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überspringende Vaterlandsliebe hatte geschaffen, was gewöhnlichen Kräften unmöglich gewesen wäre. Scharnhorst war es, der sechs Jahre lang geschaffen und gearbeitet hatte, unbemerkt und angefeindet, im Stillen und oft trotz des Königs Befehl. Er hatte, wie Stein, ein neues Preußen geschaffen, einen neuen, großen, bewunderungswürdigen Militairstaat; wunderbar war er noch hinter dem Vorhang verborgen – ein Wort des Königs, und der Vorhang fiel, ein ganzes Volk in Waffen entstieg dem Erdboden! Scharnhorst war es, der am Lager des schwerverwundeten Löwen gewacht, ihn gepflegt und gestärkt und die Krallen der Tatzen gestählt hatte. Mit unbegreiflicher Energie hatte er, trotz der Argusaugen der Feinde, eine Armee geschaffen, die dreimal stärker war, als sie sein durfte, versehen mit allem Rüstzeug, ohne daß die erschöpften Finanzen des Staates ihm die Mittel dazu gegeben hätten. Daß er es gekonnt, das ist sein Genie, die Größe, die Unsterblichkeit verdient.
Er war ein Bauersohn aus Hannover und hatte das Glück, in die Militairschule des als wissenschaftlicher Querkopf hochberühmten Grafen von Schaumburg-Lippe auf Schloß Wilhelmsstein zu kommen. Als einer der besten Zöglinge dieser trefflichen Anstalt kam er darauf als Lehrer an die Kriegsschule zu Hannover und machte später als Hauptmann den Krieg in Flandern mit. Die von ihm erdachte und ausgeführte Befreiung der Garnison der kleinen Festung Menin ist eine der wenigen Heldenthaten des ersten Coalitionskrieges gegen die französischen Republikaner, welche der Kaiser und der König von England nicht hoch genug zu rühmen wußten. Die militairischen Schriften Scharnhorst’s hatten ihn überdies zu einer Autorität gemacht, und der Herzog von Braunschweig berief ihn deshalb 1801 in preußische Dienste, um an der schon damals beschlossenen Reorganisation der Armee sich zu betheiligen. Er ward Director der Berliner „Akademie für junge Officiere“, die er zu der jetzigen Kriegsschule umgestaltete, und seine Vorträge erwarben ihm die Liebe seiner Schüler, von denen besonders Clausewitz den Lehrer am meisten verstand. Vorträge wie Schriften erregten jedoch wegen ihrer Kühnheit der Ideen den Haß der zopfigen Generäle und bereiteten dem einfachen, schlichten Major der Cabalen soviele, daß er schon 1804 um seinen Abschied bat. Der König indessen bewilligte ihm denselben nicht, versetzte ihn vielmehr zum Generalstab und verlieh ihm den Adel. Vergeblich suchte Scharnhorst hier reformatorisch zu wirken – es ist bekannt, daß der Generalstab nach jahrelanger Berathung über die Reformen in der Armee endlich das Gutachten abgab: „man könne allenfalls ein Packpferd bei jeder Compagnie eingehen lassen.“
Nach der Schlacht von Auerstädt, in der er leicht verwundet wurde, schloß er sich als Generalquartiermeister dem Blücher’schen Corps an und leitete, verstanden von dem bravsten Haudegen der
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_252.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)