verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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No. 43. | 1857. |
„Wohlan, so hören Sie denn,“ fuhr Alexander fort. „Ich habe Ihnen auf der Jagd erzählt,“ sagte er leise, „daß mich ein ungetreues Weib schmählich verrathen, daß es mir die heiligsten Eide gebrochen hat?“
„Ich erinnere mich.“
„Sie selbst nannten sie eine Treulose.“
„Und wer ist diese Treulose?“
„Ihre Frau!“ rief Alexander triumphirend.
Wilhelm fuhr betroffen zurück.
„Meine Frau!“ murmelte er. „Das ist nicht übel.“
„Ja, Ihre Frau, Herr Dewald! Sie sehen, daß ich Ihrer Ruhe wegen nicht bleiben kann.“
„Meiner Ruhe wegen?“ fragte Wilhelm lächelnd. „Wenn Sie keinen andern Grund zur Abreise haben, so bleiben Sie.“
„Wie?“
„Ich wiederhole es, bleiben Sie, mein Herr!“
Alexander fühlte sich durch die ruhige Sicherheit verletzt, mit der diese Worte an ihn gerichtet wurden. Seine Eitelkeit erwachte.
„Gut,“ sagte er nach einer Pause, „so will ich denn bleiben; aber nur um ihr zu beweisen, daß sie mir völlig gleichgültig ist.“
„Er will sich rächen!“ dachte Wilhelm.
„Wenn ich abreiste, würde sie glauben, die Verzweiflung triebe mich fort – diesen Triumph will ich ihr nicht bereiten. Ich gehe selbst noch weiter: ich werde den Rath Ihres Onkels befolgen – bei Gott, das ist ein großer Gedanke! Ich werde mich in die reizende Albertine verlieben – ich bin sogar schon in sie verliebt! Ich bete sie an, ich vergöttere sie!“
„Sie fangen rasch Feuer, Herr von Windheim!“
„Zu meinem, zu Ihrem Glücke. Mein Herr, dafür, daß Sie mir die Geliebte entführt haben, zeigen Sie sich jetzt gefällig.“
„Was kann ich thun?“ fragte Wilhelm.
„Sie sind mit der reizenden Albertine befreundet; sagen Sie ihr, daß ich reich, von Adel, sanfter Gemüthsart, guten Charakters, treu und zärtlich bin – mit einem Worte, stellen Sie meine Eigenschaften, die Sie kennen und die Sie nicht kennen, in das hellste Licht.“
„Mein Herr, Albertine ist nicht reich.“
„Desto besser; so bereichere ich sie durch mein Vermögen. O, es ist ein süßes Glück, die Geliebte glücklich zu machen!“
Wilhelm bot Alles auf, den Entschluß des sonderbaren Menschen schwanken zu machen.
„Albertine,“ fuhr er fort, „ist keine wahre Schönheit. Ihre Züge sind, in der Nähe gesehen, grob.“
„Mein Herr, die Schönheit ist Geschmackssache!“ rief der aufgeregte Alexander.
„Aber sie ist kokett!“
„O, welche Frau wäre das nicht?“
„Und entsetzlich launenhaft.“
„Desto besser! Die Launen machen ein hübsches Mädchen in den Augen des Liebhabers um so interessanter. Albertine vereinigt die Eigenschaften von zehn anderen Frauen. Es bleibt dabei, ich werbe um die Gunst der schönen Albertine.“
„Mein Herr, ich kann Ihnen nicht beistehen, ich werde selbst zu verhindern suchen – –“
Alexander fuhr auf.
„Wie,“ rief er, „auch diesmal wollen Sie mir in den Weg treten? Vergessen Sie nicht, daß Sie mir bereits die erste Geliebte genommen haben. Sie sind eifersüchtig auf Ihre Frau, wie Sie vorhin sagten, und jetzt wollen Sie zwischen mich und Albertinen treten – mein Herr, was soll ich davon denken?“
Dewald begriff, daß er sich von seiner Eifersucht hatte zu weit hinreißen lassen; er durfte sich ja auf den Takt und die Festigkeit seiner Frau verlassen.
„Mein Herr,“ sagte er mit kalter Artigkeit, „thun Sie, was Sie wollen; aber ich gebe Ihnen die Versicherung, daß all’ Ihr Bemühen vergebens sein wird. Albertine ist kalt, gleichgültig, Extravaganzen findet sie lächerlich und den Ehestand haßt sie. Wie gesagt, thun Sie, was Sie für gut halten. Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen!“
Alexander von Windheim verneigte sich mit kalter Eleganz.
„Leuchte dem Herrn die Treppe hinab, Tobias!’ rief er dann.
Tobias kam dem Befehle nach. Wilhelm Dewald verließ das Forsthaus und eilte nach der Solitüde zurück.
„Wir bleiben!“ sagte Alexander, als der Diener das Licht zurückbrachte. „Besorge mir ein Abendessen.“
Der Alte verließ brummend das Zimmer.
„Wie, Herr Dewald,“ dachte der Edelmann, „Sie wollen mir zum zweiten Male hinderlich sein? Ah, das ist ein Grund mehr, bei meinem Entschlusse fest zu verharren. Louise wird vor Zorn weinen, wenn ich über die gelungene Rache triumphire. Die Ungetreue hat es nicht besser gewollt, ich habe durchaus keinen Grund, mir Vorwürfe zu machen. Mag es ausfallen, wie es will, ich werde mich um Albertinen bewerben.“
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 585. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_585.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)