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Seite:Die Gartenlaube (1866) 691.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

die gewiß bescheidene Bitte abgeschlagen, dieselbe am Bande zu tragen, was dem lustigen Fritz einen großen Kummer verursachte, da er einmal diese kleine Schwäche besaß.

Dafür feierte er in seiner Vaterstadt, wo er nach langjähriger Abwesenheit ein erfolgreiches Gastspiel eröffnete, die glänzendsten Triumphe. Natürlich mußte „der Alte“ Zeuge seines Ruhmes sein und erhielt von dem Sohne zu diesem Zweck den besten Sitz in der Orchesterloge. Der Beifall und das Herausrufen wollte kein Ende nehmen, als aber Beckmann nach der Vorstellung den Vater in seiner Wohnung aufsuchte, hörte er von ihm zu seinem Erstaunen, daß derselbe gleich nach dem ersten Act das Theater verlassen habe. Auf sein Befragen nach dem Grund erklärte der Alte, welcher nie zuvor ein Theater besucht hatte: „Die Leute haben immerzu ‚Beckmann ‘raus!‘ geschrieen, da bin ich lieber fortgegangen, weil sie mich sonst gewiß ‘rausgeschmissen hätten.“ Nach seiner Rückkehr führte Beckmann in Berlin mit seinen Collegen Gern, Rüthling und Schneider, dem jetzigen Geheimen Hofrath und königlichen Vorleser, einen lustigen Schwank mit dem Kutscher eines Thorwagens auf. Das fröhliche Quartett und vierblätterige Kleeblatt der Berliner Komik wollte nach Treptow fahren und bestieg zu diesem Zwecke einen sogenannten „Kremser“, der jedoch nicht eher abzufahren erklärte, bevor er nicht die volle Zahl von zwölf Passagieren hätte. Schnell wurde ein Plan ausgesonnen, um den obstinaten Rosselenker mit Hülfe der bereits eingetretenen Dämmerung zu täuschen. Leise verließ Einer nach dem Andern unbemerkt den bereits eingenommenen Sitz und kehrte immer in neuer Gestalt wieder, seinen früheren Platz einnehmend, Beckmann als Berliner Rentier, Schneider als jüdischer Banquier, Rüthling als Handwerker und Gern als geschäftiger Barbier, dann wieder Schneider und Beckmann als zwei Benebelte, hin- und herschwankend. Bald glaubte der Kutscher seinen Wagen ganz besetzt zu haben, als Gern noch einmal in neuer Gestalt erschien und mitgenommen zu werden verlangte. Nur mit Mühe und auf vieles Bitten seiner Freunde wurde ihm gestattet, als dreizehnter Passagier die Fahrt mitzumachen. Wer beschreibt aber das Erschrecken des Kutschers, als er bei der Ankunft in Treptow nur die vier Freunde erblickte, so daß er an Hexerei glauben mußte. Indeß beruhigte er sich, als er das Geld für „dreizehn lumpische Personen“ unter schallendem Gelächter ausgezahlt erhielt. Aber auch der Ernst des Lebens berührte den lustigen Fritz, als eine gefährliche Krankheit ihn auf das Lager warf. Die geschickte Operation von Gräfe rettete ihm das Leben und erhielt ihn noch lange Jahre. Die Theilnahme der Berliner war allgemein, die Freude über Beckmann’s Genesung so groß, daß diese durch ein solennes Fest gefeiert wurde, wobei Holtei dem Freunde eines seiner schönsten Gedichte in schlesischer Mundart sang.

Trotzdem wurde dem lustigen Fritz der Berliner Aufenthalt durch seine Zerwürfnisse mit dem Director Cerf verleidet, dem er seinen Absagebrief mit den charakteristischen Worten schrieb: „Sie sind Ritter des rothen Adlerordens dritter Classe, Besitzer eines Theaters zweiter Classe, aber ein Rindvieh erster Classe.“ Sein Entschluß, Berlin zu verlassen und nach Wien zu gehen, wo er ebenfalls trotz seiner specifisch norddeutschen Komik neben einem Nestroy und Wenzel Scholz den größten Beifall fand, wurde jedoch durch ein zwar loyales, aber etwas tactloses Impromptu auf das Attentat des Königsmörders Tschech herbeigeführt. Beckmann fürchtete die daraus ihm erwachsenden Unannehmlichkeiten und zog es vor, ihnen aus dem Wege zu gehen. Er trat in Wien unter dem nicht minder originellen Director Pokorny auf und wurde auch in der Kaiserstadt der erklärte Liebling des Publicums und des Hofes. Trotz seiner großen Erfolge sehnte sich der fleißige Künstler nach einem andern Wirkungskreise, da Pokorny die Oper zu sehr bevorzugte und, als Beckmann auf ein geregeltes Repertoire drang, ihm die bezeichnende Antwort in seinem böhmischen Dialekte gab: „Na, wann ist Marra (die damalige erste Sängerin) gesund, ist Oper, wann Marra krank, ist Beckmann – da haben’s Repertoire!“

