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Seite:Die Gartenlaube (1857) 679.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

sind, diente uns zum Nachtquartier. Viel Bequemlichkeitten waren freilich nicht in derselben vorhanden, denn nur der nackte Erdboden, auf dem wir uns aus Fellen, Sätteln und Ponchos ein Lager bereiteten, war da, und der Rauch unseres kleinen Feuers, welches mit spärlichem Buschwerk und getrocknetem Maulthiermist unterhalten wurde, erfüllte den ganzen Raum, bis er denn durch die vielen Ritzen und Löcher in den Wänden und die kleine Thüröffnung ohne Thür wieder abzog. Es war indeß besser wie draußen hier in der Hütte, und da dieselbe für alle unsere Treiber nicht Platz genug gewährte, so mußte ein Theil derselben im Freien übernachten und sich dort, so gut es nur eben gehen wollte, gegen den eisig kalten Wind, der von den Gletschern herabwehte, zu schützen suchen. Die Burschen hatten sich hinter den Felsblöcken alle einzeln verkrochen und dabei so in Schaffelle verhüllt, daß sie wirklich einem Haufen von Fellen mehr wie menschlichen Wesen glichen. Ungefähr 60–80 Schritte von der Hütte standen unsere sämmtlichen Maulthiere, 42 an der Zahl, in einer Schlucht, wo sie mehr gegen den Wind geschützt waren, zusammengekoppelt und nicht weit davon hatte sich ein zwölf- bis dreizehnjähriger junger Bursche, der Sohn eines Maultiertreibers, seinen Lagerplatz aufgesucht und sich dabei zur besseren Erwärmung mit dem Lassoriemen einige Schaffelle fest um den Leib geschnürt. Es war dies ein hübscher, kleiner Bursche, zwar unbeschreiblich schmutzig, der, seinem Aussehen nach, den Gebrauch des Wassers gewiß seit Jahren schon verschmäht hatte, sonst aber munter, zuthunlich und beim schnellsten Reiten über die steilen Abhänge und schwersten Felsenpfade von einer solchen sorglosen Verwegenheit, daß ich sie kaum begreifen konnte.

Nach einer ziemlich schlecht verbrachten Nacht trat ich schon bei Sonnenaufgang aus unserer Hütte, um die rings umher schlafend liegenden Treiber zu erwecken, und den baldigen Aufbruch zu beschleunigen. Es war ein kalter, sonst aber wunderschöner und klarer Morgen, und die eben aufgegangene Sonne färbte mit purpurnem Schein die glänzenden Gipfel der nächsten Gletscher. Ich war kaum aus der Hütte herausgetreten, und ergötzte meine Augen an der großartigen Pracht der Umgebung rings um mich, als ich plötzlich ein mächtiges Rauschen in der Luft über meinem Kopfe hörte, und ein großer schwarzer Schatten sich auf der Schneefläche zeigte. Schnell richtete ich meine Blicke in die Höhe, und gewahrte einen mächtig großen Condor, der vielleicht gegen 100 Fuß von mir entfernt (wegen der außerordentlichen Klarheit und Durchsichtigkeit der Luft sind die Entfernungen hier sehr schwer zu schätzen), in dem blauen Aether schwebte. Aus weiter Ferne hatte ich diese riesigen Vögel schon gesehen, in solcher Nähe aber noch niemals, und mußte jetzt wirklich über die ungeheure Größe desselben erstaunen. Der mächtigste europäische Adler, den ich jemals sah, ward an Größe weit von diesem riesigen Vogel übertroffen. Besonders die Ausdehnung seiner weit gespannten Flügel war von erstaunlicher Länge. Schon wollte ich in die Hütte eilen, meine Büchsflinte zu holen, um wo möglich den Condor mit einer Spitzkugel zu begrüßen, als derselbe plötzlich mit einer Schnelligkeit, daß mein Auge seinen Bewegungen kaum zu folgen vermochte, auf den in seinen Schaffellen ruhig fortschlafenden Knaben herabstürzte, seine riesigen Fänge in denselben einschlug, wobei es mir schien, als habe der eine Fang sich in den Lassoriemen verwickelt, nur dann eben so schnell und ohne daß es schien, als werde er durch die Last nur im mindesten behindert, wieder kerzengerade in die Höhe stieg. Voll Entsetzen stürzte ich in die Hütte, riß die Büchsflinte hervor, und sandte dem Condor eine Spitzkugel nach; es war aber zu spät, der Vogel schwebte schon zu hoch, als daß meine Kugel ihn noch erreichen konnte. Von dem Schusse waren alle meine Maulthiertreiber erwacht, und erschraken heftig bei dem Anblick des Condors, der das schreiende Kind, dessen Klagetöne in der klaren Morgenluft aus der Höhe gar schaurig an unsere Ohren drangen, fort führte, allein helfen und retten konnte hier Niemand mehr. Ein Schaffell, welches sich abgelöst haben mußte, fiel aus der Höhe zu unseren Füßen herab, und war schon ganz mit Blut bedeckt. Wenige Minuten vergingen aber nur, und der große Vogel war mit seinem Raube schon so weit von uns entfernt, daß man ihn nur noch als kleinen schwarzen Punkt im Aether erkennen konnte, bis er dann endlich ganz hinter einem Felsgipfel verschwand.

Der Vater des geraubten Knaben, ein sehr kühn aussehender Mann, schien großen Schmerz über den Verlust seines Kindes zu empfinden, und auch uns Andere verstimmte dieser Unglücksfall nicht wenig. Der Knabe war zwar nur klein und schmächtig gebaut, wie dies überhaupt der chilenische Volksstamm fast immer ist, mochte aber doch mit den dicken Schaffellen zusammen an 90 bis 100 Pfund wiegen. Daß der Condor diese Last ohne irgend eine bemerkbare Anstrengung und ohne daß die Schnelligkeit seines Fluges nur im mindesten darunter litt, durch die Lüfte trug, kann einen Begriff von der Größe und Stärke dieses mächtigen Raubvogels geben.

