegenheit im Jahre 1610 an den Erzbischof von Mainz. „Er sei Manns genug, sich selbst zu schützen, auch könnten im Nothfall die oberländischen Stifter im Reiche ihm wenig Hülfe bringen.“
Uebrigens war das Verhalten des Erzbischofs gegen die Liga und die deutschen Protestanten keineswegs die Ursache seines Sturzes und seiner Gefangenschaft, sondern diese resultirten aus ganz anderen, rein materiellen Gründen. Schon seit langen Jahren gab es nämlich zwischen Wolf Dietrich und Herzog Maximilian erbitterte Streitigkeiten wegen der Ausfuhr des Salzburger Salzes, die, nothdürftig beglichen, stets wieder auf’s Neue ausbrachen. Die endlosen Weiterungen zwischen dem Erzbischof und dem Herzog führten endlich zum vollständigen Bruche. Umsonst hatte Maximilian versucht, sowohl den Kaiser als den Erzherzog Ferdinand zu Graz von der Gerechtigkeit seiner Ansprüche zu überzeugen. Ueberall zurückgewiesen, griff er zur Gewalt. Dabei wußte er es jedoch so einzurichten, daß er dem heftigen Erzbischof, trotz der vielfach ausgesprochenen und bethätigten Bereitheit dieses Letzteren zu einem gütlichen Vergleiche, noch überdies das Gehässige des Landfriedensbruchs zur Last schieben konnte, denn Wolf Dietrich, auf’s Aeußerste getrieben, eröffnete die Feindseligkeiten damit, daß er das Berchtesgadener Ländchen durch seinen Obersten Ehrgott besetzen und gegen Baiern sperren ließ.
Nun sammelte Maximilian bei Berghausen ein Heer von zehntausend Mann unter Tilly und rückte damit gegen das Salzburgische vor. Durch seine Emissäre wußte er gleich zu Anfang das Domcapitel von dem Erzbischof zu trennen. Die Domherren verbanden sich untereinander „durch feierlichen Eid“, sich „mit Baiern in keine Feindschaft einzulassen“. Jetzt hatte Maximilian gewonnenes Spiel. Am 22. October betrat er an der Spitze seines Heeres bei Tittmoning das Salzburgische Gebiet. Die Stadt ergab sich schon nach dem zweiten Kanonenschusse. Besser hielt sich das von dem Pfleger Ehrenreich Schneeweiß vertheidigte Schloß, vor welchem Maximilian um ein Haar durch einen Pinzgauer Scharfschützen erschossen worden wäre, hätte nicht der Pfleger, welcher den Herzog persönlich kannte, den Soldaten daran verhindert. Anstatt Maximilian’s fiel der neben ihm haltende Hauptmann der sicheren Kugel des Pinzgauers zum Opfer. Gegen Abend capitulirte das Schloß. Wolf Dietrich, der sich von seinem Domcapitel verrathen und von seiner bewaffneten Macht im Stiche gelassen sah, bat nun um Einstellung der Feindseligkeiten, allein Maximilian wies alle Unterhandlungen zurück. Jetzt erkannte der Erzbischof, daß er verloren war. In Begleitung seines Untermarschalls Thomas Perger und dreizehn Mann flüchtete er in weltlicher Kleidung nach Golling. Als er den Degen umgürtete und zu Pferde stieg, rief er den hierbei gegenwärtigen Domherren zu: „Behüte Euch Gott! Nun seht Euch um nach einem andern Herrn!“
Nach der Entfernung des Erzbischofs begab sich das Domcapitel sogleich zu Hofe, nahm alle Beamten und Räthe in Pflicht des Capitels, obwohl der Erzbischof demselben durch einen hinterlassenen Brief die Regierung nur in seinem Namen übertragen hatte, installirte sich am 24. October mit allen Förmlichkeiten wie bei einer wirklichen Stuhlerledigung und schickte Gesandte an Maximilian. Zugleich erließ das Capitel Befehle, den Erzbischof
Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 739. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_739.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)