Endlich wurde Beckmann’s sehnlichster Wunsch erfüllt, indem er hauptsächlich auf Wunsch seines hohen Gönners, des Erzherzogs Franz Carl, Vater des jetzt regierenden Kaisers, an dem Burgtheater engagirt wurde, wo er mit so großem Beifall debutirte, daß ihn der damalige Oberstkämmerer und Intendant der Hofbühne, Graf Moritz Dietrichstein, nach der Vorstellung im Beisein seiner neuen Collegen öffentlich umarmte und küßte. Seitdem gehörte er dieser deutschen Musterbühne bis zu seinem Tode an und füllte seine Stellung nicht nur als Komiker, sondern auch als Charakterdarsteller vollkommen aus. Im Jahre 1859 kam er wieder zu einem Gastspiel, und zwar auf dem Wallnertheater, nach Berlin, wo er, wie nicht anders zu erwarten, sich neue Lorbeeren errang. Beim Abschied hinterließ er dem Director Wallner sein wohlgetroffenes Portrait mit der ihn charakterisirenden Unterschrift:

„O liebster, ach bester Director mein,
Ein schönes Geld nahm ich bei Dir ein.
Auch konnt’ ich viel Ruhmes mich bei Dir erfreu’n,
Drum sei mein Dank dafür nicht bloßer Schein;
Laß mich zur Erinnerung Dir eine Frage weih’n:
‚Wann werden wir wieder beisammen sein?‘“

Nach diesem Portrait, das Herr Wallner freundlich mittheilte, ist das Bildniß hergestellt, das die Redaction unserer Skizze beigegeben hat.

Leider wurden die letzten Jahre von Beckmann’s Leben durch schwere körperliche Leiden verbittert, die er mit anerkennenswerther Geduld ertrug, ohne seinen Humor zu verlieren. Noch bei seiner letzten Anwesenheit in Karlsbad, wo er Linderung seiner oft furchtbaren Schmerzen suchte, war ich täglich Zeuge seines unerschöpflichen Humors und sprudelnden Witzes, so daß die Morgenstunden mit Beckmann am Brunnen zu meinen angenehmsten und heitersten Erinnerungen zählen. Durch die letzten kriegerischen Ereignisse wurde er verhindert, Karlsbad wieder aufzusuchen, weil ihm „Sprudel mit preußischem Zündnadelfeuer“ nicht ganz zuträglich für seine Gesundheit erschien. Er zog es vor, in Gmunden seine Ferien an der Seite seines alten Freundes La Roche zu verleben. Hier erkrankte er indeß so heftig, daß er unter unsäglichen Leiden sich nach Wien bringen ließ, wo er sich, leider vergebens, einer schmerzhaften Operation unterzog. Ein sanfter Tod erlöste am 6. September Nachmittags vier Uhr Beckmann von seinen Qualen und schloß für immer die Lippen des lustigen Fritz.

Beckmann war der geborene Komiker, der verkörperte Humor auf der Bühne, der Witz und die Heiterkeit in eigener Person. Seine bloße Erscheinung reichte schon hin, ein schallendes Gelächter zu erregen, und noch ehe er den Mund öffnete, wurde er oft mit Jubel empfangen, ohne daß man eigentlich sich der Ursache bewußt war, ein Beweis seiner echten und ursprünglichen „vis comica“. Dabei war er nichts weniger als ein Farceur oder Possenreißer, sondern stets bemüht, der Wahrheit und Natur so treu als möglich zu bleiben. Aber er besaß im reichsten Maße die Gabe und Empfänglichkeit für alle Lächerlichkeiten des Lebens, die er mit bewunderungswürdiger Kunst wiederzugeben wußte. Rollen wie der „Liborius“ in der „Reise auf gemeinschaftliche Kosten“, „der pensionirte Fleischsteuercassenschreiber Mengler“, „der Vater der Debutantin“ übten eine wahrhaft hinreißende komische Gewalt über die Zuschauer und zwangen den eingefleischtesten Hypochonder zum Lachen. Diese Wirkung wurde noch durch seine angeborne Harmlosigkeit gesteigert, mit der er die größten Tollheiten des höheren Blödsinns vorbrachte. Wer konnte noch ernsthaft bleiben, wenn er in der „Reise nach Spanien“ voll Todesangst vor den Räubern in der Finsterniß herumtappend plötzlich ausruft: „Da liegt etwas Hartes am Boden – eine Waffe? – nein, es ist ein Taschentuch,“ oder wenn er als Theater-Director in „Richard’s Wanderleben“ auf die Forderung des Künstlers, für eine Gastrolle zwei Drittheile der Einnahme zu erhalten, mit dem größten Ernste und den heiligsten Eiden versichert, daß er jetzt „in den heißen Sommermonaten selbst nur ein Drittel einnehme“! Nicht minder komisch erzählte er in des „Uhrmachers Hut“, daß er nach vieler Mühe künstliche Hühneraugen erfunden habe, die genau eben so sehr schmerzten, wie die natürlichen, während er als Liborius, wenn ihm seine Reisegefährtin das für ihn bestimmte Abendbrod wegißt, plötzlich heftig zu husten anfängt, „weil ihm sein Essen in die unrechte Kehle gekommen sei“. Zahllose dieser Impromptus sind bereits sprüchwörtlich geworden, ebenso wie einige der oben erzählten charakteristischen Anekdoten wohl schon bekannt sein mögen, und sichern Beckmann’s Andenken im Munde des Volkes.

Mit Recht rief daher Director Laube dem Dahingeschiedenen an seinem Grabe nach: „Fritz Beckmann, unser fröhlicher Fritz, verläßt uns auf immer! Zum ersten Male weinen wir schmerzliche Thränen über Dich und nichts bleibt uns, als Dein lieblich-fröhliches Gedächtniß in unserer Seele. Beckmann, fahre wohl für diese Welt!“

Max Ring.



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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 691. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_691.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)