verschiedene: Die Gartenlaube (1866) | |
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worden. Chausseegräben und Felder waren bunt übersät mit Leichen von Menschen und Pferden, Tornistern, Helmen und Käppis, mit Kochgeschirren, Bajonneten und Seitengewehren, mit Granaten, Zündnadelgewehren und österreichischen Büchsen – das Alles bunt durch- und übereinander.
Bei dem Dorfe Sadowa beginnt das Hauptschlachtfeld und erstreckt sich auf beiden Seiten der Königsgrätzer Straße bis hinter Lipa und Chlum. Bis nach Lipa, das rechts und links an der Chaussee auf der Höhe eines Bergrückens liegt, der sich regelmäßig nach der Elbe zu bis nach dem ein und eine Viertel Meile entfernten Königsgrätz hin abdacht, begleiteten mich vier Artilleristen nach den in der Nähe befindlichen Schanzen, und von hier aus hatte ich einen Ueberblick über das ganze fürchterliche Schlachtfeld. Ein anwesender Stabsofficier prüfte meine Legitimation und war dann so freundlich, mir die verschiedenen Positionen auf das Eingehendste und Instructivste zu erklären. Bei dem Sturm auf die Ziegelei bei Lipa wurde u. A. auch das Dorf Cistoves in Brand geschossen; leider verbrannte mit diesem Dorfe ein großer Theil der österreichischen Verwundeten, welche während des Kampfes, aus allzu großem Sicherheitsgefühl, in der Nähe der Schanzen untergebracht worden waren, wie ich dies später aus dem Munde eines älteren österreichischen Officiers erfuhr, der selbst einen Verwundeten aus einem brennenden Hause auf seinem Rücken auf freies Feld getragen hatte.
Von unsern Schanzen aus übersah man das ganze Schlachtfeld und darüber hinaus jenseit Sadowa das unendliche Lager der preußischen Armee; durch das Glas gesehen glich dies einem dunklen Ameisenhaufen. Die Schanzen selbst waren noch so scharfkantig und unversehrt, daß hier kaum ein allgemeiner Bajonnetkampf stattgefunden haben kann, obwohl ich allerdings mehrere Gewehre mit verbogenen Bajonneten gefunden habe. Geschütze waren nicht mehr zu erblicken. Dicht vor den Schanzen aber lagen von beiden streitenden Parteien Todte zu Hunderten, stellenweise zwei bis drei übereinander; hinter den Schanzen, nach Königsgrätz zu, sahen die weiten Ebenen von den Leichen der Oesterreicher wie buntgesprenkelt aus. Die Todten lagen theils noch in der Stellung wie sie gefallen waren, Arme und Beine ausgestreckt auf dem Boden; andern sah man an, daß sie sich wie getroffene Hasen überschlagen hatten und zusammengebrochen waren. Viele Leichen hatten das Taschentuch über das Gesicht gedeckt; entweder hatten sie sich so auf den erwarteten Tod vorbereitet, oder barmherzige Cameraden ihnen diesen letzten Liebesdienst erwiesen. Manche hatten beide Hände über die Augen gedrückt. Ein österreichischer Officier hielt noch einen geöffneten Brief in der kalten Hand. Ich nahm ihn auf, um ihn zu bestellen, er war jedoch an den Entschlafenen selbst gerichtet und ich legte ihn wieder nieder, da ich nicht berechtigt war, ihn zu lesen. Jetzt bedauere ich dies; er wäre vielleicht den Seinigen ein letztes liebes Andenken gewesen.
Furchtbar muß der Zusammenstoß im Gehölze rechts an der Schanze bei Chlum gewesen sein. Hier häuften sich die Leichen auf bedeutenden Strecken oft so dicht, daß man beim Gehen Acht geben mußte, um nicht auf sie zu treten. An dieser Stelle lag auch ein österreichischer Jäger im Graben, in der linken Hand die Büchse mit dem gespannten Hahn, in der erhobenen rechten Hand zwischen Daumen und Zeigefinger noch das vierfach geschlitzte Zündhütchen zum Aufsetzen, das ich mir zum Andenken mitnahm. Sämmtliche Leichen hatten die Augen geöffnet, oft harte Brodstückchen in den Händen und meist wilde schmerzverzerrte Gesichtszüge. Sammt und sonders aber waren sie ausgeplündert, alle Taschen waren umgedreht und hingen noch heraus. Die Portemonnaies und Notizbücher waren geleert und lagen regelmäßig geöffnet neben ihren ehemaligen Besitzern, die Uniformen und Beinkleider waren aufgerissen, damit auch die auf bloßem Leibe befestigte letzte Baarschaft gestohlen werden konnte; jeder Tornister war geöffnet, reine Wäsche, das Rasirzeug, Gebetbücher, Kleider, Nähzeug, Instructionsbücher, Patronen, Packete etc. wurden als werthlos zerstreut; selbst Revolver und Feldgläser im Futteral habe ich noch neben Officiersleichen liegen sehen, aber keinen zugeschnallten Tornister und selten eine Tasche bemerkt, die nicht umgekehrt heraushing.
