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Seite:Die Gartenlaube (1871) 347.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

reformatorischen Systems des Krankenhaus-Baues hinzugefügt und sich besonders um die ärmere Bevölkerung, der ja ein öffentliches Krankenhaus vorzugsweise zu Gute kommt, sehr verdient gemacht. Indem sie mit diesem Humanitäts-Werke „den Besten ihrer Zeit genug gethan“, haben sie ihren Namen ein „Leben für alle Zeiten“ in der Geschichte der Stadt Leipzig und klinischer Institute überhaupt gesichert. Daß ihre Pläne eine so praktische, bis ins Detail zweckmäßige Verwirklichung fanden, ist den ganz vorzüglichen Kräften zu danken, die ihnen zur Seite standen und von denen neben dem umsichtigen Stadt-Baudirector Dost in erster Linie der Hospital-Verwalter Friedrich zu nennen ist. Wie sorgfältig besonders Letzterer bestrebt gewesen ist, bis in’s Kleinste Pläne und Absichten der genannten klinischen Autoritäten auszuführen und überall etwas Musterhaftes zu schaffen, kann man nur bei einem längeren Besuch des Hospitals würdigen.

Es würde uns hier zu weit führen, wollten wir ein specielles Bild des Hospitals und seiner Einrichtung geben. Für Behörden, Aerzte und solche, die sich dafür interessiren, steht eine officielle, genaue Schilderung in Aussicht. Wir können uns damit begnügen, einen flüchtigen Rundgang durch die Räume zu machen. Das Hauptgebäude enthält die für den Betrieb und die Verwaltung erforderlichen Zimmer, die Beamtenwohnungen, die Küche, Bäckerei, Vorrathsräume, Apotheke, die Kirche, und außerdem zahlreiche Privatkrankenzimmer und mehrere Krankensäle. Alles ist auf’s Zweckmäßigste durch Corridore verbunden und so angeordnet, daß der Verkehr der Kranken und des Dienstpersonals soviel wie möglich erleichtert ist. Aufzüge für Speisen und Brennmaterial vergrößern die Bequemlichkeit. Ein wahres Muster an Großartigkeit und praktischer Einrichtung ist die riesige Küche, in der ein kolossaler Füllofen mit allen erdenklichen Vorrichtungen zum Kochen, Wärmen, Braten etc. die Patienten versorgen soll. Außerdem werden noch verschiedene Dampfkessel zur Bereitung von Fleisch, Gemüse, Suppe, Kaffee, Milch etc. dienen. Nicht minder großartig sind die Heizungsvorrichtungen für die eigentlichen Räume des Krankenhauses, zwei Schuttöfen von imponirender Größe. Daß die Krankenräume luftig, hell und mit vortrefflicher Ventilation versehen sind, daß Gas- und Wasserleitung alle Räume durchziehen und daß die Desinfection der Aborte nach Süvern’s System, sowie die Fortführung der Excremente in das Reservoir eine vorzügliche ist, bedarf kaum der Erwähnung.

Durch den an den Parterrecorridor sich schließenden Verbindungsgang der Baracken begeben wir uns in eine solche. Wir sehen einen länglichen Saal vor uns, dessen massive Umfassungsmauern ein spitz zulaufendes, am First mit einem sogenannten Dachreiter versehenes Dach tragen. Ein solcher Saal ist fünfzig Ellen lang, sechszehn Ellen breit und hat an der Mauer eine Höhe von sieben und ein halb, in der Mitte eine solche von zehn und ein viertel Ellen. Der Fußboden ruht auf einem gemauerten Unterbau, befindet sich circa drei Ellen über dem Terrain und ist derartig construirt, daß zwischen den Pfeilern des Unterbaues die Luft eintreten und von unten, behufs Vermehrung der Ventilation, in die großen, zugleich heizenden und ventilirenden Oefen gelangen kann, deren jede Baracke drei besitzt. Der Fußboden ist mit Coaks gefüllt, damit der Schall der Tritte sowie die Schwingungen möglichst vermieden werden. Auf jeder Seite spenden bei Tage dreizehn Doppelfenster ein helles Licht, bei Nacht werden die Baracken durch Gas erhellt. Den Fensterpfeilern entsprechend stehen vierundzwanzig Krankenbetten. In den Ecken der Baracken sind kleinere Räume abgetrennt, und zwar ein Wärterzimmer, ein Badezimmer und ein Watercloset. Das heiße Badewasser wird durch eine Röhrenleitung in alle Baracken geführt. Für Thee und Umschläge sind Gaskochapparate vorhanden. Das dem Verbindungsgange entgegengesetzte Ende der Baracke führt auf eine freie Veranda, die durch hölzerne Rollläden geschützt werden kann und bei günstiger Witterung den Patienten einen angenehmen Aufenthalt bietet. Von dieser Veranda führen Stufen in den gemeinsamen Park. Der Dachreiter enthält auf jeder Seite zwölf mit leicht verstellbaren Glas-Jalousien versehene Oeffnungen, die wesentliche Dienste für die Ventilation leisten. Ueberhaupt ist diese, nächst dem gemüthlichen, wohnlichen Charakter, den die mit sauberer Verschalung und freundlichem Anstrich versehenen Pavillons bieten, der größte Vorzug, ja der Glanzpunct dieser Räume. Sie ist für jede Jahreszeit und jede Temperatur angepaßt und erfüllt auf verschiedene Art, je nach Bedürfniß, in einer leicht zu regulirenden Weise rasch und vollständig ihren Zweck, die schlechte Luft aus allen Schichten des Krankensaales zu entfernen. Wir haben also, besonders wenn wir erwägen, daß die Leipziger Baracken so solid construirt sind, daß sie den Witterungseinflüssen widerstehen, das Ideal von Krankensälen vor uns.

