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Seite:Die Gartenlaube (1857) 622.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

von Y. einfach, anspruchslos und liebenswürdig, und als Letztere jenes verachtende Auftreten bemerkte, stieg die hohe Frau selbst zum Brunnen hinab, und schöpfte mit eigener Hand. – Am nächsten Morgen blieben die Diener fort.

Schlecht und theuer war der Gasthof zur Post, den wir in einer Beichaise am Montag verließen und mit angenehmen Reisegefährten und ewigen blinden Passagieren die Reise über Münnerstadt, an der stolzen Burgruine des Henneberges vorbei, nach Meiningen fortsetzten. Wieder einmal war hier Schützenfest und das überreich versammelte Landvolk füllte die Straßen der kleinen Stadt und zog hinaus, durch den schönen Park, nach dem Schützenhause. Auch hier fehlten die so unumgänglich nöthigen Buden nicht, an denen man sich stromweise vorüberwälzte und wieder umkehrte, ohne eigentlich recht zu wissen, was man wollte. Erst mit einbrechender Dunkelheit wurde es uns klar, daß man Meiningen nicht verlassen könnte, ohne seine berühmten Würstchen, die hier an mehreren Orten auf den Kasten dampften, gekostet zu haben. Verführt durch die Unerschrockenheit zweier junger eleganter Damen traten wir dem Fettgeruch näher. Der Dampf umwirbelte uns und ein traurig abschreckendes Gefühl ließ uns darin die formlosen Gestalten schuldlos hingemordeter Katzen und Hunde erblicken. Als wir indessen durch eine leichte und liebenswürdige Conversation entzaubert, die Phantome nicht mehr erblickten, versuchten wir, wenn auch erst zaghaft, die gestopften Därme. Dieses Versuchs aber hatte es nur bedurft, denn nun baten wir im Stillen „Mutter Schilling“ um Verzeihung und flehten laut um mehr, was zu gewähren bei der herandrängenden Volksmasse kein leichtes Stück Arbeit war. Jedoch die lustigen Berliner hatten das Weib bei der Achillesferse, der Eitelkeit, ergriffen und ihnen gelang Unglaubliches. Durch einen Meininger Freund in die Schützengesellschaft eingeführt, bewegten wir uns den übrigen Abend, unter den charakteristischsten Figuren der „deutschen Kleinstädter.“

Wäre die Morgenstunde nicht so entsetzlich früh gewesen, als wir aus Meiningen fuhren, und hätte ich nicht auf dem mittelsten Rücksitz eines jener unförmlichen Kasten gesessen, von denen die Postbehörde behauptet, daß sie nur für anständige Leute eingerichtet wären, so wüßte ich vielleicht Mancherlei zu erzählen von der Gegend, die wir bis zum thüringer Walde durchfuhren. So wurde ich aber nur an zwei Orten aus meiner Lethargie gerüttelt. Das erste war Altenbreitungen, wo ich durch einen im Wege liegenden Stein aufmerksam gemacht wurde auf die wild decorirten Häuser. Wir befanden uns im Lande des berühmten Wasunger Tabaks, der auf Bindfaden getrocknet in Guirlanden und Behängen die Häuser bedeckt. Die Wasunger „pur sang“, die Wasunger „Regalia“ verbreiten sich von hier aus über ganz Sachsen (was ich mir allerdings denken konnte), und sollen fast den Kirschblättern vorzuziehen sein (eine Notiz, der die Cigarren Leipzigs nicht widersprechen). Außerordentlich mühselig ist die Zucht des Pflänzchens, das zuerst im Mistbeete aus dem Samen gezogen, dann jedes einzeln in’s Feld verpflanzt und hier auf das Strengste gehegt und gepflegt werden muß. Hitze bedingt, jedes einzeln zu begießen, während ein nur gelinder Frost alle Hoffnungen auf Ernte vernichtet.

(Schluß folgt.)




Ein improvisirter Ball in Sevilla.

Unser Eilwagen und seine klingelnde Bespannung von vierzehn Maulthieren legten mit einer fabelhaften Geschwindigkeit einen malerischen Weg zurück. Eine schöne Wasserleitung zeigte sich bald zu unserer Linken, und endlich erschienen die alterthümlichen Mauern der Stadt Sevilla. Wir drangen immer im Galopp in ein Labyrinth ein von engen und stillen Straßen mit milchweißen Häusern. Es war eine erstickende Hitze. Am hohen Mittag warf die Sonne ein unerträgliches Licht auf die glänzenden Mauern. Die ganze Stadt schien im Schlafe zu liegen; auf den Straßen war fast Niemand zu sehen, nur einige Männer drückten sich geschwind an den Häusern hin, schwitzend unter dem langen braunen Mantel, in den sie sich einhüllen und dabei behaupten, daß es kein kühleres Kleidungsstück gebe. So erschien Sevilla ganz anders, als meine Einbildungskraft mir vorgespiegelt hatte. Ich hatte mir eine riesige Stadt geträumt, von der Sonne vergoldet, mit gewölbten Pforten, mit alterthümlichen Fenstern, mit Masten von Blumen in den Straßen, mit Mandolinen unter den Balkonen, mit reizenden Mantillen auf den Spaziergängen und mit bezaubernden mit Atlas beschuhten Füßchen auf jedem Wege. Ich sah aber eine ganz moderne, ganz weißgetünchte, ganz leere, ganz schweigsame Stadt. In dem Hotel angekommen, trat ich plötzlich in eine Vorhalle, die mit Orangenbäumen und Oleandersträuchen geschmückt war; einige junge Frauen schwatzten miteinander in diesem blühenden Bosquet und ich hörte eine tremulirende Stimme, welche sich mit der Guitarre begleitete und zu einer sehr lustigen Melodie die traurigen Worte sang:

