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Seite:Die Gartenlaube (1871) 508.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


giebt. Im Jahre 1631 besuchte Albrecht von Wallenstein, der berühmte Feldherr des dreißigjährigen Krieges, das bereits bekannte Bad. Ihm folgte 1711 Peter der Große, an den noch heute eine von russischen Curgästen errichtete Gedenktafel erinnert. Außer andern berühmten und vornehmen Curgästen verweilten hier der gelehrte Leibnitz, Prinz Eugen, „der edle Ritter“, Schwerin und Laudon, die Helden des siebenjährigen Krieges, Kaiser Joseph der Zweite, der fromme Gellert und der humane Herder.

Ein häufiger Gast war Goethe, der zum ersten Mal 1785 mit seiner geistreichen Freundin Charlotte von Stein in Karlsbad erschien und vierzehn Mal wiederkehrte. Zuletzt führte den damals vierundsiebenzigjährigen Dichter weniger ein körperliches Leiden her, als seine tiefe Neigung für das schöne Fräulein Ulrike von Levezow, das noch einmal sein jugendliches Herz entflammte. Hier gedachte er den in Marienbad angesponnenen Roman durch eine dauernde Verbindung glücklich abzuschließen, indem er der jungen, reizenden Dame seine Hand bot. Aber die Ungleichheit des Alters und noch manche andere Bedenken bewogen sie, die ihr angebotene Ehre, wenn auch in zartester Form, zurückzuweisen. Mit blutendem Herzen riß er sich von der holden Erscheinung los, schied er von ihr und dem sonst ihm so angenehmen Karlsbad, um Beide nie wieder zu sehen. Was und wie er damals empfunden und gelitten, sprach er in jener Elegie, dem Schwanengesange seiner Liebe, aus:

„Ein Kuß, der letzte, grausam süß zerschneidend
Ein herrliches Gebild verschlungner Minnen.
Nun eilt, nun stockt der Fuß, die Schwelle meidend,
Als trieb ein Cherub flammend ihn von hinnen!
Das Auge starrt auf düstren Pfad verdrossen,
Es blickt zurück, die Pforte steht verschlossen.“

Während der alte Goethe in Karlsbad von seiner Liebe für immer Abschied nahm, feierte hier Schiller im Jahre 1791 seine Flitterwochen, nachdem er sich kurz vorher mit seiner geliebten „Lotte“ vermählt hatte. Sieben Jahre später machte er in dem nahen Eger seine Studien zu der „Wallenstein-Trilogie“. Eine schwarze Tafel mit goldener Inschrift bezeichnet daselbst das Haus auf dem Marktplatz, wo er den Stoff zu seinem erhabensten und vollendetsten Drama sammelte. Der durch seinen Vater Schiller befreundete und einigermaßen geistig ihm verwandte Theodor Körner war 1811 und 1813 in Karlsbad, wo er die mächtigen, alten Eichen in dem alten „Dallwitz“ durch ein schönes Gedicht verherrlichte. Wenige Wochen später fiel der jugendliche Sänger von „Leier und Schwert“ durch eine französische Kugel im heiligen Kampf für das deutsche Vaterland. Noch zwei Helden der Befreiungskriege nennen die früheren Curlisten, den Fürsten Karl von Schwarzenberg und den alten Blücher. Von dem Letzteren erzählt der wackere Karlsbader Chronist Stöhr die humoristische Aeußerung: „Ich war immer ein Todfeind des Wassertrinkens und jetzt führt mich der Teufel daher, wo ich Wasser ex officio saufen muß.“

