verschiedene: Die Gartenlaube (1860) | |
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bin und jeder halbwegs einsichtige Mensch für den Felddienst ausnahmsweise wohl in ein paar Tagen fleißigen Beobachtens und Uebens verwendbar sein kann. Schon vier Wochen später habe ich selbst in den Büdelsdorfer Schanzen beim Ersatzbataillon die Freiwilligen und Rekruten unterrichtet und verstand auch, ihnen Alles klar und vorschriftsmäßig vorzumachen. Es ist dabei allerdings zu beachten, daß die schleswig-holsteinische Armee eine der bestgeschulten und innerlich ausgebildeten, tüchtigsten war, sodaß man schnell von selbst in ihre disciplinirte Ordnung sich einfügte.
Während Baudissin und von der Tann, letzterer als Generalquartiermeister, auf dem linken Flügel commandirten, der längs der Treene und deren zahlreichen Seeen stand, und Willisen selbst das bei Idstedt aufgestellte Centrum, war auf dem rechten Flügel, der sich vom Langensee bis auf die Flensburgcr Chaussee zog, der Generallieutnant von der Horst, einer der vorzüglichsten Officiere und ein paar Monate später an Willisen’s Stelle Oberbefehlshaber der schleswig-holsteinischen Armee. Das Terrain dieser ganzen Gegend ist außerordentlich coupirt, theils durch Seeen, theils durch Wassergräben, welche, ebenso wie die „Knicks“, die Dornbüsche oder Schlehdornhecken, gemeinhin die Wiesen und Weiden in Schleswig wie in Holstein umgrenzen. Bei der ungeheuren Hitze jener Tage waren die Moore, welche auch hier existirten, ziemlich ausgetrocknet, und um sie doch in etwas günstig für uns zu machen, waren sie an manchen Stellen durch Abstauung bewässert und schwer zugänglich gemacht worden.
Am 24. Juli früh Morgens vernahmen wir vom linken Flügel anhaltendes Gewehrfeuer. Es ward abgekocht und alsdann zum Marsch fertig gemacht. Unser Gepäck war gescheidter Weise auf Bagagewagen; die Mannschaften hatten nur ihren Mantel gerollt über die Schultern, die Patrontasche mit dreißig Patronen vor dem Leib, den Brodbeutel mit anderen dreißig Patronen und etwas Imbiß an der Seite neben dem Säbel. In brennender Sonnenhitze standen wir so auf der Wiese vor dem Dorfe bis gegen elf Uhr. Seit drei Stunden vernahm man bald weiter, bald näher Kleingewehrfeuer, fernab auch zuweilen Kanonendonner. Plötzlich näherte sich das Feuern, ein starker Kanonendonner tönte nun auch auf unserer Seite – wir warteten nur auf den Befehl, um uns in Marsch zu setzen. Athemlos und gespannt waren Alle, ein Jeder hing mehr oder minder den Gedanken über die nächste Stunde nach, nur St. Paul riß hin und wieder einen seiner grotesken Witze, der aber mehr gezwungen als natürlich belacht wurde. Es war jene feierliche Andacht, welche stets sich über die Truppen lagert, wenn sie den Moment des Kampfes erwarten. Was mich selbst betrifft, der ich zum ersten Mal in solcher Lage war, so fühlte ich mein Herz mächtig gegen die Brust schlagen, den ganzen Organismus und das Nervensystem auf’s Höchste erregt. Unverwandt blickten die Augen nach der Gegend, wo sich, etwa eine halbe Stunde entfernt, unsere Brüder schlugen, und nach dem sich mehrenden Feuer zu urtheilen, erbittert und in voller Entfaltung. Unser Major und die Hauptleute hielten zu Pferde auf der Chaussee, um schon von weitem zu sehen, wer von den Vorposten komme.
Endlich sprengten sie heran – die bereits geladene Waffe ward über die Schulter gelegt, das Herz schlug verdoppelt, der Athem ging kurz – dann vorwärts marsch! Und nun war’s aus, nun wallte das Blut wieder ruhiger, denn die Spannung war der Gewißheit gewichen.
Bald sahen wir einen Theil des Schlachtfeldes. Mit dem blendenden Sonnenglanz vermischt, wallte der weiße Pulverrauch vor uns in langer Linie, bald aufsteigend zum wolkenlosen Himmel, bald sich lang hinstreckend bis an ein Gehölz oder einen Hügel. Zwischendurch blitzten die Waffen, die spitzen preußischen Pickelhauben, deren Beschlag schwarz lackirt war, um dem Gegner nicht zum Ziele seiner Schüsse zu dienen, zeichneten sich deutlich über der dunklen Masse der Truppen ab, welche in regelloser Tirailleurkette vorrückten. Es tönten die Signale herüber – Adjutanten sprengten hinter der Kette und vor uns vorbei zu anderen Bataillonen, die wir als dunkle Massen seitwärts aufgestellt und bereits „schwärmen“ sahen. Wohl ein Dutzend Wagen fuhren unweit von uns vorüber; sie trugen Verwundete, die man oft deutlich hinter der Linie von den Bahrenträgern aufheben und nach einem tiefer gelegenen Grunde transportiren sah, wo der Verbandplatz war und die Wagen hielten, bis sie ihre schmerzliche Ladung in die Lazarethe abführten.