Wie innerhalb zwölf Stunden so viele Menschen zusammenströmen können, um diese Tausende von Leichen zu plündern, das ist mir geradezu unerklärlich. Eine Feldmütze, ein weißer Reitermantel, der Federbusch eines Kaiserjägers, die Schärpe eines Officiers, besonders aber Feldflaschen mögen wohl als Siegestrophäen oder als Ersatz von den Siegern mitgenommen worden sein; allein Werthgegenstände zu entwenden, würde sich jeder preußische Soldat als Schande anrechnen, wie ich mich zu überzeugen mehrfache Gelegenheit hatte. Auffällig war mir, daß die Oesterreicher vollständiges Rasirzeug und viele Laternen bei sich führten. Die zwei Zoll im Durchmesser haltenden messingnen Cocarden waren großentheils inwendig am Käppi an dazu bestimmten Schnüren am Deckel angebunden, wahrscheinlich weil sie allzu sehr glänzen und Zielpunkte hätten abgeben können. Einen rührenden Anblick boten mehrere Affenpinscher dar. Diese treuen Thierchen rannten zwischen den Leichen herum, suchten ihre Herren und sahen dabei selbst vor Hunger, Nässe und Angst ganz erbärmlich aus.
Jenseit der Chaussee kamen wir hinter den Häusern von Lipa wieder bei dicht gedrängten Leichenfeldern vorbei und stießen hier auf siebenundzwanzig vorzügliche gezogene österreichische Geschütze; nur ein einziges davon war vernagelt! An einem Geschütz lagen noch fünf Pferde im Sielengeschirr, das sechste hatte sich losgerissen und streckte sich dicht daneben, die fahrende Mannschaft lag über den Pferden. Einem Kanonier waren beide Beine durch eine Granate abgerissen und man konnte den Stiefel mit dem darin steckenden Beine buchstäblich an eine andere Stelle werfen. Manche Pferde waren fast zerrissen, andere hatten bis zu fünfzehn Wunden; ein Pferd hatte in der Stirn ein Loch, so daß man mit der Faust hineingreifen konnte, ein anderes eine einzige Flintenkugel mitten in der Stirn. Eine rothe Blase zeigte die Stelle; die Oeffnung war so klein, daß kaum das Ende eines Spazierstockes hineinzudringen vermochte. Das Thier lag so ruhig, als hätte es sich behaglich auf frische Streu im Stall hingestreckt. Hier war auch die preußische Artillerie mehr zur Geltung gekommen.. Einem Manne war die Hirnschale völlig abgerissen, die Extremitäten waren vom Körper fast verschwunden, die Brust war so zerrissen, daß der Leib in einer Lache geronnenen Blutes schwamm. Die Ebene vor diesen Geschützen gegen das Wäldchen vor Sadowa und Dohaliz zu war schon von Leichen abgeräumt, allein die ganze Ebene mit todten Pferden der tapferen preußischen Gardedragoner und Zietenhusaren überdeckt. Wie vom Blitz getroffen lagen die schönen, zum Theil edlen Thiere da; die meisten schienen sofort verendet zu sein. Sie hatten noch ihre Hufeisen, Mähnen und Schweife, während bei Gitschin selbst diese abgeschnitten und abgerissen und geraubt worden waren. In den Protzkasten der Geschütze war die Munition noch massenhaft vorhanden; in Beuteln fanden wir die bestimmten Ladungsquantitäten eines groben, unpolirten, sehr leicht zerreibbaren Sprengpulvers und zahlreiche Kartätschen.
Bei Lipa trafen wir einzelne Truppenabtheilungen, die sich gelagert hatten und gerade ihr Mittagsessen bereiteten. Gänse, Hühner, Ferkel waren noch aufgetrieben worden und wurden mit Commißzwieback zu kräftigen Suppen gekocht oder an grünen Erlenstangen gebraten; oft bildeten die abgerupften Gänsefedern förmlich wie weißbeschneite Flecken auf der Straße. Ich theilte meine letzten Cigarren mit einigen Officieren und ging dann nach kurzer Rast nach den Laubhütten auf der rechten Seite der Chaussee über dem erwähnten Wäldchen. Auch hier gab es der Leichen eine grausige Menge, fast jede Hütte hatte einen oder mehrere stille Bewohner. Die meisten schienen einem ungarischen Regimente angehört zu haben; viele hatten sich bis auf Beinkleider und Hemd entkleidet, die Hemdärmel aufgestreift, um recht unbehindert ihrem blutigen Handwerk obliegen zu können; oft sah ich auch bei ihnen noch die gespannte Büchse in der kalten Hand.
Jenseit der Wiese am Walde wurden die Gefallenen in großen Massen begraben, Freund und Feind in ihren Uniformen zusammen. Auch mit dem Vergraben der Pferde hatte man schon begonnen; es ist dies eine sehr zeitraubende Arbeit. Zwei bis drei Thiere kamen in eine Grube, die oft widerspenstigen Beine wurden zerhackt oder zerbrochen und ein bis zwei Fuß Erde darübergeworfen. In einigen Wochen muß diese Gegend todbringende Miasmen aushauchen!
Auf der Straße wogte das bunteste Kriegsgetümmel durcheinander. In langen Reihen fuhren die aus den Provinzen Schlesien, Sachsen, Brandenburg requirirten Gespanne, ich kann jedoch ihren Besitzern versichern, daß die vielen Tausend Gespanne, welche ich bis jetzt getroffen habe, im Allgemeinen gut aussahen. Die Fuhrleute selbst waren im Allgemeinen freilich übler daran, als die Thiere, da sie nur von Commißbrod, Speck und Wasser lebten, zeitweis
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 513. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_513.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)