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Seite:Die Gartenlaube (1857) 692.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Drei Jahre später stand ich in derselben Straße vor den neuerbauten, stattlichen Häusern, als die ersten flüchtigen Franzosen aus der Leipziger Schlacht elend und jämmerlich vorüber zogen. Aus den Fenstern der neuen Häuser sahen ihnen fröhliche Gesichter nach. Siehe da ein bedeutungsvolles Stück Weltgeschichte im Kleinen!


Blätter und Blüthen.

Das arabische Pferd. Das arabische Pferd zeichnet sich durch einen zierlichen Kopf mit spitzen Ohren, musculöse, aber fein geformte Glieder, eine schlanke, nicht große Gestalt und breite lebhafte Augen aus, die, wie beim Hunde, jene Intelligenz verrathen, welche aus dem fortwährenden Zusammenleben mit seines Herrn Familie hervorgeht; in der That theilt es auch gewöhnlich die Mahlzeit mit ihr. Man gestattet ihm, wie einem Hunde, im Freien herumzuspringen; ein andermal stellt man es als Wache vor das Zelt. Es wird zu jeder Zeit dem Wetter ausgesetzt und im Vergleich zu seinen europäischen Stammgenossen spärlich gefüttert. Nach Sonnenuntergang erhält es in einigen Gegenden Gerste, in anderen Kameelmilch oder einen Brei von Datteln und Wasser, der mit trockenem Klee oder anderen Kräutern gemischt wird. Steht aber eine besondere Strapaze bevor, so gibt man ihm Fleisch, rohes und gekochtes.

Die Beduinen zählen fünf edle Racen, die aber ursprünglich aus Nedschd stammen, nämlich die Taneyse, Manekeye, Koheyl oder Koklani, Saklawye und Julfa, von denen die letzteren und die Koklani am meisten geschätzt werden. Das Julfa-Pferd, ein kleines lebhaftes Thier, das große Anstrengungen ertragen kann, gehört der Provinz El Ahsa, das andere, ein wenig größer, der Provinz Yemen oder eigentlich Nedschd an. Nun gibt es mehrere Seitenäste dieser vornehmsten Race und auch andere zweiten Ranges, ja, jede Stute von edlem Blut, wenn sie besonders schnell und schön ist, kann einen neuen Stamm begründen. Die Liste dieser verschiedenen Stämme ist wahrhaft endlos, denn die Abkunft jedes einzelnen Pferdes wird durch Certificate bezeugt, die vom Vater auf den Sohn übergehen und sehr sorgfältig aufbewahrt werden. Nicht selten gehören sie mehr als einer Familie, denn die Partnerschaft im Besitz von Stuten ist häufig. Daher wird es so schwierig, dergleichen an sich zu bringen. Es steht indessen fest, daß die arabischen Pferde verlieren, sobald man sie in andere Länder bringt, selbst wenn Vater und Mutter zur vorzüglichsten Race gehören. Die Araber bestimmen die Race nach der Mutter. Die Zahl der Pferde ist in Arabien verhältnißmäßig gering; für Reisezwecke vertritt überall das Kameel ihre Stelle.

Ueber die Schnelligkeit und Ausdauer der arabischen Pferde ist schon viel erzählt worden. Wir fügen hier ein paar Anekdoten bei, welche weniger allgemein bekannt sind.

Ein schlecht gekleideter, ein mageres Pferd reitender Araber kam zu Isset Pascha, der ein großer Pferdeliebhaber ist.

„Ich weiß,“ sagte der Araber, „daß Du für Deinen Marstall schöne und gute Thiere suchst. Betrachte dasjenige, welches ich reite; ich stelle es Dir zum Kauf und fordere dafür 45,000 Piaster (circa 2700 Thlr.)“

Ungeachtet seines natürlichen Ernstes lachte Isset laut und erwiderte:

„Du bist ein Narr, Kerl; Dein Pferd ist eine Schindmähre, für welche ich nicht mehr als 500 Piaster gebe.“

„Du wirst mir 45,000 geben, wenn Du es erst kennen lernst,“ erwiderte ruhig der Araber. „Befiehl, daß Deine besten Pferde gegen das meinige eine Strecke von zwei Wegstunden laufen; ich wette, daß es allen eine halbe Stunde vorauseilt.“

Der Wettlauf wurde veranstaltet und des Arabers Pferd zeigte sich so überlegen, daß der Pascha nicht anstand, den Preis zu bewilligen und die 45,000 Piaster auszahlte.

