verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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Man mag sich die Entstehungsweise der die Erdrinde bildenden Gesteinsschichten in vulcanistischem oder in neptunistischem Sinne, als das Werk schnell verlaufender Katastrophen oder langsam und ununterbrochen wirkender Vorgänge denken, so bleibt Eins unter allen Verhältnissen in Geltung, nämlich daß jene Gesteinsschichten sich nicht auf der ganzen Erdoberfläche gleichmäßig ausbildeten und daher die Erde keineswegs das Bild einer von Schalen rings umhüllten Zwiebel darbietet. Wenn dem so wäre, würden uns die Steinkohlen der nach ihnen vorzugsweise benannten Formation unerreichbar sein; denn wenn dann auch überall in einer gewissen Tiefe eine steinkohlenhaltige Schale liegen würde, so würde diese von den nach ihr abgelagerten Schalen so hoch bedeckt sein, daß eine Erbohrung derselben für unsere schwachen Kräfte eine Unmöglichkeit sein würde.
Nach der Bildung der Steinkohlenformation haben sich die Permische, die Trias-, die Jura-, die Wealden-, die Kreide-, die sogenannten Tertiär-Formationen und das Diluvium abgelagert; die zum Theil mehre Tausend Fuß mächtige Schichten bilden, so daß also, wenn diese Formationen alle über der Steinkohlenformation sich überall gleichmäßig gebildet hätten, diese überall viele Tausende von Fußen tief liegen würde. Dies ist aber zu unserm Vortheil nicht der Fall, sondern oft blieb die Steinkohlenformation ohne Ueberlagerung oder wurde nur wenig von anderen Formationen überlagert, oder auch ein hoch überlagertes Gebiet der Steinkohlenformation wurde später durch vulcanische Kräfte empor gehoben und durch Zerbrechen der darüber lagernden Formationen der Oberfläche der Erde näher gerückt. Für einen späteren Artikel behalte ich mir hierüber einige nähere Mittheilungen vor.
Die Steinkohlen kommen aber nicht blos in der vorzugsweise sogenannten Steinkohlenformation vor, welche zu den ältesten versteinerungführenden (den sogenannten paläozoischen) Formationen gehört, sondern auch in jüngern und zuletzt noch in der Kreideformation. Es findet sich aber Steinkohle sogar hier und da auch in solchen Schichten, welche noch älter als die Steinkohlenformation sind. Man kann daher die Vertheilung der Steinkohlen in Deutschland nicht einfach aus einer geognostischen Karte an der entsprechenden schwarzen Färbung der Gebiete der Steinkohlenformation ersehen. Dennoch ist und bleibt die eigentliche Steinkohlenformation die Hauptlieferantin dieses unentbehrlich gewordenen Brennmaterials, sowohl was dessen Menge als Güte betrifft; wir wollen daher zuerst diejenigen Gebiete Deutschlands aufzählen, in denen die Steinkohlenformation die Kohlenspenderin ist.
Zunächst ist das südlich vom 49° N. Br. liegende Land auszuschließen, weil in ihm nur geringe Spuren der Steinkohlenformation vorkommen, und die wenigen daselbst gefundenen Steinkohlen theils älteren theils jüngeren Formationen angehören. Eben so sind in Nordeutschland, namentlich in dessen östlicher Hälfte noch keine Steinkohlen gefunden worden. Dort sind die Formationen fast durchweg von den Ablagerungen des Diluviums und des Alluviums bedeckt. Die ältere Steinkohle, — wie wir die der Steinkohlenformation in der Kürze nennen wollen — ist in Deutschland an 13 Punkte vertheilt.
1. Nordwestlich begegnen wir den ersten Steinkohlen bei Ibbenbühren in dem preuß. Regierungsbezirk Münster, ein kleines abgerundetes Gebiet einnehmend.
2. Südlich unter diesem und ein wenig mehr westlich kommt zunächst das westphälische Steinkohlenbecken im Gebiete der Ruhr. Es hat im allgemeinen die Gestalt eines flachen Dreiecks, dessen nordwärts gekehrte Grundfläche ziemlich horizontal von W. nach O. verläuft und das seine Spitze gegen Elberfeld kehrt. Die durch Schleußen schiffbar gemachte Ruhr führt die Kohlen bei Ruhrort in den Rhein, wo sie als „Ruhrkohlen“ durch Schleppschiffe den Rhein auf- und abwärts weit verführt werden.
