verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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Gliedmaßen getödteter Pferde zuckten im Staube. Mit herzzerreißendem Jammer rannten die Menschen umher und erfüllten die Luft mit ihren Wehklagen. Wo ist mein Vater? Ach, dort bringt man ihn todt! – Lebt meine Mutter noch? Wo sind meine Kinder, wo ist die Großmutter? So tönte es rund umher; jetzt kamen wieder Frauen und Mütter mit blutenden Wunden, jetzt zog man wieder halbtodte Verschüttete aus den Trümmern, jetzt trug man wieder zerschmetterte Leichname auf Tragbahren vorüber – – das war das Schauspiel, das sich unsern Augen darbot.
Vom Militair erlitten namentlich die preußischen Truppen bedeutende Verluste; sie haben zwölf Todte und 70–80 Verwundete zu beklagen. Es befinden sich darunter die Wachmannschaften am Gauthore und dem Pulvermagazine, die zum Theil weit weggeschleudert wurden. Auf österreichischer Seite gab es nur drei Todte.
Bei Hunden und bei den dem Hundegeschlechte angehörenden Füchsen und Wölfen scheint sich von selbst und ohne Ansteckung die ihrer Natur nach zur Zeit noch ganz unbekannte Wuthkrankheit (d. i. die ursprüngliche Wuth oder Tollheit, rabies canina) zu erzeugen, welche auch, und zwar durch Ansteckung, auf andere Thiere (Katzen, Pferde, Esel, Schweine, Hornvieh, Hühner), so wie auf den Menschen übertragen werden kann (d. i. die mitgetheilte Wuth). Diese Uebertragung kommt entweder unmittelbar durch den Biß des wuthkranken Thieres zu Stande, oder mittelbar durch Berührung wunder Stellen der Haut mit Wuthgift (z. B. durch Belecktwerden vom tollen Thiere; durch Kleidungsstücke, die mit Wuthspeichel besudelt sind). Der Träger dieses Giftes ist der Geifer (Speichel), vielleicht aber auch das Blut des kranken Thieres. Uebrigens kommt dieses Gift nur dann erst zur Wirkung, wenn es in den Blutstrom aufgenommen wurde.
Auch der an der mitgetheilten Wuthkrankheit erkrankte (von einem tollen Hunde gebissene) Mensch kann das Gift auf andere Menschen übertragen, so wie die durch ein wuthkrankes Thier verletzten Thiere ebenfalls durch Biß die Wuth weiter verbreiten können, wiewohl das bei den übrigen Thieren meist seltner geschieht, als bei Hunden, Füchsen und Wölfen. – Man hat auch durch Einimpfung des Speichels und Blutes wuthkranker Menschen und Thiere die Wuthkrankheit bei Thieren zu erzeugen vermocht. Jedoch sind diese Einimpfungen, ebenso wie die Bisse wüthender Thiere, in der Mehrzahl der Fälle ohne nachtheilige Folge. Ja es scheint eine besondere Anlage erforderlich zu sein, damit das Gift im Körper hafte (inficire), und jedenfalls hängt der Ausbruch der Krankheit in vielen Fällen von Gemüthsbewegung und Einbildung ab, sowie von Erkältung und körperlicher Anstrengung.
Der Ausbruch der Wuthkrankheit, welcher niemals unmittelbar nach dem Bisse, selten in den ersten Tagen nach demselben erfolgt und bei absichtlich dem Bisse ausgesetzten oder geimpften Hunden nie über den 50sten Tag hinaus fiel, fällt in der größten Zahl der Fälle in die 2te, 3te, 4te und 5te Woche, seltener schon in die 6te und 7te, also in eine Zeit, wo die Wunde meist längst verheilt ist. Nach glaubwürdigen Beobachtern ist aber die Krankheit auch erst nach 1/2 Jahre, sogar nach 1 und 11/2 Jahren nach dem Bisse noch ausgebrochen. Daß sie erst nach mehreren, ja sogar nach 30 Jahren zum Ausbruch gekommen sein sollte, wie ebenfalls erzählt wird, dürfte noch zu bezweifeln sein. Die Fälle, wo zwischen Biß und Ausbruch (d. i. die Incubationsperiode) lange Zeit verging, waren gewöhnlich solche, bei welchen erst auf eine der Krankheit selbst fernliegende neue Veranlassung der Ausbruch der Krankheitserscheinungen erfolgte.