„Das ist noch nicht Alles,“ sagte der Araber, indem er seinen Renner wieder bestieg. „Befiehl Deinen Soldaten, mich wie einen Feind zu verfolgen und auf mich zu schießen; Du wirst sehen, wozu mein Thier fähig ist.“

Es geschah, wie er verlangte. Man verfolgte ihn mit Flintenschüssen, jedoch ohne ihn zu treffen. Plötzlich schien er zu schwanken, der Zügel entfiel seinen Händen, er fiel auf die Erde, wo er, sich todt stellend, liegen blieb. Das Pferd stand alsbald still, es betrachtete und beroch seinen Herrn; darauf begann es, ihn zu vertheidigen, indem es ausschlug und die Soldaten beißen wollte, sobald sie sich näherten. Nachdem es die Angreifer vertrieben hatte, beroch es seinen Herrn von Neuem, wendete den Körper mit der Schnauze und schien zuletzt das Ohr dem Munde der Reiters zu nähern, als erwarte es einen Befehl. Plötzlich richtete es sich auf, stieß ein triumphirendes Wiehern aus, ergriff den Körper vorsichtig am Halse und schleppte ihn so einige hundert Schritte fort.

Der Pascha war beim Anblick des ganzen Vorganges entzückt über seinen Kauf; ja, sein Gewissen machte ihm sogar Vorwürfe, daß der gezahlte Preis im Verhältniß zu dem Werthe desselben zu gering sei. Allein die Scene änderte sich plötzlich. Der Araber stand auf, sprang leicht in den Sattel, streichelte sein Thier mit der Hand und stieß einen kurzen Schrei aus. Dies war ein Commandowort, in Folge dessen das Pferd, obgleich mit der Geldsumme beladen, wie ein Pfeil der Wüste zuflog, indem es seinen Lauf durch ein Thal nahm, wo es allen Blicken entzogen war.

Der Türke verräth seine innere Bewegung kaum, aber er ist rachsüchtig. Man kann sich leicht die Wuth Issets denken, der hier zugleich sein Pferd und sein Geld verlor, ja der sich gefoppt und geprellt sah. Er sandte in aller Eile Reiter zur Verfolgung der Flüchtigen ab. Acht Tage vergingen ohne allen Erfolg. Isset fing schon an, zu vergeben, indem er die Sache vergaß, als ganz unerwartet der Araber mit seinem Mitschuldigen und einem Kameele vor ihm erschien.

Der Araber grüßte ihn ehrfurchtsvoll und sprach: „Du hast mich für unehrlich gehalten; ich muß Dir mein Benehmen erklären. Die Wüste liegt zwischen hier und meinem Stamme. Zudem ich mich mit dem von Dir gezahlten Gelde dahin begab, lief ich Gefahr, beraubt, vielleicht ermordet zu werden, ein Schlachtopfer umherstreifender Räuberbanden. Dieser Gefahr konnte mich allein mein Pferd durch seine Schnelligkeit entziehen. So bin ich nach Hause geeilt, um meine Piaster in Sicherheit zu bringen. Jetzt kehre ich zurück, um Dir ein von Dir erworbenes Eigenthum, woran ich kein Anrecht mehr habe, zuzustellen.“ Dabei trat eine Thräne in das Auge des Arabers. „Verzeihe meine Schwäche, Pascha!“ sagte er, „ich verliere heute einen Freund; dieses Kameel ist in meinen Augen nur ein Diener, der mich zu meinem Zelte zurückbringen wird.“

Bekanntlich bilden sich die Engländer – und auch vielfach mit Recht – nicht wenig auf ihre Pferde ein; dennoch können diese mit der echt-arabischen Zucht in gar keine Vergleichung kommen, wie sich aus folgender Anekdote ergibt: Während Kurschid Pascha Gouverneur des Nedschd war, machten einige Engländer, die Vollblutpferde bei sich hatten, den Arabern den Vorschlag, mit ihnen zu rennen. Diese willigten auch ein, und die Engländer verlangten nun einen Aufschub von 40 Tagen, um ihre Pferde in Bereitschaft zu setzen. Die Araber, deren Renner stets bereit sind, begreifen nicht, was das heißen soll, gestehen aber den Termin zu, und am bestimmten Tage kommt man zusammen. Die Beduinen lassen die Engländer unter ihren Pferden wählen, welche rennen sollen, und fragen, wie viel Tage das Rennen dauern solle. Jetzt war es an den Engländern, zu staunen und sie erwiderten: „Wir rennen nur eine Stunde.“