Als Soutien folgten wir in bestimmter Entfernung, ebenso wie die seitwärts von uns postirten Bataillone der Tirailleurlinie, die fortwährend in langsamem Vorrücken begriffen war. Der Feind hatte es unstreitig auf keine ernsthafte Unternehmung abgesehen und zog sich sichtlich auf der ganzen Linie mehr und mehr zurück. Die Hoffnung, daß wir bald in die Kette vorrücken und vielleicht an der energischen Verfolgung mit Theil nehmen würden, zeigte sich bald genug als vorschnell. Die Signale der ganzen Linie bliesen zum Rückzug, und wie sehr man es auch anfangs bezweifelte und mißmuthig begrüßte, es dauerte nicht lange, so machten wir Kehrt und marschirten stracks zurück, hinter uns die Tirailleurlinie, welche im Rückzuge noch feuerte, mehr und mehr jedoch darin nachließ. Das Gefecht war zu Ende. Der Kanonendonner hatte schon lange aufgehört, die Schüsse vereinzelten immer mehr, und zuletzt war die ganze Linie still – kaum, daß man in weiter Ferne noch den „Hannemann“, wie der Däne genannt wurde, sah. Die einzelnen Bataillone sammelten sich wieder und rückten nach den Replies ab, um nach der sauren Arbeit des Tages ihre Mahlzeit zu halten und auszuruhen bis zum andern Morgen. Denn daß am andern Tage die entscheidende Schlacht geschlagen werde, daran zweifelte wohl Keiner mehr in unserer Armee.
Wir bezogen die Feldwache, und ich kam zum ersten Mal auf Vorposten, die doppelt gestellt wurden, meist längs der Knicks entlang, die sich durch die Ebene zogen. Es war etwa acht Uhr Abends und die Sonne im Niedergehen, das Feld war leer und öde, die sanften Hügel störten den freien Blick. Was war natürlicher, als den ersten Eindruck, den ich vom eisernen Würfelspiel erhalten hatte, mir klar zu machen? Es mochte wohl Mancher todt noch auf dem Felde vor mir liegen, wenn nicht, so doch sein Herzblut, das er für die deutsche Sache vergossen. Die Sonne trocknete es auf, und morgen wird es verschwunden sein – das Gras wird wieder schwellen, wo ein braver Soldat zusammengebrochen! Und wie glücklich, gleich todt zu kein, statt ein Krüppel zu bleiben! Ich hatte gehört, daß viele der Verwundungen im Gesicht waren, da die Dänen oft ihren Mann auf’s Korn nehmen. Manchem war die Kinnlade zerschmettert – ich schauderte, wenn ich daran dachte, daß ein so gräßliches Geschick auch mich treffen könnte. O wie viel schöner der Tod! Was liegt überhaupt am Leben, wenn man jung ist und auf der ganzen weiten Welt Niemanden hat, dem der Tod Schaden brächte? Ist’s nicht ein beneidenswerthes Loos, das volle, frische Leben für eine gute Sache verloren zu haben? – welch eine schöne Sühne liegt darin! Heute roth, morgen todt – wer weiß, ob der nicht glücklicher war, den heute schon das tödtliche Blei getroffen? Er starb voller Hoffnung für seine Sache, und das war am Ende morgen nicht mehr der Fall.
suchen. Die revolutionairen (!) Wortführer in den deutschen sogenannten constitutionellen Kammern übernahmen die förmlichen Motionen zu Gunsten der Angelegenheit, andere Tonangeber aus der Kategorie eines Robert Blum und dergleichen betrieben die Sammlungen von Petitionen in diesem Sinne; Straß in Berlin dichtete oder verpoetisirte das später von allen herumziehenden Musikbanden und Leiermännern gespielte „Schleswig-Holstein meerumschlungen“, Dahlmann (!) in Bonn wirkte als Historiker thätig durch akademische und gelegentliche Vorlesungen und Schriften; bald ward es auch in höheren Regionen Mode (!), in diesen Ton mit einzustimmen und von Rechten des deutschen Bundes auf die Herzogthümer, von Rechten Holsteins und von deutscher Nationalität in Schleswig zu reden; in den Herzogthümern selbst ward das Volk durch tägliches Reden und Schreiben, durch Gerüchte, Verdächtigungen und Intriguen aller Art unablässig bearbeitet, um es gegen Dänemark einzunehmen und an den Gedanken zu gewöhnen, daß es durch eine Losreißung von diesem Königreiche ungemein gewinnen werde. Man darf sich also nicht wundern, wenn nach solchen, fast achtzehn Jahre hindurch fortgesetzten Bemühungen die Behauptung, Schleswig-Holstein müsse von Dänemark getrennt werden, in Deutschland zuletzt dermaßen an der Tagesordnung war, daß jeder, der ihr freimüthig widersprach, als ein in dänischem Solde stehender oder mit einem dänischen Orden geschmückter Dänenfreund verschrieen wurde und in den Herzogthümern selbst das Volk nach und nach an das Lostrennungsproject in dem Grade sich gewöhnt hatte, daß es sogar zur Ausführuug desselben mit Hand anlegte, wenngleich keineswegs durchgängig aus innerem Antriebe, sondern vielmehr meist den äußerem Umständen nachgebend (!). Nachdem Preußen schon vor den Märzereignissen 1848 Partei gegen Dänemark genommen hatte, war es dem deutschen Reichsparlament ein Leichtes, die Absendung deutscher Truppen zur Unterstützung der schleswig-holsteinischen Revolution (!) zu erwirken. Auch bildete sich ein besonderes Insurgentencorps (übrigens aus den buntscheckigsten Elementen zusammengesetzt), und den Preußen folgten der Reihe nach verschiedene andere deutsche Truppen. Nachdem am 22. April Schleswig besetzt, am 26. August 1848 aber ein längerer Waffenstillstand geschlossen worden war, fanden Gefechte statt am 5. April 1849 bei Eckernförde, am 13. April bei den Düppler Schanzen, am 7. Mai bei Veile und am 6. Juli
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 618. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_618.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)