3. Am linken Rheinufer begegnen wir einem ausgedehnten Steinkohlengebiet, welches nur zum kleinen Theil Deutschland, zum größten Theil Belgien angehört. Es beginnt südlich von Jülich zwischen Düren und Aachen und erstreckt sich längs dem Nordrande der Ardennen in westsüdwestlicher Richtung über Namur und Charleroi durch Belgien, dann über Balenciennes nach Frankreich hinein und ist das bedeutendste Steinkohlengebiet des europäischen Festlandes. Der uns zufallende Theil führt den Namen des Aachener Steinkohlenbeckens.
Diese drei Kohlengebiete stehen ohne Zweifel in unterirdischem Zusammenhang, welcher aber an den zwei Unterbrechungsstellen von jüngeren Schichten überlagert ist.
4. Gehen wir aus der Landkarte noch weiter südlich und mehr östlich, so stoßen wir aus das große Pfälzisch-Saarbrücker Steinkohlenbecken, durch welches der westlichste Theil der Ludwigshafen-Bexbacher Eisenbahn mitten hindurchführt, deren wesentliche Fracht die Steinkohle bildet. Es nimmt einen Flächenraum von 60 Quadratmeilen[WS 1] ein, und es sind darin schon mehr als 100 einzelne Kohlenflötze übereinander gezählt worden. Die Eisenbahn geht eine lange Strecke in einem tiefen Durchstiche durch das Schichtensystem der Steinkohlenformation hin, so daß man an den hohen Böschungen die breiten schwarzen Streifen der Kohlenflötze mit den wechsellagernden grauen Schieferthon- und Sandsteinschichten abwechseln sieht. Dieses reiche, gut abgerundete Steinkohlenfeld hat an der nordwestlichen Seite seines Gebietes einige abgetrennte kleinere Kohlenlager und über diesen, jenseits der Nahe, eine lange schmale Erstreckung, auf welcher die Oldenburgische Enclave Birkenfeld liegt.
5. Es folgt nun nach Osten zu eine breite Fläche, wo nirgends die Steintohlenformation vertreten ist und erst auf dem Thüringer Walde, zwischen Schmalkalden und Ilmenau finden wir sie als ein fünftes Kohlengebiet wieder, welches aus mehreren Parcellen besteht.
6. Weiter östlich treffen wir in der Länge von Halle bei Wettin und Löbejün auf ein sechstes Kohlengebiet, jedoch in ziemlich beschränkter Ausdehnung.
7. Einige Stunden südlich vom Brocken bei Ilefeld liegt das kleine Harzer Steinkohlenbecken.
Noch weiter östlich, um einen Grad südlicher, kommen wir in ein großes Steinkohlengebiet, welches sich in zahlreichen getrennten, zum Theil ziemlich ausgedehnten Parcellen über das Königreich Sachsen, zum größten Theil jedoch auf Böhmen vertheilt. Auf Sachsen kommen
8. das sogenannte erzgebirgische Becken zwischen Flöha und Zwickau und
9. das kleine, aber reiche Becken von Potschappel. Zwischen beiden liegt das der ältesten Bildungszeit der Steinkohlenformation angehörige und mit dem Zwickauer unterirdisch vielleicht zusammenhängende Hainichener Becken und weiter südöstlich liegen die sehr kleinen Gebiete im obern Erzgebirge von Brandau bei Olbernhau, von Zaunhaus, Schönfeld, Bärenburg und Altenberg.
An dem Sübabhange des Erzgebirges erheben sich aus einem wellenförmigen Tertiärlande die malerischen Klingstein- und Basaltkegel des Mittelgebirges, an welche noch weiter südlich über Theresienstadt und Raudnitz ganz flaches Schwemmland grenzt, welches die Eger und Elbe durchfließen. Hieran stößt
10. das bedeutende vielfach getheilte und aus zwei größern und mehren kleineren Abtheilungen bestehende Böhmische Steinkohlengebiet. Es liegt in dem Winkel, den die Beraun mit der Moldau bildet, westlich und südwestlich von Prag. Das böhmische Steinkohlengebiet ist insofern ein klassisches, als von ihm aus durch den Grafen Caspar von Sternberg die wissenschaftliche Erforschung „der Flora der Vorwelt“ durch dessen berühmtes Werk dieses Namens ausgegangen ist.
11. Indem wir die kohlenführenden Schichten der eigentlichen Steinkohlenformation in Deutschland weiter aufsuchen, finden wir sie erst wieder zwischen dem Riesengebirge und den Sudeten in der schlesischen Grafschaft Schweidnitz bei Waldenburg,
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Ouadratmeilen
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 632. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_632.jpg&oldid=- (Version vom 28.5.2023)