Einer meiner Treiber erzählte mir bei dieser Gelegenheit, daß vor mehreren Jahren ein Condor, der aber noch größer wie dieser jetzt hier gewesen sei, vor seinen Augen ein ziemlich ausgewachsenes Maulthier mit den Fängen gepackt und auf eine Felsenklippe getragen habe, um dasselbe dort zu verzehren. Menschen, die in Bewegung sind, greifen diese Raubvögel zwar niemals an, schlafende Hirten oder Treiber haben dieselben aber schon wiederholt mit fortgeschleppt, obgleich doch auch Jahre vergehen sollen, bis man von einem solchen Falle hört.




Blätter und Blüthen.

Jahresversammlung der Pariser Lumpensammler. Wir finden in einem Pariser Blatte folgende interessante Details über die ehrenwerthe Gemeinschaft der Lumpensamler. „Sie haben eine methodische Brüderlichkeit, und schon seit langer Zeit besteht unter ihnen eine äußerst nützliche Gesellschaft zur gegenseitigen Unterstützung. Noch kürzlich erbaten sie vom Polizei-Präfecten die Erlaubniß, sich zur Prüfung und Revidirung der Statuten dieser Gesellschaft versammeln zu dürfen. Diese Versammlung fand in einer Kneipe „Zur alten Fahne“ im Quartier St. Marcel statt. Achtundvierzig von der Association der Lumpensammler ernannte Delegirte waren gegenwärtig; jeder von ihnen bezahlte beim Eintritt 20 Centimes zur Bezahlung der Saalmiethe und einer gewissen Anzahl von Flaschen gewöhnlichen Weines. Der älteste der Delegirten nahm vorläufig den Präsidentenstuhl, d. h. eine umgekehrte Tonne ein; sechs Delegirte, die lesen, und fünf, welche schreiben konnten, wurden als Candidaten für die Posten eines Präsidenten und eines Secretairs ernannt. Nach der Wahl dieser beiden Würdenträger übergab der Alterspräsident seinen Sitz dem neuen Präsidenten, wobei letzterer seinen Vorgänger umarmte; der Präsident hielt dann eine Anrede, worin er zuerst die Rechtschaffenheit der Corporation der Lumpensammler rühmte und nachwies, daß dies kein leerer Wahn sei, da sie alle gefundenen Gegenstände der betreffenden Behörde einhändigten und nur selten ein Lumpenammler wegen Diebstahls oder anderer Ursachen vor Gericht erscheine. Er erstattete dann Bericht über die Thatigkeit der Gesellschaft seit der letzten Versammlung und ermahnte in pathetischer Weise seinen „lieben Brüder,“ sich einander zu lieben und einig zu bleiben. Nach dieser Ansprache verlas der Secretair die Statuten, 52 Paragraphen an der Zahl, und fragte, ob Jemand Veränderungen zu beantragen habe. Nur zwei Artikel wurden debattirt: der 17., betreffend die brüderliche Vertheilung der verschiedenen Districte von Schmutzhaufen unter die Lumpensammler, und der 52., den monatlichen Beitrag jedes Mitgliedes und die Unterstützung der Kranken betreffend. Nach einer ernsthaften Debatte wurde der erste dieser beiden Artikel dahin modificirt, daß die obenerwähnten Districte nicht nur den Lumpensammlern dieser Districte vorbehalten bleiben sollen, sondern daß auch kein Lumpensammler unter irgend einem Vorwande sich an den Schmutzhaufen eines andern vergreifen darf; der 52. Artikel wurde dahin geändert, daß künftighin wegen der Theurung der Lebensmittel der monatliche Beitrag 50 Centimes statt 25 betragen, und jeder Kranke täglich 60 Centimes statt 30 erhallen soll. Nachdem die Statuten feierlich angenommen waren, wurde der schon in früheren Versammlungen gefaßte Beschluß, daß der Aelteste der Corporation, Namens S…, ein Greis von 85 Jahren mit dem Beinamen: der General, für den Rest seiner Tage von dem monatlichen Beitrage ausgenommen, dennoch aber alle Rechte eines Mitgliedes beibehalten soll, daß ihm ferner monatlich 250 Gramme Tabak zuertheilt werden und er bei allen Versammlungen und Banketen den Ehrenplatz nebst freier Zeche habe, von Neuem einstimmig und unter donnerndem Beifallsruf bestätigt.

Die Reihe kam nun an den Schatzmeister, um Rechnung über seine Cassenverwaltung abzulegen. Alles wurde für richtig befunden, auch die Bilanz von 17 Frcs. 95 Cts., welche in einer irdenen Sparbüchse aufbewahrt waren.

Als die Geschäfte alle abgemacht waren, begaben sich die Delegirten nach einer Kneipe, genannt „der dreifarbige Topf“, an der Barrière Fontainebleau, wo ein Banket bereitet war. Dieser Ort ist stets das Rendez-vous der Association der Lumpensammler gewesen. Er war immer in drei Sectionen abgetheilt; die erste, genannt die Pairskammer, war für die Elite der Versammlung reservirt, d. h. für diejenigen bestimmt, welche einen guten Tragkorb, eine gute Laterne und einen mit Kupfer beschlagenen Hafen besaßen; die zweite Abtheilung, Deputirtenkammer, war

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 679. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_679.jpg&oldid=- (Version vom 8.12.2022)