Verschiedene: Die Gartenlaube (1870) | |
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Dame? Schöne Leute – schöne Sachen! Wenn se mer werden machen ’nen Preis, wo kann bezahlen so ’n armer Jubelier wie ich?!“
„Ich überlasse es ganz Ihnen, den Preis zu bestimmen,“ sagte Adelheid und öffnete das Kästchen.
Herr Itzel that einen Blick hinein und schlug die Hände zusammen. „Soll mer Gott helfen! Wollen Se mer führen in de Versuchung, daß Se mich wollen bestimmen lassen ’n Preis? Wollen Se mer stellen auf die Probe, ob ich bin ein ehrlicher Mann?“
„Wenn ich das nicht überzeugt wäre, käme ich nicht zu Ihnen, mein Herr!“
Itzel blinzelte sie schlau an. „Wie heißt überzeugt? Se sind von ’n Juden nie überzeugt, daß er ist ’n ehrlicher Mann, wenn Se nicht wissen, daß ’n seine Ehrlichkeit bringt Gewinn. Nun gut, das können Se denken: aß ich nicht bin gewissenhaft auf ’n Centime, ruinir’ ich mer’s ganze Geschäft.“
Es war mittlerweile Nacht geworden in dem geschlossenen Laden. Herr Itzel zündete die Gasflammen an, nahm den Schmuck heraus, hielt ihn gegen das Licht und ließ die Steine spielen. Es war das Collier, welches Adelheid einst von ihrem Gatten als Brautgeschenk bekommen und bei ihrer Hochzeit getragen hatte. Und als sie es jetzt in dem vollen Lichte schimmern sah, da kam ihr plötzlich die Erinnerung an eine schwüle Sommernacht, wo sie hingerissen von fieberhaften Träumen des Glanzes und Glückes aus dem Halsband ein Diadem gemacht, ihre Schönheit damit zu krönen. Was war aus all’ diesen Träumen geworden? Was geblieben? Ein Wittwenschleier und ein Brandmal der Scham auf der Stirn. Und das Geschmeide, an dem jeder Stein der Krystallpalast eines kleinen verführerischen Kobolds war, der sie mit lüstern glänzenden Blicken daraus anfunkelte – das Geschmeide, das ihren Hals geschmückt, als sie vor dem Altar ihrem Gatten Treue schwur, es lag jetzt in den Händen eines Juden, um – o Gott, wie tief war sie gesunken! Heiße Thränen quollen ihr hervor. Noch einmal blitzte der Schmuck sie an wie mit lauter liebeflammenden Augen, noch einmal flimmerte und glitzerte er in seiner ganzen Pracht, die Lichtstrahlen schossen hin und her wie feurige Fäden, aus denen ihr die rastlosen Kobolde einen neuen Brautschleier weben wollten, – umsonst! Die verweinten Lider schlossen sich schmerzlich vor dem grellen Schein und Adelheid sank todesmüde auf einen Stuhl.
„Die Steinlich sind gut,“ sprach Itzel bedächtig. „Das Gold is auch gut. Was wollen Se haben dervor?“
„Ich weiß ja nicht, was der Schmuck werth ist! Taxiren Sie ihn gefälligst selbst.“
„Nu, sen wollen Se mer den Schmuck bis morgen anvertrauen, damit ich’n kann wägen und Ihnen genau sagen, was ich kann geben dervor?“
„Es kommt mir auf einige hundert Francs mehr oder weniger nicht an, mein Herr,“ bat Adelheid, „wenn wir nur heute noch einig werden könnten, würde ich gerne warten. Ich habe morgen eine große Zahlung zu machen, wozu ich das Geld brauche!“
Herr Itzel sah die Pein Adelheid’s: „Wie Se sind in der Aufregung! Wenn ich nu wär’ ’n Hallunk’, der sich das machte zu Nutzen? Wie? Ne, ne, sein Se ruhig, der Itzel is der Itzel! Wenn Se ’n Augenblick verziehen wollen, so werd’ ich jetzt gleich machen die Probe.“
Er ging zu einem Tischchen, wo allerhand feines Handwerkszeug lag, und fing an die Diamanten auszubrechen. Adelheid fuhr bei dem Geräusch zusammen, sie hatte ein Gefühl, als würden ihr nach der Reihe ihre eigenen Perlenzähne ausgebrochen.
Itzel war mit seiner Arbeit fertig. Er hatte die Steine gewogen, das Gold mit Scheidewasser geätzt und seine Berechnung gemacht. Endlich kam er an den Tisch zurück, die Diamanten wie gesammelte Thautropfen in der hohlen Hand. War es doch auch der Thau einer gebrochenen entblätterten Blüthe. Er schüttete die Brillanten vorsichtig in eine Schachtel und legte das geplünderte Collier dazu vor Adelheid hin. Es starrte sie mit den leeren Höhlen traurig glanzlos an, wie ein augenloses Gesicht. Sie schob es weg und sagte. „Das Gold gebe ich Ihnen drein, wenn Sie mir nur die Steine bezahlen wollen.“
Der Juwelier schnitt ein Gesicht, als sei ihm ein großer Schmerz widerfahren. „Ah, o,“ jammerte er, „’s geht mer dorch und dorch, seh’ ich so verschleudern das liebe Gut! Dreingeben! Giebt mer enen Werth von fünfzig Louisd’ors ‚drein‘? Müßt ich doch sein ’n Schuft, wenn ich’s nähm’ drein! Soll mer Gott helfen, was ’ne leichtsinnige Frau! Wenn Se nicht wären gekommen an den Rechten – wie hätten Se können werden betrogen!“
Adelheid zitterte vor Ungeduld. „Nun, so geben Sie mir, was Sie wollen!“ rief sie.