Quando yo me muera
Dejare encargado
Que con una trenzo
De tu pelo negro me ommarrea los manos.

(Wenn ich sterbe, werde ich verordnen, daß man mir die Hände mit einer Flechte von Deinen schwarzen Haaren zusammenbinde.)

Diese unerwartete Serenade, diese Guitarre, diese durchdringende Stimme, diese verliebten und melancholischen Worte, diese lustige Melodie, diese duftenden Blumen, diese plaudernden Frauen, diese so frische Vorhalle, die träge Ruhe der sich hier befindenden Personen im Gegensatz zu dem beweglichen Leben, welches ich seit einigen Tagen führte, die Aussicht, mich nun auch bei dem Klange der Guitarren dieser poetischen und träumerischen Unbeweglichleit der südlichen Länder hingeben zu können, das Alles ergriff mich auf einmal in dem Augenblicke, wo ich in den Hof trat, und söhnte mich völlig mit Sevilla aus.

Nachdem die Unruhe der ersten Einrichtung in meinem Quartiere vorüber war, beeilte ich mich, dem kleinen Kreise mich anzuschließen, welcher dem wandernden Sänger zuhörte. Diese Jotas, welche ohne Zusammenhang auf einander folgten, erinnerten mich an die endlosen Gesänge der Griechen in Kleinasien, jedoch mit einem Zusatz von andalusischer Lebhaftigkeit. Uebrigens hatte ich mich kecker am Fuße eines Orangenbaumes niedergelassen, als ein wohlbeleibter Mann mit einem fabelhaft kleinen Hute auf dem Kopfe in die Halle eintrat, gerade auf mich zu kam, sich als Lohndiener vorstellte und mich in gutem Französisch fragte, ob meine Herrlichkeit wünsche, zuerst die Kathedrale zu besuchen oder den Alcazar, oder die Tabaksfabrik, oder das Museum, oder die Bibliothek oder den Schädel Peters des Grausamen und so weiter; mit seltener Zungenfertigkeit zählte er alle Merkwürdigkeiten von Sevilla auf.

„Nichts von alle dem,“ erwiderte ich; „ich habe überall Schlösser, Fabriken und Bibliotheken gesehen; ich habe zweihundert Museen und fünfhundert Kathedralen besucht. Wie heißen Sie?“

„Bailly.“

„Nun wohl, Herr Bailly, ich wünsche vor Allem die Tänzerinnen von Sevilla zu sehen. Tanzen will ich sehen die Cachucha, die Jota, die Gitana, den Fandango, die Ole und den Jaleo. Wenn Sie mir das zeigen können, bin ich Ihr Mann, außerdem nicht.“

„Bueno, bueno,“ riefen freudig die Cigarrenschmaucher aus, welche mich umgaben, und ich gelangte auf der Stelle zu einer großen Bedeutung in dem Hotel. Wirklich ist es die Lustpartie eines Nabobs, welche ich mir da bestellte; eine der theuersten Vergnügungen, welche man sich in Spanien verschaffen kann, wo überhaupt keine einzige Sache wohlfeil zu haben ist. Ueberdem ist eine solche Lustpartie ein Act der Galanterie, denn man verständigte mich, daß ich die Tänzerinnen nicht sehen könne, ohne einen Ball zu geben, und daß ich zu diesem Balle einladen könne, wen ich wolle. Ich sah nun wohl ein, daß ich mich in meiner Uebereilung etwas überstürzt hatte, aber ich war zu weit gegangen, um zurückzutreten, und so fing ich damit an, alle gegenwärtige Personen zu diesem improvisirten Feste einzuladen. Die jungen Männer nahmen dieses mit Freuden an, einige junge Frauen lächelten, ohne zu antworten, als ob sie sich nicht getrauten zu gestehen, daß sie vor Begierde brannten, das Gleiche zu thun, und nur zwei alte Kammerfrauen anderer Reisenden erklärten, daß dieses eine Abscheulichkeit sei und daß alle Franzosen schlechte Subjecte wären, welche die guten Sitten in Spanien verderben wollten.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 622. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_622.jpg&oldid=- (Version vom 8.11.2022)