verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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Die schwerste Last, die einem Menschen auferlegt werden kann, ist die eines ererbten großen Namens. Die Person eines so Belasteten verschwindet ganz unter dem Namen; er ist niemals er selbst, sondern stets nur der Sohn seines Vaters. Was er thut, vergleicht die Welt mit dem, was sein Vater that; was er vollbringt, bleibt deshalb immer hinter dem zurück, was sein ruhmgekrönter Vater vollbrachte, und wenn er sich scheut, eine Art Wettkampf mit diesem zu wagen, schreibt man es sofort seinem Unvermögen zu. Vor Andern sich auszuzeichnen, ist überall
und zu jeder Zeit nur durch mühevolle Anstrengungen zu erreichen, fast unmöglich wird es dem, welcher überdies und vor allem den Glanz seines eigenen Namens überbieten muß.
In ganz ähnlicher Lage befindet sich eine Stadt, die reich ist an großen Erinnerungen. Im rastlosen Wetteifer mit den andern hat sie auch noch mit diesen ihren Erinnerungen zu kämpfen; denn schwer ist es, einen ruhmvollen Namen sich zu erwerben, schwerer, denselben zu erhalten und zu behaupten, am allerschwersten dem bereits erlangten noch größeren Glanz zu verleihen.
Aber – große Erinnerungen sorgsam zu pflegen, das Andenken an eine ruhmvolle Vergangenheit immer frisch und lebendig zu erhalten, ist auch ein Ruhm. Nicht alle können Großes thun, aber Pflicht eines Jeden und Ehre für Jeden ist es, das Große anzuerkennen und darauf hinzuweisen, um die Nacheiferung stets wach zu erhalten.
Weimar, das reicher an Erinnerungen an glänzende geistige Thaten ist, als irgend eine andere Stadt in Deutschland, vergißt zu seinem Ruhme nie, daß es einst die geistige Hauptstadt des großen Vaterlandes war, und ist jeder Zeit bestrebt, sich selbst und die Welt daran zu erinnern.
Jedes Kind dort kennt die Häuser, in denen sonst Wieland, Goethe, Schiller wohnten. Straßen und Plätzen hat die Stadt die Namen ihrer großen Männer beigelegt: der Töpfermarkt ist der Herder-Platz geworden, am Theater die Wielandstraße, der Platz vor dem Frauenthor der Wielandplatz und die Linde dort die Wielandslinde; der „Plan“ heißt nun der Goetheplatz, die „Esplanade“ die Schillerstraße und Schiller’s Haus das Schillerhaus, das die Stadt ankaufte, um es unentweiht dem Gedächtniß des Dichters zu wahren.
Auch das Fürstenhaus Weimars ist jeder Zeit bemüht gewesen, die Erinnerung an die große Dichterzeit lebendig zu erhalten. Ein glänzendes Zeugniß dafür ist, daß die sterblichen Ueberreste Goethe’s und Schiller’s in der Fürstengruft beigesetzt wurden; ein anderes sind die mit Recht berühmten Dichterzimmer im Schlosse. In dem Tempelherrnhause im Park thront überdies Jupiter-Goethe, das kolossale Marmorbild des Dichters, und welchen Reichthum an Büsten und Bildern enthält die Bibliothek! Es braucht nur an die kolossale Büste Schiller’s von Dannecker und an die Goethe’s von David erinnert zu werden.
Die Plätze der Stadt schmücken sich allmählich mit den Erzbildern derer, die den Ruhm Weimars geschaffen haben. Zwar ist bis jetzt noch nichts gethan worden, einen Platz mit einem Bilde Amaliens zu zieren, der eigentlichen Begründerin der geistigen
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 565. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_565.jpg&oldid=- (Version vom 21.10.2022)