Nachdem wir verschiedene Baracken, auch die etwas anders eingerichteten Isolirungsbaracken und die mit Riesenfenstern versehene Operationsbaracke besichtigt haben, verfügen wir uns durch eine directe Fortsetzung des Corridors in das Badehaus, welches mit Luftheizung versehen ist und zwei Dampfbäder, sowie sechszehn Badezellen bietet. An dieses schließt sich das Kesselhaus, worin zwei imposante Dampfkessel mit je zwei Cylindern arbeiten und, gewissermaßen als das Herz dieses großen Körpers, in die gesammten Räume des Krankenhauses das heiße Wasser pumpen. Nicht minder interessant ist das Waschhaus, wo der Dampf das Alles bewegende Element ist. Zwei kleinere Waschmaschinen und eine große, ein Spülapparat, ein Centrifugalringapparat, Rolle und Schnelltrockenapparat – Alles greift hier mit Präcision ineinander. Für Wäsche von ansteckenden Kranken ist ein gesondertes Waschhaus vorhanden. Aufzüge zu dem durch sinnreiche Jalousievorrichtungen geschützten Trockenboden für Lufttrocknung erleichtern auch hier die Communication. Von dem Eishause und den zur Conservirung von Fleisch etc. daselbst angebrachten Vorrichtungen läßt sich nur sagen, daß auch hier Solidität und Umsicht den Plan leiteten.

Einer der wichtigsten Puncte nächst der Ventilation ist bei einem Krankenhause die Desinfection der Ausleerungen. Dies sofort zu bewirken, den Inhalt der Closets rasch zu entfernen und derart umzuwandeln, daß die festen Bestandtheile von den flüssigen getrennt, erstere abgefahren, letztere aber – als nunmehr unschädlich – dem städtischen Schleußensystem zugeführt werden, das ist in der Hauptsache das Princip des beim Leipziger Krankenhause im Großen angewandten praktischen Systems. Man kann das hierzu bestimmte Haus mit seiner Dampfmaschine, seinen Klärbassins und gewaltigen Vorrichtungen nicht ohne ein Gefühl des Staunens sehen, da man bisher gewohnt war, gerade diese Seite der Gesundheitspflege nur äußerst stiefmütterlich, nach dem alten Schlendrian behandelt zu sehen. Jetzt ist hier, nach dem neuesten wissenschaftlichen Standpunct, das Beste geboten.

Zugleich aber sei noch des neuen, angrenzenden Pathologisch-anatomischen Institutes, welches unter Professor Wagner’s Leitung steht, besonders gedacht, eines Musterinstitutes, welches die zweckmäßigsten und splendidesten Räume für Sectionen, mikroskopische Untersuchungen, Sammlungen, pathologisch-chemische Arbeiten, Vorlesungen u. s. w. enthält. Die klinische Schwesteranstalt findet hier ihre nothwendige Ergänzung und das Mittel, das Wesen der Krankheiten genauer zu studiren, in einem Grade hoher Vollkommenheit.

Leipzig und Sachsen kann also mit Recht auf dieses Krankenhaus, dem gegenwärtig kein ähnliches an die Seite gesetzt werden kann, stolz sein; denn es hat auf einem der wichtigsten Gebiete des Volkswohles, auf dem der Hospitalpflege, in einer großartigen Weise eine neue, voraussichtlich segensreiche Bahn betreten.

Inzwischen hat der neueste Krieg, in welchem die Baracken wie Pilze aus der Erde gewachsen sind, auf’s Neue die Trefflichkeit derselben dargethan. In wenig Wochen hat das sächsische Kriegsministerium auf dem Exercirplatze bei Leipzig ein an das dortige Militärlazareth sich anschließendes großes Barackenlazareth errichten lassen. Zahlreiche andere Barackenlazarethe in Deutschland und auf dem Kriegsschauplatze bekunden auf’s Neue die Trefflichkeit dieses Systems und sind besonders in unserer neuen Kaiserstadt Berlin als großartige Reservelazarethe entstanden.

Um die Organisation solcher Reservelazarethe zu erläutern und zu verallgemeinern, sind bereits zahlreiche Vorschläge und Entwürfe in Folge der enormen Zahl von Verwundeten in’s Leben getreten, da die moderne Kriegführung mit ihren Massenkämpfen, ihrem Schnellfeuer mit Geschütz und Kleingewehr, ihren raschen und ausgedehnten strategischen Zügen der Möglichkeit, die Opfer der Geschosse entsprechend zu behandeln, weit vorausgeeilt ist. Mehr und mehr dringen durch Wort und That, durch Belehrung und praktische Versuche die Grundsätze, auf denen dies neue System der Hospitalpflege beruht, in weitere Kreise; mehr und mehr wird die Verwirklichung wissenschaftlicher Gesetze Gemeingut des Volkskreise und trägt dazu bei, die Zahl Derjenigen zu verringern, welche dem Kriege und der Krankheit – jenen Geißeln der Menschheit – ihren Tribut zollen müssen.



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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_347.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)