„Werd’ ich Se nicht geben, was ich will, werd’ ich Se geben, was recht ist. Daß ich will machen bei’s Geschäft en Profit von nicht bloß elende fünf Perzent, das können Se denken. Wenn ich muß hinlegen en ganzes Capital, weil Se’s wollen haben gleich in Baarem, denn will ich auch rausschlagen meine Zinsen –“
„Ich bitte Sie, fassen Sie sich kurz,“ rief Adelheid aufspringend, „oder ich gehe.“
Der Jude sandte einen Blick gen Himmel. „Was ene Frau, was ene Hitze! Macht mer so en Geschäft ab? Nu, wenn Se’s denn dorchaus wollen – will ich Se geben vor den Bettel in Bausch und Bogen fünfzehntausend Frank! Na, was sagen Se zu dem Gebot?“
„Ich bin zufrieden!“
Itzel betrachtete sie mitleidig überlegen. „Das glaub’ ich! Se wären auch zefrieden gewesen, wenn ich Se hätte geboten zehntausend Frank! Sehen Se, sehen Se, wie Se hätten können kommen um Ihr Geld! Kann ich Se doch nich geben fünfzehntausend, muß ich Se doch geben achtzehntausend Frank! Oder ich bin nich besser als Einer, der ’n Kinde de Ohrringe rausreißt!“ Er schöpfte tief Athem. „Ist kein Vergnügen, mit Einem zu handeln, der nichts versteht von’s Geschäft, das er will machen, und sich hinstellt wie ’n Opferlamm und immer nur spricht: ‚Geben Se, geben Se, was Se wollen, ich bin’s zefrieden!‘ Daß mer muß strampeln mit Händen und Füßen, wenn mer will bleiben en ehrlicher Mann! Da ist nichts abzuhandeln, da muß mer werden en Dieb oder zahlen, was die Geschichte werth ist!“
„Das müssen Sie ja immer, wenn Sie kein Dieb werden wollen,“ sagte Adelheid, unwillkürlich frappirt von der seltsamen Logik des Juden.
Er lächelte wehmüthig. „Kann mer doch machen seinen Schnitt, ohne daß es ist gestohlen. Wenn ich handel’ mit Einem, der mer ist gewachsen und der mich übervortheilt, wenn ich ihn nicht übervortheil’, so ist das ’n ehrlicher Kampf; und bin ich geblieben in dem Kampf Sieger und hab’ ihm abgeschwatzt de Waare for de Hälfte, was se werth is, – so lach’ ich mer in’s Fäustchen, daß ich bin gewesen so ’n geriebener Kerl. Wenn ich mer aber mach’ zu Nutzen die Unwissenheit von Einem, der nix versteht und mer – mit Erlaubniß zu sagen – traut, und ich nehm’ ihm ab sein’ Sach’ unter’m Preis, so bin ich kein geriebener – nur ’n schlechter Kerl. Da is nix zu holen; was wollen Se machen – wollen Se spielen Schach mit Einem, der nicht kennt die Figuren?“
So vor sich hin murmelnd ging der Alte verdrießlich, das Geld herbeizuschaffen. Unter der Thür blieb er stehen. „Was wollen Se haben, Gold, Silber, Pepier?“
„Papiergeld, womöglich preußisches, wenn ich bitten darf.“
„I, i!“ sagte er, „Frauenzimmer wollen sonst immer lieber Gold, weil’s schöner aussieht. Pepier –!“ wiederholte er nochmals und verschwand.
Adelheid schaute ihm mit einem ihr selbst unerklärlichen Gemisch von Widerwillen und Theilnahme nach. Er hatte die Thür aufgelassen und Adelheid hörte ihn an einem, wie es schien, metallenen Schranke wirthschaften und dabei in Einem fort mit sich selbst mauscheln. Endlich kam er wieder, und nun hatte sein Gesicht völlig den leidenden Ausdruck seiner Race. Es war, als krümme er sich unter der Peitsche des Henkers, während er Adelheid die Geldscheine hinzählte. Sie schienen mit Leim bestrichen zu sein; so langsam brachte er sie aus den Händen und so oft netzte er den Zeigefinger dabei, um nicht zwei miteinander zu erwischen. Endlich lag das schmutzige Häuflein gezählt vor ihr, und eine gelbliche Thräne aus dem kranken Auge des Juden fiel darauf. Ihr ekelte.
„Bitte, wickeln Sie es ein!“ bat sie.
Der Jude that, wie sie wünschte. „Schlecht Geschäft!“ wimmerte er. „Wenn mer müßten machen lauter solche, – mer könnten verhungern derbei!“
„Aber mein Gott, es stand Ihnen ja frei, den Preis zu bestimmen –“ sagte Adelheid erschreckt bei dem Gedanken, Jemanden zu benachtheiligen.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 322. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_322.jpg&oldid=- (Version vom 16.1.2019)