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Seite:Die Gartenlaube (1857) 645.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Leviathan in der Wiege.

sich aber einer Länge von 692 Fuß. Wer lang hat, läßt lang hängen; aber die Arche Noah’s hat ihre Schuldigkeit gethan und Exemplare von allem „sündhaft Vieh und Menschenkind“ über die Sündfluth weg getragen. Der Leviathan muß erst mit seiner 11,500 Pferde- und seinen 6500 Quadrat-Yards Segelkraft zeigen, ob er ganzbeinig aus der Wiege und den Windeln auf’s Wasser kommen kann. Und dann ist er der Welt im Verhältniß zur Arche Noäh noch alles Mögliche schuldig.




Ein Pionnier des Geistes.
Von Ludwig Storch.
(Schluß.)

Anders wurde Meyer’s Streben nach der überstandenen Krankheit; denn von nun an wendete sich seine Speculation ausschließlich auf die rein materiell-industrielle Größe, und der einst hochfliegende Genius grub sich in die Erde, um ihre Schätze zu Tage zu fördern. Er selbst wußte und fühlte, daß er nicht mehr der frühere Ringer nach dem Idealen war, und erklärte diese Wandlung seiner selbst in schwermüthiger Selbstschau, daß er in der Krankheit von seiner frühern hohen geistigen Kraft und der Nothwendigkeit des sittlichen Aufschwungs degradirt sei, so daß, was ihm noch an Kraft geblieben, allein auf materielle Zwecke angewiesen sei, und er pflegte dann wohl seufzend zu sagen: „Gott hat sich von mir gewendet und mir einen Götzen zurückgelassen, den ich anbeten soll.“

Eigentlich war aber diese sogenannte Umkehr oder Verwandlung Meyer’s doch nichts weiter, als eine psychologische Selbsttäuschung. Er war geistig und sittlich noch der Frühere, nur war der gewaltige Drang seines Geistes nach großartiger, weitgreifender Thätigkeit in fieberhaften Feuereifer ausgeartet; aber das Feuer des Geistes ist dem materiellen Feuer gleich. Auch auf die Flamme des Geistes lassen sich Schiller’s schöne Worte anwenden:

„Wohlthätig ist des Feuers Macht,
Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht,
Doch furchtbar wird die Himmelskraft,
Wenn sie der Fessel sich entrafft.“

Zu dieser Meyern verderblichen Ausschweifung verleitete ihn der Bergbau. Eine Feder, die ihn in frommer Pietät zu würdigen verstand, gibt mir darüber folgendes treffliche Bild: „Der Bergbau, früher sein unschuldiges geduldiges Steckenpferd, wurde nun zum wilden, schäumenden, weitausgreifenden Rosse. Der verwegene Reiter schwang sich auf seinen Rücken, drückte ihm die Sporen in die Weichen, und das ungezähmte und schlecht gezäumte Thier ging mit seinem Reiter durch. Anstatt ihn auf die Sonnenhöhe seiner glänzenden Ziele zu führen, schlug es eine abwärts gehende Bahn durch Stein und Dorn und tausend andere Hindernisse ein, und warf endlich den erschöpften Reiter inmitten einer unwegsamen und unwirthlichen Gegend ab.“

Soviel Auswege sein Genie und sein unbeugsamer Muth ihm auch zeigten, Meyer lebte nicht lange genug, um auch nur einen einzigen bis zu Ende verfolgen zu können. Und so steht der große Industrielle da, wie der Torso einer Heldenfigur, wie eine abgebrochene Tempelsäule. Die industrielle Carrière Meyer’s ist nichts weniger als abgeschlossen gewesen. Das Sachliche darüber ist kurz Folgendes: Liebe zur Wissenschaft und eifriges Studium der unterirdischen Bodenverhältnisse seines engeren Vaterlandes, des Thüringerwaldes, hatten Meyer’s Speculationstrieb eine Menge nützlicher Winke über den in seiner Umgebung verborgenen großen Mineralwerth gegeben. Nach seiner Krankheit, vielleicht schon in derselben, glaubte er die Berufung zu erkennen, diese Schätze zum Heil seines Vaterlandes zu heben. Mit seiner rastlosen Energie, jetzt aber auf wahrhaft Staunen erregende Weise potenzirt, mit dem Aufwande aller seiner materiellen und geistigen Mittel griff er das riesige Werk an. Alle Räume der innern Berge, wohin sein geistiger Adlerblick drang, durchforschte er mit seinen Bohrversuchen, Stollen und Schachten, und combinirte endlich seine zahlreichen und glücklichen Entdeckungen zu jener allgewaltigen riesenhaften Idee, die ihres Gleichen nicht in Deutschland, nicht auf dem Continente[WS 1]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Con-/tingente
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 645. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_645.jpg&oldid=- (Version vom 24.11.2022)