verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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Buchhändler; ferner wollten ihn die Industriellen nicht, und doch wurde er einer der größten Industriellen; endlich wollten ihn die Schriftsteller nicht, und doch wurde er einer der bedeutendsten Schriftsteller.
Der Tod hat seinen Anstrengungen und Ansichten, die großen Zwecke einer fünfundzwanzigjährigen Arbeit noch glänzend zur Geltung zu bringen und den tausenderlei Hoffnungen und Existenzen, welche sich darauf stützen, vollständige Befriedigung zu gewähren, ein Ende gemacht. Die Elemente dazu aber hat er ungeschmälert wohlerhalten und gepflegt zurückgelassen, und auf das geschickte und besonnene Verfahren derjenigen, welche Ansprüche darauf haben, wird es ankommen, dem großen schönen Bau die Spitze aufzusetzen und dafür zu sorgen, daß er nicht zur Ruine werde. Eine sichere Garantie für die Vollendung seines Werkes hat er selbst in seinem Sohne Hermann hinterlassen, in welchem der Feuergeist des[WS 1] Vaters sich zur plastischen Ruhe abgeklärt hat. Wie von einem guten Genius geführt, kehrte dieser treffliche junge Mann noch zur rechten Zeit mit Aufgebung des dortigen Etablissements von New-York in’s Vaterhaus zurück, um eine vollständige Uebersicht über alle Geschäftszweige und die Verhältnisse derselben zu erlangen. Trefflich gebildet und mit Nutzen durch die Schule des Lebens gegangen, hat er mit fester Hand Hammer, Kette und Winkelmaß ergriffen, um den Bau des Vaters zu vollenden, und hat, wie ich zu meiner großen Freude höre, schnell das Vertrauen aller Betheiligten gewonnen.
Hermann Meyer hat sich eine schöne Aufgabe gestellt, die von seinem edlen kindlichen Herzen, von seiner moralischen Kraft und von seiner Geschäftstüchtigkeit ein gleich ehrenvolles Zeugniß gibt, und er verfolgt ihre Erreichung mit einem Eifer und einer Würde, die ihm den ungetheilten Beifall aller Guten und Verständigen sichert; es ist die Aufgabe: den ehrlichen Namen seines Vaters in der Geschäftswelt zu retten, das schwer befrachtete aufgefahrene Schiff wieder flott und damit rüstige Fahrten auf dem Weltmeere zu machen. Er will nicht nur dem großen Todten den gebührenden Kranz voll und schön und unzerzaust von gefräßigen Nagethieren und Raubvögeln auf das Grab legen, er will auch seine ganze Kraft daran setzen, daß dieser Kranz wurzelt und wuchert und neue Sprossen treibt, damit er für die Nachwelt grüne, blühe und Frucht trage. Wer wollte dem trefflichen Sohne nicht das fröhlichste Gedeihen seines Werkes wünschen?
Und so hat Josef Meyer ein seltenes und schönes Glück auf Erden gehabt, die edle Gattin, die ihn verstand und herrlich unterstützte, und den hochsinnigen Sohn, der da schön vollenden wird, was der Vater groß begonnen.
Illustrierte Reiseskizze von Ludwig Löffler.
(Schluß.)
Der zweite Ort meines überwundenen Stumpfsinns war Witzelrode, wo die Poststraßen sich trennten und uns der alte, abgetragene Postmeister über eine Stunde auf der Chaussee stehen ließ. Der Mann fand es ordentlich sonderbar, als wir uns über seine Saumseligkeit beklagten und schien überhaupt nicht zu begreifen, wie man von einem Beamten seines Schlages Schnelligkeit verlangen könne. Uebrigens mochte die ganze Gegend von einer gewissen Trägheit afficirt sein, da auch der neue Postillon daran kränkelte und in Liebenstein der Verwalter im Schlafrocke auftrat, obgleich es schon gegen ½11Uhr war.
Ein großes neues, fast einem Hospital gleichendes Curhaus gähnte uns entgegen – eine öde Promenade, von dürftigen, fast kindisch aussehenden Bäumchen begrenzt, dörrte in der Sonne –
einige Damen in breiten Hüten saßen unthätig bei ihren Handarbeiten und hin und wieder schlich einer der ausgemergelten Hydropathen zum Brunnen.
Das war der erste Eindruck von Liebenstein, und da dieser nicht so verführerisch war, um längere Zeit hier zu verweilen, so machten wir es nur zur Packkammer für unsere größeren Reisebedürfnisse, nahmen ein gutes Frühstück und verließen es, um unsere Wanderungen durch die Umgegend anzutreten.
Wenn etwas von allgemeinem Interesse die passirten Gegenden auf das Vortheilhafteste auszeichnet, so sind es die Chausseen, die man wirklich mit einem wahren Vergnügen befährt und betritt; so auch die, welche von Liebenstein über Altenstein nach Ruhla führt, auf der wir, das zweite Mal auf der ganzen vierzehntägigen Regenpartie, brateten. Altenstein, der erste unsere Schritte hemmende Ort, ist eine reizende herzogliche Besitzung mit außerordentlich lieblicher Aussicht und einem Wirthshaus, dessen Kaffee in den Annalen des Kaffeeclubs als abschreckendes Beispiel aufgeführt zu werden verdient. Nur den vielen Wassercurgästen von Liebenstein kann man es zuschreiben, wenn ein Wirth sich erfrecht, den Fremden ein warmes Wasser vorzusetzen, worin im höchsten Falle ein vergessener Kaffebeutel ausgewaschen sein mochte. Das graue schmutzige Getränk hatte aber nur den Geschmack der alten Leinewand angenommen.
Durch schöne üppige Laubwaldung führt der Weg nach dem in so mannigfacher Beziehung gefeierten Ruhla, das wir bald erreichten. Schrecklich war der Weg über das endlose Pflaster des gemüthlichen Ortes, ehe wir im Gasthof „zur Traube“
anlangten. Ein Gang mit den unvermuthet getroffenen Gelehrten des Kladderadatsch nach dem Kaffeehause Bellevue und dann nach Heiligenstein zeigte uns auf einmal die ganze Schönheit des engen Ruhlaer Gebirgsthales. Daß die Partie heiter war, dafür bürgen die Persönlichkeiten, und wo solche Köpfe zusammenstoßen, müssen stets Geistesfunken sprühen. Heiligenstein selbst ist nur ein Bierhaus auf der Stätte eines ehemaligen Klosters, und offen gesagt war uns, nach der langen Promenade, ein Zug aus der Gegenwart
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: der
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 648. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_648.jpg&oldid=- (Version vom 25.11.2022)