Darüber brachen die Beduinen in ein Gelächter aus und meinten, es verlohne sich schlecht der Mühe, die Pferde erst 40 Tage lang vorzubereiten, und dann nur eine Stunde lang zu rennen. Die Engländer erklärten aber, das sei einmal bei ihnen Sitte, und nach einer solchen Vorbereitung von 40 Tagen würden die englischen Pferde selbst die arabischen besiegen, wie sie alle europäischen besiegten. Die Beduinen lachten; als aber zwei Thiere, vom Kopf bis zu den Füßen ganz in Filz gehüllt, von zwei schmächtigen, kaum menschlichen Wesen, den englischen Grooms, herbeigeführt wurden, lachten sie noch weit mehr über die hochbeinigen hageren Thiere, glaubten, man wolle sie foppen, und es bedurfte aller Zureden des Kurschid Pascha, um sie zu vermögen, in ein Rennen zu willigen. Während der hagere Groom sein fast eben so hageres Pferd besteigt, schwingt sich ein stämmiger Beduine mit der Lanze in der Hand auf ein Pferd gewöhnlicher Größe. Man bestimmt, daß das Rennen drei Stunden dauern solle, und auf ein gegebenes Zeichen beginnt es. In der ersten halben Stunde sind die Engländer ihren Gegnern vor, bald aber holen die Nedschids sie ein, kommen ihnen endlich zuvor, und die Engländer langen erst lange Zeit nach den Arabern am Ziele an. Die englischen Pferde sind athemlos und bleiben stockstill stehen, während die Nedschids munter und ungeduldig sind, den Boden stampfen und ihre Gegner zu neuem Kampfe herauszufordern scheinen. Die Araber selbst zuckten die Achseln über Pferde, welche ein Ritt von drei Stunden dienstunfähig machte.


Allgemeiner Briefkasten.

K. in Rbg.Jbkg. in Kd.Mtk. in Gl.Mchbch. in Sol. – Der Verfasser des in Nr. 43 unserer Zeitschrift abgedruckten Artikels: „Die plastische Kohle“ theilt uns auf die vielen deshalb an ihn gerichteten Anfragen vorläufig mit, daß der Erfinder, Herr Bühring in London, das Weitere über Bezug, Preis etc. der Wasserfiltrirapparate in der Gartenlaube bekannt machen wird, sobald die von ihm für Deutschland erbetene Patentirung in seinen Händen sei.

J. F. 2. Wie oft sollen wir noch wiederholen, daß wir Gedicht-Manuscripte niemals zurückgeben. Wir bitten dringend, dies endlich zu beachten.

G. in W. Der deutsche Grenadier. Gedanke und Tendenz sehr schön und lobenswerth, aber die Form mehr als nachlässig. Alter Freund, das ist keine Poesie.

A. in Frankfurt. Aus der Katastrophe in Mainz bringen wir zwei größere, mit Genehmigung des dortigen Gouverneurs photographisch aufgenommene Abbildungen. Für den Text haben wir die Feder eines Schriftstellers gewonnen, der Augenzeuge der Explosion war und selbst davon betroffen wurde.

M. in Dresden. Die Charakteristik Cavaignac’s kömmt zu spät und durfte jetzt wenig Interesse mehr haben. Auch stimmen wir durchaus nicht mehr mit Ihren Ansichten überein. Cavaignac’s Rolle war ausgespielt; nach beiden Seiten hin unmöglich geworden, blieb ihm nichts als der Ruhm eines ehrlichen uneigennützigen Mannes. Vielleicht wäre dieser Ruhm zur Standarte geworden, um die sich bei einer neuen Erhebung die Massen geschaart hätten und deshalb kann der Neffe des Onkels jetzt ruhig schlafen, denn auf dem Grabe der uneigennützigen Tugend steht das schwankende Gebäude seines Kaiserthums sicherer als zuvor.

Avis für Oesterreich. Die Gartenlaube bringt keine Anzeigen, und wird deshalb steuerfrei bleiben.


Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 692. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_692.jpg&oldid=- (Version vom 11.6.2017)