verschiedene: Die Gartenlaube (1862) | |
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und doch in ihrer Idee sich treu geblieben. Ja, da war sie nun wieder, die verwetterte Standarte der alten Demokratie, die aus einer wogenden Meinung eine strenge Schule, aus einer abstrakten Idee ein fester Körper von Fleisch und Blut geworden war – und gerade durch die Reaction, trotz ihr.
Jedermann fühlte, daß Waldeck, der nach mehrjährigem Zögern wieder ein Mandat angenommen, es deshalb gethan haben mußte, weil er etwas zu sagen hatte. Er war ein Haupt der Demokratie in Preußen, die seit dem Jahre 1858 wieder aufgelebt war und sich dem politischen Leben angeschlossen hatte, ohne anfänglich die Vertretung ihrer eigenen Sache zu verlangen. Sie hatte die wasserblauen Liberalen zu ihren Mandataren gemacht. Mit Waldeck’s Wiedereintritt in das parlamentarische Leben war es anders: jetzt war dieser der Mandatar seiner Partei und er hatte ihr die Losung für die nächste Zukunft zu geben.
Am 8. Februar 1861 schon bestieg Waldeck die Tribüne und sprach. Diese erste Rede, athemlos von der Versammlung mit angehört und von Beifall oft unterbrochen, war das gehoffte Ereigniß. Sie gab Vertrauen und contrasignirte den Versöhnungspact der Demokratie mit der Verfassung; sie klang den liberalen Ministern, dem Kammerkönig und den preußischen Girondisten wie Musik des Verdienstes in die Ohren; aber bei alledem tönte aus ihr doch die Idee der Demokratie hell und frisch heraus. „Drängen! Fordern!“ So klang der Refrain, und die Vinckeaner nickten in heimlicher Freude die Köpfe, daß ein Demokrat aussprach, was sie aus lauter Liebesgefühl auszusprechen sich scheuten, und die Demokratie zuckte elektrisch zusammen: Ja, drängen, fordern, was Recht ist und so viel wir das Recht dazu durch die Verfassung haben! Und im Lande, im Volke überall scholl es als mächtiges Echo zurück, wie tief und voll dem Herzen entstiegen: Ja, drängen, fordern, damit wir im liberalen Sumpf nicht stecken bleiben und Fortschritte mit der Verfassung machen!
So war durch Waldeck das Signal einer neuen Epoche der Demokratie gegeben, und der Gedanke seiner ersten Rede wurde bald darauf dem Programm der deutschen Fortschrittspartei, soweit es deren innere Politik betraf, einverleibt. Die Demokratie, die viel gelernt und glücklicher Weise auch viel vergessen hatte, war in die neue Fortschrittspartei aufgegangen, zum Zeichen, daß sie den revolutionären Boden von 1848 verlassen und den der gesetzlichen Reform betreten hatte.
Es lag etwas ungemein Versöhnendes gerade darin, daß Waldeck es war, der diesen Eintritt in die neue Bahn vermittelte. Er hatte von allen Führern der alten Demokratie wohl am meisten durch den Fanatismus der Reaction zu leiden gehabt; auf ihn vor Allem hatte sich der grimmige und blutgierige Haß derselben geworfen und ihn mit allen nichtswürdigen Mitteln um Freiheit und Ehre zu bringen gesucht. Wer entsinnt sich nicht noch des Hochverrathsprocesses, den ihm Herr von Hinckeldey auf Anstiften so elender Creaturen wie Ohm, Piersig und des noch jetzt im Preußenverein zu Berlin arbeitenden Gödsche im Jahre 1849 machen ließ? Das Bubenstück war so frech und gemein, daß zuletzt selbst der Staatsanwalt mit Entrüstung darüber sprach und Waldeck’s Freisprechung beantragte. Sie erfolgte zum stillen Grimm der Kreuzzeitung, und auch die verächtliche Aufforderung einiger Obertribunalsräthe an ihren demokratischen Collegen, wie ein Anrüchiger aus dem höchsten Gerichtshof der Monarchie zu scheiden,
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 405. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_405.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)