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Seite:Die Gartenlaube (1857) 693.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

No. 51. 1857.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Der verhängnißvolle Schatten.

Nach schriftlichen Mittheilungen von Ernst Willkomm.
{Fortsetzung.)


Im Frühjahr und Sommer machte Cornelie oft weite Fußtouren, um ihre Pächter zu besuchen, und mit ihnen über geschäftliche Angelegenheiten zu sprechen. Oft und gern verweilte sie in der Sägemühle, wo der intelligente Caspar wohnte. Verschiedene Personen sahen den jungen Mann und das trauernde Fräulein wiederholt lange mit einander sprechen, und zwar immer an ein und derselben Stelle, am rauschenden Bache, neben den Schützen. Worüber der Pachter sich mit Fräulein Hornburg unterhielt, erfuhr Niemand.

Cesar liebte es, weite Ausflüge zu Pferde zu machen. Das Wetter mochte sein, wie es wollte, er bestieg zu bestimmter Stunde seinen wiehernden Rappen, und jagte im vollen Galopp durch’s Flußthal in den rauschenden Wald hinein. Es war nichts Ungewöhnliches, daß er oft Tage lang ausblieb. Dann kam er gewöhnlich sehr ermattet zurück, sah bleich, abgespannt, geistig müde aus, und behandelte seine Untergebenen noch abstoßender als sonst. Viele waren der Ansicht, Cesar Hornburg ergebe sich aus unbekannten Gründen, vielleicht weil er den Bruder auf so traurige Weise unvermuthet verloren habe, und nun mit der Schwester in stiller Feindschaft lebe, einem wilden, die Natur rasch aufreibenden Lebenswandel.

So näherte sich der Todestag Ottwald’s. Das Gericht hatte lange nichts von sich hören lassen. Plötzlich, wenige Tage vor der verhängnißvollen Nacht, in welcher Ottwald Hornburg vor Jahresfrist ohne Zeugen gestorben war, erhielt Cesar eine Citatation zugleich mit der Anzeige, daß die Acten geschlossen seien, und die gegen seine frühere Haushälterin anhängige Klage vor den nächsten Assisen zur Verhandlung kommen solle. Cesar Hornburg ward vorgeladen, um Zeugniß abzulegen. Mit ihm zugleich wurden alle übrigen Personen, deren Aussagen möglicherweise dazu dienen konnten, Licht über diese dunkele Angelegenheit zu verbreiten, zu gleichem Behufe vor Gericht citirt. Unter diesen in erster Reihe befanden sich der Mühlenpachter Caspar und dessen Gehülfe, Anna’s, der Angeklagten, erklärter Bräutigam.

Cornelie erhielt keine gerichtliche Vorladung, da sie während der Nacht, die Ottwald aller Wahrscheinlichkeit nach den Tod gegeben hatte, nicht auf dem Schlosse gewesen war. Als nächste Anverwandte des in Folge einer Vergiftung Verstorbenen aber konnte ihr Niemand wehren, den öffentlichen Gerichtsverhandlungen beizuwohnen.

Um alles Auffällige zu vermeiden, und damit die große Menge nichts von dem Zwiespalt erfahre, welcher die Halbgeschwister nun schon viele Monate lang von einander entfernt hielt, forderte der klug berechnende Cesar Cornelie auf, ihn nach der Stadt, wo die Verhandlungen gehalten werden sollten, zu begleiten. Cornelie errieth den Grund dieser Aufforderung, erklärte sich schriftlich dazu bereit, und bestieg früh am Morgen der Assiseneröffnung den eleganten Jagdwagen ihres Halbbruders. Cesar begrüßte die tief Trauernde mit freundlicher Zuvorkommenheit. Auch er hatte Trauerkleider angelegt. Sein Aussehen war ruhig und sinnend; er sprach über gleichgültige Dinge mit Cornelie und ließ, als die Thurmspitzen der Stadt sich in der Ferne zeigten, sogar die Aeußerung fallen, er sei außerordentlich begierig, ob Anna an dem Tode des armen Bruders mittelbar oder unmittelbar schuld sei.

An dem Gerichtshause stand eine dicht gedrängte Menschenmenge, die großenteils die Neugierde herbeigelockt hatte. Die als Zeugen Vorgeladenen hielten sich ferne von diesen bloßen Zuschauern oder Zuhörern. Ihnen war ein besonderer Raum in der Gerichtshalle reservirt, und Cornelie, die zunächst Betheiligte, durfte mit Sicherheit erwarten, daß man ihr einen Platz anweisen werde, wo sie aufmerksam dem Gange der Verhandlungen folgen könne.

Bei dem Eintritte in den Gerichtssaal fiel sämmtlichen Zeugen vor allen ein sauber gearbeitetes Modell der Etage des Schlosses, wo Ottwald geendigt hatte, sowie der nächsten Umgebungen desselben in die Augen. Man sah hier die allergetreueste Nachbildung der Thalschlucht, des Mühlenbachbettes, der Sägemühle, welche Caspar bewohnte. Unter den Zeugen begegnete Cesar Hornburg auch dem Arzte, den er seit der Beerdigung seines Halbbruders nicht mehr gesprochen hatte. Beide Männer begrüßten einander höflich, sprachen einige Zeit zusammen, und musterten dann die Zuschauertribüne, welche die Zahl der Neugierigen kaum zu fassen vermochte.

Zur festgesetzten Stunde erschien der Präsident des Gerichtshofes, die Beisitzer, der Ankläger und die Geschworenen, zuletzt, von ihrem Anwalt begleitet, die jugendliche Angeklagte. Ihr Eintritt in den Saal veranlaßte eine lebhafte Bewegung und dumpfes Gemurmel rauschte wie Windesbrausen durch die geräumige Halle.

Anna sah unglücklich, aber ergeben in ihr Schicksal aus. Die Gefängnißluft, wohl auch die ausgestandene Angst, hatten die Rosen der Jugend auf ihren Wangen verblühen lassen. Bescheiden, festen Schrittes, aber ohne aufzublicken, trat sie in die Schranken, und nahm den für sie bestimmten Sitz ein. Nur einmal streifte

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 693. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_693.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)