Auf die Helden folgten die Diplomaten, welche mit der Feder verdarben, was die Schwerter gut gemacht. Unter dem Vorsitz von Metternich und Gentz wurden hier jene berüchtigten „Karlsbader Beschlüsse“ gefaßt, die zwischen frivolen Zerstreuungen und Liebeshändeln Deutschlands Schmach decretirten. Bis in die neueste Zeit fehlte es in Karlsbad nicht an berühmten und hervorragenden Gästen, unter denen die Dichter und Schriftsteller Chateaubriand, Jesaias Tegnér, Mickiewitz, Fürst Pückler-Muskau, Herwegh, Max Waldau, Geibel, Gervinus, Halm etc. besonders bemerkenswerth erscheinen. Im Jahre 1864 sah man hier den österreichischen Kaiser an der Seite Königs Wilhelm von Preußen und Bismarck Arm in Arm mit dem damaligen Minister Grafen Rechberg in innigster Eintracht wandeln. Gegenwärtig findet man auch in der diesjährigen Saison so manche interessante Erscheinung, manche nennenswerthe Persönlichkeit, wie zum Beispiel jenen älteren Herrn mit dem ernsten, aber freundlichen Gesicht, dessen schlichtes, einfaches Wesen weder seinen hohen Rang noch seine nahe Verwandtschaft mit dem preußische Königshause verräth. Es ist der Prinz Adalbert, der Admiral der deutsche Flotte, und die schlanke Dame an seiner Seite seine Gemahlin, die Frau von Barnim, Schwester der gefeierten Tänzerin Fanny Elsler. Beide leben so still und zurückgezogen in Karlsbad, daß man kaum von ihrer Anwesenheit weiß. Dagegen dürfte es kaum möglich sein, dort die untersetzte Dame in ihrer mehr eleganten und auffallenden als geschmackvollen Toilette und mit ihrem lebhaften Wesen zu übersehen. Einst eine viel genannte Bühnenkünstlerin, hat sie das Podium mit einem Fürstenschloß und ihr Theaterdiadem mit einer wirklichen Herzogskrone vertauscht; aber trotz ihres hohen Ranges kann und will sie nicht ihre alten Gewohnheiten vergessen, woraus wir ihr jedoch keinen Vorwurf machen wollen. Mit lautem Gruß redet die hohe Frau einen alten Bekannten an, dessen mehr interessantes als schönes Gesicht mit dem gelblichen Teint, den blitzenden dunklen Augen und dem energischen Ausdruck keinen gewöhnlichen Geist verräth, während die elastische, gedrungene Figur eine trotz der Jahre und mannigfacher Leiden bewahrte unverwüstliche Jugendkraft verkündigt. Der wohlbekannte Gast, dessen charakteristische Züge jetzt ein feines, angenehmes Lächeln erhellt, ist kein Anderer, als Heinrich Laube, Deutschlands erster Dramaturg und einer unserer besten Bühnendichter. Wie seine äußere Erscheinung ist auch sein ganzes inneres Wesen und seine Unterhaltung elastisch, schlagfertig, scharf, ohne zu verletzen, schneidend, aber stets gerecht und wahr. Jetzt verabschiedet er sich von der Herzogin mit einer Verneigung, um seine Hand einem Künstler zu reichen, der mit einem seltenen Talent eine noch seltenere Bescheidenheit und Liebenswürdigkeit verbindet. Im angeregten Gespräch wandert neben Laube der Meister und Begründer einer neuen Malerschule, dem wir die Bilder des „Wallenstein und Seni“, des dämonisch auf den Brand des angezündeten Roms niederblickenden „Nero“ verdanken, der geniale Piloty aus München. Dicht hinter dem Künstlerpaar geht die verkörperte Prosa, der „Herr in Grau“, mit grauem Haar, grauem Hut, grauem Rock, dem man wohl schwerlich ansieht, daß er im eigentlichen Sinne ein goldener Mann, der Repräsentant der so mächtigen materiellen Interessen, der Beherrscher von Millionen in des Wortes verwegenster Bedeutung, der König der europäische Börse, kurz, daß er der Freiherr von Rothschild aus Wien ist.

Immer größer wird der Kreis, der unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Dort an der Felsenquelle steht ein alter Bekannter der Gartenlaube, Franz Wallner, und erzählt den amüsirten Zuhörern mit der ihm eigenen drastischen Lebendigkeit von seiner Reise nach Aegypten, wo er wegen seiner leidenden und angegriffenen Gesundheit längere Zeit gelebt hat. Wenn er auch etwas von seinem früheren Embonpoint verloren, so hat er doch keineswegs den alten gemüthlichen Humor eingebüßt, womit er seine kleinen Scherze über die alten und modernen ägyptischen Mysterien und seine Geschichten von dem Ufern des Nils würzt. Zuweilen unterbricht ihn sein witziger College, dessen dunkler Teint und schwarze feurige Augen nicht den südlichen, wie ich glaube, französischen Ursprung verleugnen, obgleich es keinen besseren deutschen Theaterdirector als Herrn Maurice giebt, den Besitzer und Leiter der Hamburger Thalia-Bühne, von der Künstler wie Dawison, Friederike Goßmann, Charlotte Wolter etc. ausgegangen sind, die zum großen Theil ihren Ruf und auch öfters ihre Ausbildung ihm zu verdanken haben.

Auch die Wissenschaft hat ihre Vertreter nach Karlsbad gechickt; am Marktbrunnen sehen wir an der Seite der geistvollen Gattin den berühmtem Kunstkenner und Aesthetiker, Professor Lübke aus Stuttgart, eben so angenehm und wohlthuend im persönlichen Umgang, wie bedeutend und gediegen in seinen Schriften und Vorträgen, indem er das Schöne mit dem Wahren, die Aesthetik mit der reinsten Ethik zu verbinden weiß. Am Sprudel bemerken wir den in seiner äußern Erscheinung so liebenswürdigen, als in seinem Fache hochverdienten Physiologen Czermak aus Leipzig, dem die Medicin die hochwichtige Erfindung des „Kehlkopfspiegels“ und außerdem noch manche andere interessante Bereicherung verdankt. Ein wahrer Gentleman in seinem ganzen Wesen und Benehmen, besitzt er dazu noch den Fleiß, die Freundlichkeit und das tiefe Wissen des deutschen Gelehrten. In diesem Augenblick setzt er einem nicht minder talentvollen jüngern Collegen aus Dorpat die bedeutende Aufgabe auseinander, die er sich für den nächsten Winter gestellt hat, nämlich in einer Reihe populärer und allgemein verständlicher Vorträge, die mit demonstrativen Experimenten von ihm verbunden werden sollen, die bisher in den engen Kreis der Studenten gebannte Wissenschaft nach Art der Engländer allen Gebildeten zugänglich zu machen; wofür ihn sein Talent und seine ihm sonst zu Gebote stehenden Mittel ganz besonders befähigen, wie dies die von ihm bereits in Jena und Leipzig vor einem solchen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 508. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_508.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)