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Seite:Die Gartenlaube (1870) 809.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)


„Nein, Majestät, denn Gott sei gedankt, Euer Majestät sind kein Philipp der Zweite, – aber Euer Majestät halten die Wage in der Hand, in der die Rechte der Menschen gewogen werden, und da konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, ein wenn auch noch so kleines Gewicht in die Schale Derer zu werfen, welche, aller Vorrechte entbehrend, lediglich auf die eigene Kraft angewiesen sind, denn sie wiegen in der Wage am leichtesten und haben doch das schwerste Theil.“

„Sie meinen es gut und ehrlich, Herr von Salten,“ sagte der König wohlwollend. „Sie gehören nicht zu den professionsmäßigen Volksbeglückern, die unter dem Deckmantel ihrer Liebe für das Volk nur ihren Haß und Neid gegen die Höher- und Bessergestellten verbergen. Sie gehören der bevorrechteten Classe an und haben freiwillig auf alle Vorrechte verzichtet, die Ihnen daraus erwachsen, um Ihren Ideen zu genügen. Mögen es die Ideen eines schwärmerischen Jünglings sein – Sie haben sie mit der Festigkeit eines Mannes zur That gemacht. Ich liebe solche Menschen mit weichen Herzen und harten Köpfen! Bleiben Sie bei mir, ich denke Ihnen den Wirkungskreis schaffen zu können, der Ihren philanthropischen Plänen am meisten entspricht.“

Alfred verneigte sich tief, seine Augen, die seit Feldheim’s Tod, von den langen Wimpern umschleiert, nur matt und trübe geblickt hatten, flammten auf in voller Begeisterung.

„O Majestät! Sie sind gnädig, wie nur ein König es sein kann. Aber nicht für mich darf ich die allerhöchste Gnade annehmen. Meine nächste Pflicht ruft mich auf meine Güter, dort habe ich ein schweres Werk zu vollenden, bevor ich an meine eigene Zukunft denken kann.“

„Ist das so wichtig?“ fragte der König.

„Ja, Majestät! Meine Güter liegen, wie Euer Majestät wissen werden, in einer Gegend, wo ein so grenzenlos verkommener Volksschlag lebt, daß es die erste Aufgabe eines Gutsbesitzers sein muß, für dessen sittliche und materielle Hebung zu wirken.“

„Bringst Du auch solche ?“
Probe aus dem neuerschienenen Weihnachtsbuche von Oskar Pletsch: „Auf dem Lande“.


„Und da wollen Sie sich in das trübselige Saltenau verbannen und diese Halbmenschen civilisiren?“

„Ja, Majestät.“

„Nun, das sieht Ihnen wieder ganz ähnlich. Wie lange wird denn dieses freiwillige Exil dauern?“ fragte der König lachend.

„Vielleicht ein Jahr, Majestät. Ich begann vor einigen Monaten den Bau einer Fabrik, um Handel und Wandel etwas zu heben, und werde demnächst eine Brauerei errichten, um dem demoralisirenden Branntweingenuß erfolgreicher zu steuern. Das Alles erfordert meine persönliche Gegenwart.“

„Ein ganzer Mann!“ sagte der König. „Unverrückt immer das eine Ziel vor Augen! Nun, ist’s jetzt nicht, so ist’s später, Sie werden und dürfen sich einem Amt in meiner Nähe nicht dauernd entziehen. Kann ich einstweilen sonst etwas für Sie thun? Haben Sie Freunde, Bekannte, die Sie aus dem Dunkel gedrückter Verhältnisse ziehen möchten, so nennen Sie dieselben, Ihre Empfehlung genügt mir vollkommen.“

„Ich kann Eurer Majestät im Augenblick leider keine Namen nennen. Meine Freunde sind Alle die, welche redlich das Gute und Schöne fördern, ihnen redete ich das Wort, persönliche Bekannte habe ich wenige. Ich hatte von Kindheit auf viel Unglück und erlebte an geliebten Personen traurige Enttäuschungen. Das machte mich scheu und zurückhaltend gegen den Einzelnen, und ich gewöhnte mich daran, die ganze Menschheit zu lieben und über den Einzelnen wegzusehen. Freilich stehe ich auch nun als Menschenfreund so einsam und auf mich allein angewiesen da, wie ein Misanthrop. Ich hatte nur einen Freund, der ganz für mich lebte, und der ist todt.“

„Das war der Prediger Feldheim. Ich habe gehört, auf welche Weise Sie ihn verloren und wie heldenmüthig Sie ihn noch retten wollten.“

„O Majestät,“ rief er, „hier ist ein wunder Fleck in meinem Herzen berührt, den nur ein König heilen kann!“

„Und was wäre das?“ fragte der König theilnehmend.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 809. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_809.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)