Die Hundswuth oder die Krankheit der Thiere, deren Speichel in eine Wunde eines Menschen übertragen, bei diesem die Wuth hervorbringt, ist bis jetzt für die Wissenschaft noch vollkommen dunkel; auch ist es noch ganz ungewiß, welche Umstände ihrer ursprünglichen Entstehung am günstigsten sind. Hunde jeder Race, jedes Geschlechtes und jedes Alters sind in jeder Jahreszeit und Witterung und bei jeder Lebensart ihr ausgesetzt. Weder schlechte Nahrung und schlechtes Wasser oder gänzlicher Mangel an Speise und Trank, noch große Hitze oder Kälte, noch gehinderte Geschlechtsbefriedigung sind nach den neuesten Untersuchungen als alleinige Ursachen dieser furchtbaren Krankheit anzusehen. Wahrscheinlich ist es, daß mehrere dieser erwähnten Ursachen vereint bei schon nervenkranken Thieren dieselbe erzeugen. – Auch die Krankheitserscheinungen bei tollen Hunden sind, besonders nach Race, Temperament, Alter, Geschlecht u. s. w., sehr verschieden. Und ganz irrig ist es, wenn behauptet wird: daß tolle Hunde eine vollkommene Abneigung gegen das Wasser und Licht hätten (wasserscheu würden); daß sie ihren Herrn nicht mehr erkennten und folgten; daß sie den Schwanz zwischen den Hinterbeinen hindurch unter den Leib zögen, und daß sie immer nur geradeaus liefen. Im Gegentheil saufen sie sehr oft recht viel Wasser und sind nie ganz unfolgsam gegen ihren Herrn; das Licht scheuen sie nur, wenn sie entzündete Augen haben, und den Schwanz lassen sie erst dann sinken, wenn die Hinterbeine schwach werden. Auch das Geifern aus dem Munde, sowie das Verschlingen unverdaulicher Gegenstände, ferner das Fliehen gesunder Hunde vor dem wuthkranken Thiere, sind durchaus keine constanten Erscheinungen. – Bei der Verschiedenheit der Krankheitserscheinungen hat man sich veranlaßt gefunden, zwei Formen der Erkrankung beim Hunde anzunehmen, die der rasenden Wuth und die der stillen Wuth, obwohl auch zwischen beiden Mittelfälle vorkommen. Auch ist der Biß von Thieren, welche noch wenig und zweifelhafte oder gar keine Krankheitserscheinungen zeigten und bei welchen die Krankheit erst später ausbrach, in vielen Fällen ebenso verderblich gewesen, als der Biß der in Tobsucht befindlichen Thiere. – Als Vorboten des Krankheitsausbruches können: die Unruhe, der veränderte und sonderbare Appetit, sowie die veränderte Gemüthsstimmung (das Traurig- und Verdrossensein) des Hundes angesehen werden.
Die rasende Wuth oder die Tollwuth gibt sich besonders dadurch kund, daß die Hunde mit dem Anfange der Krankheit ihr bisheriges Betragen ändern, was besonders auffällig gegen Personen ist, denen sie sonst zugethan waren; daß sie ungewöhnlich unruhig sind und rastlos umherschweifen; daß sie viel an kalten Gegenständen lecken und fremdartige Stoffe (Stroh, Holz u. s. w.) verschlingen; daß die Stimme merklich abgeändert, ein rauhes, heiseres, bellendes Heulen ist; daß sie große Neigung zum Beißen (erst gegen Katzen, dann gegen Hunde und zuletzt gegen Menschen) bekommen, und oft auch in die bloße Luft schnappen. Es zeigt sich ferner eine wesentliche Veränderung in dem wohlbekannten gewöhnlichen Aussehen des Hundes; er magert ab, die Haare werden struppig und rauh, die Augen geröthet und matt. – Die stille Wuth (Stillwuth) unterscheidet sich von der rasenden hauptsächlich dadurch, daß der Trieb zum Beißen (die Beißlust) und zum Umherlaufen weit geringer ist; daß die Stimme selten eine Veränderung zeigt, der Unterkiefer aber gelähmt, schlaff herabhängt und deshalb der Speichel, sowie alles Genossene wieder aus dem Munde herausfließt, auch die bläuliche Zunge heraushängt; daß die Hinterbeine wegen lähmungsartiger Schwäche, bald einen unsichern Gang annehmen. – Der Verlauf der Krankheit ist bei beiden Formen verschieden und unbestimmt; der Tod tritt stets und zwar binnen 6 bis 8 Tagen nach dem ersten Erkranken, entweder plötzlich oder unter Konvulsionen oder bei allmählich zunehmender Erschöpfung ein.
Die Untersuchung des todten Hundes kann niemals darthun, daß derselbe im Leben wuthkrank war. Denn die meisten der krankhaften Veränderungen, wenn überhaupt welche gefunden werden, kommen auch bei andern Krankheiten vor. Ganz besonders ist auf unverdauliche Dinge, die öfters im Magen gefunden werden, gar nichts zu geben. Daß die sogenannten Marocchetti’schen Wuthbläschen unter der Zunge des Hundes gar nichts mit der Tollheit zu thun haben, ist längst bewiesen. Ebenso hat der sogenannte Tollwurm, ein fester, faserig-fettiger Körper im Zungenfleische, keine Bedeutung, denn er findet sich bei allen gesunden Hunden. Die sogenannten Wuthzellen im Speichel sind aber nichts, als Fetttröpfchen. – Sonach ist es also eine sehr schädliche Voreiligkeit, einen der Wuth verdächtigen Hund sofort zu
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 699. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_699.jpg&oldid=- (Version vom 26.12.2022)